„Warum wird die Vorstellung der Anwohner-Initiative als das einzig Wahre dargestellt?“

Kirchner Interview 1

 

Sollen künftig im Thälmannpark oder direkt neben der kürzlich unter Denkmalschutz gestellten Siedlung neue Wohnungen gebaut werden oder nicht? Das ist der Grundkonflikt zwischen der Anwohner-Initiative Thälmannpark und dem Pankower Stadtrat für Stadtentwicklung Jens-Holger-Kirchner. Strittig ist dabei vor allem der Umgang mit der Brachfläche des ehemaligen Güterbahnhofs Greifswalder Straße. Jens-Holger-Kirchner sieht sich falsch verstanden und meint, eine moderate Bebauung der Brache mit Grün drumherum läge im gesamtstädtischen Interesse.

 

Titel5aHerr Kirchner, das, was als Zwischenergebnis der Voruntersuchung Thälmannpark präsentiert wurde, hat offensichtlich nicht den Beifall der dort sehr aktiven Anwohner-Initiative gefunden. Knackpunkt der Differenzen ist der mögliche Umgang mit den Freiflächen, also das Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs und des danebengelegenen Zementwerkes. Die Anwohner-Initiative favorisiert dort einen Grünzug. Warum sind Sie der Meinung, dass diese Flächen bebaut werden sollten?


Man muss ja mal sortieren: Die Anwohner-Initiative hat ihre Position klar erläutert, das ist erstmal so zu respektieren. Die Auswertung der öffentlichen Auslegung des Zwischenergebnisses wird ein anderes Bild zeichnen. Das Meinungsbild der Anwohnerinnen und Anwohner ist wesentlich bunter, als die Anwohner-Initiative denkt. Ich freue mich schon auf die Auswertung und auch auf die Erörterungsveranstaltung am 9. April, weil sie ein gutes Instrument ist, mal über die verschiedenen Meinungen zu diskutieren. Und das nicht nur auf der aufgeregten Ebene.

titel1aDas war jetzt aber nicht die Antwort auf meine Frage…


Die Fläche des ehemaligen Güterbahnhofs ist ja eine Brachfläche. Da sollte man ernsthaft darüber nachdenken, ob das Prinzip des Thälmannparks - einzelne Wohnblöcke im Grünen – nicht ausgeweitet werden kann. Weil wir natürlich überall in der Stadt nach Flächen für den Wohnungsbau suchen, gerade auch für den innerstädtischen Wohnungsbau.
Was die Fläche des Zementwerkes betrifft, da war ja unser Vorschlag ähnlich: Das Prinzip der Grünen Stadt – von den Anwohnern hochgeschätzt als Wohnen mitten im Grünen. Doch die Fläche des Zementwerkes hat sich ja nun erst einmal mittelfristig erledigt, weil der Grundstückseigentümer die Pachtverträge für das Werk verlängert hat und noch dazugekauft hat. Das nenne ich nun eine Ironie der Geschichte: Da wird nun fast noch auf Jahrzehnte ein Zementwerk stehen, das dazu noch durch eine Baustoffdeponie erweitert wird. Ob das nun das Ziel aller stadtplanerischen Wünsche oder des Bürgerwillens ist, vermag ich nicht zu sagen.

titel1aPrenzlauer Berg leidet an einem erheblichen Grün-Defizit…


Ja, aber die Argumentation, dass nun Wohnungsbau nicht mehr stattfinden soll, ähnelt sehr dem „not in my backyard“-Denken.
Die Kollegen von der Anwohnerinitiative haben ja deutlich gesagt, soll doch der Wohnungsbau stattfinden, wo er will – am Stadtrand. Aber wir sind da auch gesamtstädtisch in der Verpflichtung. Und das bedarf dann auch einer ernsthaften Debatte, bei der es nicht bloß um den Thälmannpark geht. Sondern darum, wie wir mit den innerstädtischen Baupotenzialen umgehen. Wie machen wir es, dass auch klimatische Gesichtspunkte berücksichtigt werden.
Es macht doch umgekehrt keinen Sinn, diese 600 oder 800 Wohnungen, die auf den Güterbahnhofsflächen in Rede stehen, an den Stadtrand zu packen, in Einfamilienhäusern, die die Fläche versiegeln und die einen Verkehr erzeugen, von dem dann auch wieder die Greifswalder Straße betroffen ist.

