Elisabethaue: 50 Prozent der Fläche wird privatisiert

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Zwischen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften GESOBAU und HOWOGE sowie der Entwicklungsgesellschaft (EG) Elisabethaue GmbH wurde am Freitag ein „Grundlagenlagenvertrag“ unterzeichnet.
Der Vertrag, so heißt es etwas verquast in einer aus diesem Anlass veröffentlichten Presseerklärung, „beschreibt die Aufgaben Befugnisse und Beiträge der Projektpartner während der Planungsphase und die Finanzierung der erforderlichen Arbeiten. Zudem enthält er auch Vereinbarungen über die Durchführung des Planungsprozesses.“

Neuer Akteur in der Bebauungsrunde ist die EG Elisabethaue GmbH, eine Tochtergesellschaft von HOWOGE und Gesobau. Sie soll das Pröjekt entwickeln. „Für uns ist das Neuland“, sagt Howoge-Geschäftsführerin Stefanie Frensch. Bisher lag die Verantwortung für solche Großprojekte direkt beim Senat. Hier wird sie nun von den Wohnungsbaugesellschaften und der von ihnen gegründeten Entwicklungsgesellschaft getragen – inklusive der Risiken, die eine solche Unternehmung in sich birgt.
 

„Jahr der Konzepte“

Auf siebzig Hektar Acker- und Auenland soll in kurzer Zeit – die ersten Häuser werden nach dem Willen des Senats bis 2019 stehen – für zehn- bis zwölftausend Menschen eine „Gartenstadt des 21. Jahrhundert“ entstehen.
Was das sein und wie das aussehen soll, ist unklar.

„Noch befinden wir uns in der Phase der Analyse, 2017 wird dann das Jahr der Konzepte sein“, sagt der Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Engelbert Lütke Daldrup.
Dazu wird die Entwicklungsgesellschaft Ende dieses Jahre einen „Städtebaulicher Wettbewerb“ ausrufen, der allerdings kein klassischer Wettbewerb sein wird, sondern, wie der Staatsekretär formulierte, ein „dialogorientiertes städtebauliches Verfahren“, dessen Ergebnis nichts endgültiges festschreibt, in dem aber Möglichkeiten aufzeigt werden.
Denn in jeder Phase der Entwicklung sollen die Bürger mitreden dürfen. Damit habe man – in kleinerem Rahmen – am Flugplatz in Adlershof gute Erfahrungen gemacht. „Wir sind dabei nicht dümmer geworden“, sagt der Staatssekretär, „und haben verstanden, was die Umgebung denkt und erwartet.“

 

Mal kurz neben der Realität

Dümmer sicher nicht, aber klüger, so scheint es, auch nicht.

Denn „die Umgebung“ der Elisabethaue wollte in der Nachbarschaft mehrerer Landschaftsschutzgebiete gar keine massive Wohnbebauung. Daran wird wohl auch der von Engelbert Lütke Daltrup angekündigte „Respektabstand“ zum denkmalgeschützten Dorf Blankenfelde nichts ändern.
Und wenn Thomas Felgenhauer, Geschäftsführer der gerade gegründeten Entwicklungsgesellschaft, in der Pressemitteilung zitiert wird, er wünsche sich dass der Planungsprozess mit der Senatsverwaltung, „dem Bezirk Pankow und insbesondere mit den Bürgerinnen und Bürgern konsequent weiter fortgesetzt wird“, dann wirkt das schon ein wenig bizarr. Hat dem Mann wirklich niemand erzählt, dass die Bezirksverordnetenversammlung die Bebauung der Elisabethaue ablehnt und es dem Bezirksbürgermeister sogar verboten hatte, seine Unterschrift unter eine Absichtserklärung mit der Senat, Bezirk und Wohnungsbaugesellschaften ihre Absicht zur Bebauung der Elisabethaue besiegeln sollten?
 

Ein Stadtteil mit eigenem Zentrum

Doch das Grundsätzliche ist bereits vorgegeben. Und das nicht nur in der Frage, ob gebaut wird oder nicht.

So soll keine „Stadtrandbebauung“ entstehen, sondern ein „urbaner Ort“ mit vier- bis siebengeschossige Häusern. Auch gegen ein Hochhaus, so Lütke Daldrup, sei nichts einzuwenden.
Auch ein Zentrum werde der neue Stadtteil erhalten. „Nicht unbedingt wie der Alexanderplatz“, erklärt Stefanie Frensch, aber mit Geschäften Büros und gut geplanten Wegebeziehungen, die die „öffentliche und halböffentliche Begegnungen“ befördern sollen.
Fünfhundert Kitaplätze und eine Grundschule sind ebenfalls vorgesehen – bei einer Sekundarschule ist man sich noch nicht schlüssig. Die Einrichtungen sollen nicht nur für die Bewohner der Elisabethaue, sondern auch für die umliegenden Ortsteile wie Rosenthal und Niederschönhausen offenstehen.

