Das verschwundene Flugblatt – oder: Mein Gott, SPD…


 

Die SPD Berlin ist eine ziemlich ordentliche Partei. Da kommt nix weg – sollte man meinen. Selbst Dokumente aus längst vergangene Zeit, wie zum Beispiel Flugblätter, werden gesammelt, abgeheftet und ins Archiv verbracht. Beziehungsweise – weil die SPD ja auch eine moderne Partei ist – ins Online-Archiv ihres virtuellen Infostands eingestellt. So kann man heute noch lustige „Europa-Malbögen“ aus dem Jahr 2018 herunterladen und sich den Heimatkontinent in jeder nur gewünschten Farbe ausmalen..

Die SPD Berlin ist aber leider auch eine zuweilen prinzipienlose Partei. Was bedeutet, dass sie das, was sie anderen einmal versprochen, nicht unbedingt einhält. Wenn zum Beispiel plötzlich andere Interess… – pardon – staatspolitische Verantwortung sie dazu zwingt, vom einmal Zugesagten abzuweichen.

Die älteren unter den Lesern werden sich vielleicht noch daran erinnern, dass die gegenwärtige rotrotgrüne Koalition vereinbart hatte, den Fahrradverkehr zu fördern – auch zu Lasten den Autoverkehrs. „Flächengerechtigkeit“ ist das Schlagwort – und auch die SPD setzte ihren Wilhelm – beziehungweise ihren Müller – unter das Papier.

Leider war davon auch der Parkplatz jenes den Koalitionsvertrag unterschrieben habenden Herrn Müller von der SPD betroffen. Was ihn flugs dazu trieb, eine saftige Beschwerde an das zuständige Bezirksamt schicken zu lassen – Vertrag hin oder her.
 

In Trance unterschrieben

So auch bei der Mietenpolitik. Solange der Mietendeckel – eine originäre SPD-Erfindung – nicht ernsthaft Wirklichkeit zu werden drohte, war die SPD sehr dafür. Schließlich konnte man so lautstark den Befürwortern von „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ entgegentreten: Seht mal her, wir haben – irgendwann einmal – etwas viel viel besseres!“

Als dann plötzlich die Senatorin von der Linkspartei holterdipolter ein Eckwertepapier aus der Tasche zauberte, war die SPD so überrascht, dass sie wie in einer Trance das Papier, in dem auch festgeschrieben stand, dass bei zu hohen Bestandsmieten die die Miete auf eine zu bestimmende Obergrenze abgesenkt werden soll, willenlos unterzeichnete.

Noch immer völlig benommen, verfasste die SPD noch am selben Tage eines ihrer berühmten Flugblätter, auf dem unter anderem auch geschrieben stand:

„Bei Bestandsmieten gilt: Die Mieten dürfen für fünf Jahre nicht erhöht werden. Auf Antrag der Mieter*innen ist eine Überprüfung der Miethöhe möglich. Falls die Miete zu hoch ist, wird sie auf die zulässige Miete reduziert (Absenkungsbegehren).““

und stellte es in ihrem „virtuellen Infostand“ online.

Erst nachdem außerparteiliche Immobilienlobbyisten und (die SPD ist eine Arbeiterpartei!) innerparteiliche Baufilzarbeiter sie bei der Schulter nahmen und kräftig durchschüttelten, wurde die SPD Berlin wieder wach: „Mein Gott, was habe ich da nur unterschrieben!“

Von Stund an besann sie sich wieder auf ihre Aufgabe als einzige wirksame Berliner Oppositionspartei und bekämpfte den Mietendeckel an allen Fronten. Besonders natürlich den Passus mit der Absenkung überhöhter Mieten. Letzteres tat sie so gründlich, dass sich kaum noch jemand daran zu erinnern vermochte, dass sie so etwas je gefordert hatte.

 

Panik in der SPD-Zentrale

Das ging eine ganze Weile gut – bis vor ein paar Tagen so ein vorwitziger Naseweiß (bestimmt ein Linker!) im „virtuellen Infostand“ der Partei herumschnüffelte und auf das besagte Flugblatt stieß.
Dummerweise hatte er nichts besseres zu tun, als dieses kompromittierende Papier in den sogenannte sozialen Medien online zu stellen. Da fiel es den Leuten wie Butter aus den Haaren: Heiliger Bimbam, stimmt, die SPD selbst hatte ja im Juni – also in grauer Vorzeit – diese Mietabsenkung jubelnd begrüßt.

In der Berliner SPD-Zentrale brach Panik aus.

Um Himmelswillen, was tun?! Standen doch gerade die Verhandlungen im Koalitionsausschuss bevor – was, wenn das ein linker oder grüner Senatskollege zu lesen bekommt und sich deshalb wieder daran erinnert, an die Zeit im Juni dieses Jahres…?

Die rettende Idee hatte vermutlich ein Praktikant. Denn Praktikanten – das sagt der Begriff bereits – sind in einer Parteizentrale die einzig praktisch denkenden Menschen. „Stecker raus!“
Und weil von den vielen Parteiarbeitern wohl keiner wusste, welcher von den vielen Steckern wo raus sollte, tat er es schließlich selbst.

Deshalb ist seit eineinhalb Tagen unter der entsprechenden Webadresse nur noch der Hinweis „Not Found“ zu entdecken.

Für den Fall, dass sich wider erwarten bei den Koalitionsverhandlungen doch jemand von Grün und Links sich daran erinnern sollte, dass die Sozialdemokraten einen Mietendeckel mit Absenkungen propagiert hatten, ist vorgesorgt: Michael Müller hat vorsorglich für Frau Lompscher, Frau Pop und Co ein paar Europa-Malbögen aus dem virtuellen Infostand der SPD ausdrucken lassen.
Damit dürften die dann solange beschäftigt sein, bis er mit seinen Genossen den endgültigen Wortlaut des Mietendeckels festgelegt hat.

 



Kommentar zu “Das verschwundene Flugblatt – oder: Mein Gott, SPD…”

  1. Kannste Dir nicht ausdenken.. :/

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