Titel4bEs geht doch nicht um Einfamilienhäuser am Stadtrand. Fakt ist: Pankow ist seit Jahren der Bezirk mit den meisten erteilten Baugenehmigungen – und kaum ein Stadtteil Berlins ist bereits jetzt dichter bebaut, als Prenzlauer Berg. Da stellt sich die Frage, warum die wenigen grünen Inseln nicht erhalten und erweitert werden sollen?


Aber der Thälmannpark bleibt doch erhalten! Es wird immer so getan, als ob der Thälmannpark bebaut wird. Das, was bebaut werden soll, ist zur Zeit noch eine Brachfläche. Mit Ruinen und Ratten. Und da kann man nun lange drüber streiten, ob eine behutsame Bebauung – übrigens mit der Erweiterung von Grünflächen – ob das wirklich so schlimm ist, wie der jetzige Zustand des ehemaligen Güterbahnhofs.

Titel3aFavorisiert tatsächlich jemand Ruinen mit Ratten drin? Oder dreht sich der Streit nicht vielmehr darum, was nach Ratten und Ruinen entstehen soll?


Richtig ist, dass ein Zielkonflikt besteht. Da gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Deshalb freue ich mich ja auch so auf die Erörterungsveranstaltung. Da kann man sagen, das soll alles Grünfläche werden, man kann das ankaufen... - das wird abzuwägen sein.
Was mich wirklich aufregt: Warum wird die Vorstellung der Anwohner-Initiative als das einzig Wahre, Richtige, Gute und Schöne dargestellt? Und jede andere Idee von vornherein abgelehnt, obwohl sie nicht mal ernsthaft erwogen wurde?

Titel4bWar nicht das „einzig Wahre, Richtige, Gute und Schöne“, das bei der Auslegung des „Zwischenergebnisses“ der Voruntersuchung betrachtet werden konnte, das von Bezirksamt und „Stattbau“ erstellte Konzept – inclusive des umstrittenen Bebauungsszenariums? Die Vorstellungen der Anwohner-Initiative sind da ja nicht einmal erwähnt worden.


Da muss ich doch mal dran erinnern, dass das ausgelegte „Vorbereitende Untersuchungskonzept“ durch Gespräche mit allen Akteuren im Gebiet entstanden ist. Und da gehören neben der Anwohner-Initiative eben auch die Eigentümer, die Kulturleute, die Vertreter von „Vivantes“ und andere dazu.
Im Untersuchungskonzept enthalten ist zum Beispiel die Qualifizierung der Grünflächen – eine Anregung, die auch von der Anwohner-Initiative kam. Beim Kulturareal haben unter anderem die Kulturleute gesagt, dass ihnen das besonders wichtig ist.
Und da stellt sich nun die Frage nach der Hundert-Prozent-Umsetzung der Forderungen. Das ist ein Punkt, bei dem wir immer wieder in Missverständnissen landen. Denn Beteiligung heißt, dass alle gehört werden, aber nicht...

titel1aDas sind doch alles unstrittige Punkte. Der Knackpunkt ist doch die Frage: Soll Wohnbebauung auf die Brache oder nicht?


Was haben Sie gegen unstrittige Punkte, wenn sich alle einig sind? Ist wohl keine Nachricht wert?
Ich muss an dieser Stelle mal sagen: Das kann die Anwohner-Initiative beklagen, wie sie will – ich beklage das zuweilen ja auch: Es hatte damals keiner daran gedacht, dieses Grundstück zu kaufen. Punkt. Es hatte keiner dran gedacht. Von keiner Partei.

titel1aStimmt nicht. Im Jahr 2011 gab es einen Antrag der Bündnisgrünen in der BVV, einen Kauf des ehemaligen Güterbahnhofs zu prüfen.


Ja. Hatte sich aber nicht durchsetzen können. Denn das ehemalige Bahngelände wurde ja schon viel früher an einen Privatmann verkauft. Da war es ja schon zu spät.

 

Zum zweiten Teil des Interviews—->

 

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