Überhaupt soll auch mental eine Verbindung zu den Nachbar-Ortsteilen geschaffen werden – und das schon vor der Errichtung des neuen Stadtviertels. So sind in den Nachbarsiedlungen Veranstaltungen geplant, um herauszufinden, was die Anrainer von dem entstehenden Neubauviertel erwarten. Die erste findet bereits am 18. Juni statt.
Eine Verkehrsuntersuchung wird ermitteln, wie man zum neuen Wohnquartier hin-oder von ihm wieder wegkommt. Dass die Straßenbahn dabei eine große Rolle spielt, steht fest – wie und in welcher Linienführung, ist noch offen.

„Autogerecht“ im herkömmlichen Sinne, soll es nicht zugehen – Parkplätze für alle sind nicht vorgesehen

 

Neue Wohnformen

Fünfzig Prozent der zu bebauenden Fläche wird von den beiden Wohnungsbaugesellschaften belegt werden – die andere Hälfte wird an „Private“ verkauft. Für 300 je Quadratmeter Bauland. Mit den Erlösen hofft man, die prognostizierten Entwicklungs- und Infrastrukturkosten von 100 Millionen Euro einzuspielen. Bauen auf Ackerland hat halt seinen Preis.

Der klassische soziale Wohnungsbau der 1950er ist passé, klärt Engelbert Lütke Daltrup die Anwesenden auf und schließt daraus messerscharf, dass sich die neue Siedlung den neuen Gegebenheiten anpassen muss.
So wäre die klassische Familie mit Vater, Mutter und zwei Kindern heute eine Minderheit, die vielleicht noch 20 Prozent der Wohnungssuchenden ausmache. Stattdessen viele Singles, Alleinerziehende, Senioren oder auch sogenannte Wohntische, zu denen sich Menschen zusammenschließen, die an einem gemeinschaftlichen generationsübergreifenden Wohnen interessiert sind. Diese Mischung sei bei der Planung zu beachten.
 

Mieten nur wenig sozial

„Mischung“ ist auch für GESOBAU Geschäftsführer Jörg Franzen wichtig, und so stellt er klar, dass die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften mitnichten nur preiswerte Wohnungen – also das, was man gemeinhin als „bezahlbaren Wohnraum nennt – errichten wird.
Um der „Ghettobildung“ vorzubeugen.
65 Prozent der von HOWOGE und GESOBAU zu erstellenden Wohnungen werden höher- oder hochpreisig sein. Bei den privaten Investoren sind es sogar 75 Prozent.

Als jemand wissen will, wer oder was denn unter „Privat“ zu verstehen ist, druckst der Staatsekretär erst einmal ein wenig herum. Auf Nachfrage schließlich: Ja auch Baugruppen, zehn Prozent vielleicht, und auch Genossenschaften sollen irgendwie dabei sein. In welchem Maße… – Schulterzucken.

„Und der Rest geht an Groth?“ fragt daraufhin ein Journalist. Der Staatssekretär schaut etwas pikiert. „Ich weiß jetzt nicht, was Sie meinen.“

 

Das Gebiet des künftigen Stadtteils - Karte: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt

Das Gebiet des künftigen Stadtteils – Karte: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt


 

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6 Kommentare zu “Elisabethaue: 50 Prozent der Fläche wird privatisiert”

  1. Nun ist die Katze aus dem Sack – hat nicht der Senat immer behauptet, daß nur auf senatseigenen Flächen preiswert gebaut werden kann und nun soll 50% an private gehen – vielleicht an die Firma Groth??? – Da wird also wieder Senatsland verramscht und die Anwohner, die lieber die Felder behalten möchten, dürfen sich die Hochhäuser ansehen. Neu-Buchholz ist doch wohl schon schlimm genug!!

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  2. Ich glaub und hoffe nicht , sowas will dort niemand ! Auch ist schon seit mehr als 20 Jahren davon die Rede das der Schilling weg ausgebaut werden soll , das heißt dann das gründstücke Zwangsenteignet würden usw , habe letzte Woche anderes gehört aus Quelle des Senats

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    • Der Senat sagt, es wird eine Kleinstadt für 10.000 bis 12.000 Bewohner gebaut

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    • Welche Seite der Aue ist denn geplant , so läuft ja dann auch dort die Gentrifizierung vom Feinsten , die Menschen der Kleingärten werden früher oder später ebenfalls gehen müssen zwecks Privatisierung der Rest Flächen, wir haben ne Menge Geld zum Ausbau unseres Grundstücks investiert , natürlich war zum Kauf des Grundstücks keine Rede davon was dort geplant ist

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    • Ich habe jetzt unter den Beitrag eine Karte eingefügt, da ist die geplante Fläche markiert

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    • Das gibt es alles nicht , die Anwohner am schillingweg wurden glattweg verscheissert als sie das Tempo 30 Limit durchgesetzt haben und jetzt wird bis zum Schillingweg alles zugebaut , zumal die Aue ein so wichtiger bestaunten der Belüftung von Berlin dient , Unser Erholungsgebiet kann man dann vergessen , Schweinerei alles und doch bis zum Schillingweg , 20000 investiert dafür das wir uns eine Kleinstadt von der Terrasse ansehen dürfen

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