Häuserkampf in der Prenzlauer Allee

 

Das Haus Prenzlauer Allee 45/45a ist ein besonderes. Zum einen steht das markante Gebäude auf der Berliner Denkmalliste – zum anderen ist es eines der wenigen Gründerzeitgebäude in Prenzlauer Berg, das noch nicht der Teuersanierung anheimgefallen ist. Letzteres soll sich nach dem Willen des derzeitigen Eigentümers offenbar ändern. Die Mieter wehren sich.

Seit Sonntag hat die Prenzlauer Allee deshalb einen neuen Blickfang. Quer über das Haus spannt sich ein rotes Transparent: HIER HABEN 61 MENSCHEN EIN BEZAHLBARES ZUHAUSE UND DAS IST GUT SO. Und ergänzend hängen an einigen Balkonbrüstungen kleine Stofffähnchen mit der Aufschrift NOCH.

 

Wechselnde Eigentümer, wachsender Leerstand

Lange Zeit war das Haus nur ein Handelsobjekt, das von einem Eigentümer an den nächsten weitergereicht wurde. Für die Mieter hatte das keine Konsequenzen. Allerdings wurden Wohnungen, aus denen Leute auszogen, nicht mehr neu vermietet. Möglicherweise war es ja genau das, was den jeweiligen Weiterverkauf gewinnträchtig machte – je weniger Wohnungen in einem Altbau vermietet sind, des lukrativer wird die Immobilie.

Der zunehmende Leerstand fiel erstmalig Ende 2014 dem damaligen Bezirksverordneten der Linksfraktion Michail Nelken auf, der entsprechende Kleine Anfrage an das Bezirksamt richtete.
In der Antwort erklärte Stadtentwicklungsstadtrat Jens-Holger Kirchner nichts von leeren Wohnungen in diesem Haus wisse und auch keine Möglichkeit sieht, dem misslichen Umstand abzuhelfen.

Als sich fünfzehn Monate später der Linksfraktionär Frederik Bordfeld erneut nach den leeren Wohnungen in der Prenzlauer Allee 45/45a erkundigte, lautete die Antwort des Bezirksamtes:

„Im Jahr 2016 erfolgte mindestens eine Mitteilung über Leerstand in dem genannten Objekt. (…) Der Hinweis aus dem Juli 2016 wurde zum Anlass genommen, ein entsprechendes Amtsverfahren einzuleiten. Das Amtsverfahren wurde im November 2016 aufgrund eines Eigentümerwechsels eingestellt.“

Mittlerweile beträgt der Leerstand laut der Mieter knapp ein Drittel des Bestands

 

Auch als Eigentümer der Teuersanierung ausgesetzt

Im Februar dieses Jahres erhielten die verbliebenen Mieter Post vom potenziellen neuen Eigentümer. Darin wurde der Beginn des Verkaufs der einzelnen Wohnungen angekündigt und auf das gesetzlich verbriefte Vorkaufsrecht der Mieter hingewiesen. Allerdings erschienen nicht nur die genannten Erwerbspreise wenig vorteilhaft zu sein.

Das Haus, so die Mieter in einem Brief an das Bezirksamt und den Senat

„wurde kurz vor dem Inkrafttreten der Umwandlungsverbotsverordnung in Eigentumswohnungen aufgeteilt, die, wiederum zu einem Paket geschnürt, an einen Entwickler verkauft wurden. Der Entwickler hat in der Folge eine weitere Aufteilung unternommen mit dem Zweck, in Zukunft die Mehrheit der Stimmanteile innezuhaben, mit der er uns unverhohlen ankündigt, umgehend umfangreiche Baumaßnahmen am Gemeinschaftseigentum zu beschließen und durchzuführen.“

Selbst wenn also jene im Haus wohnenden Mieter, die es sich finanziell irgendwie leisten können, ihre Wohnung kauften, wäre eine Teuersanierung des Hauses – die dann auch die künftigen Wohnungseigentümer überfordert – nicht vom Tisch. Modell: Die Bank (bzw: der Immobilienspekulant) gewinnt immer.

In dem Brief der Hausbewohner heißt es dazu weiter:

„Das kommt einer Drohung gleich, denn faktisch wäre für einen Bewohner, der sein Vorkaufsrecht
ausübt, eine Mitsprache oder Mitentscheidung unmöglich. Alle Beschlüsse und Beauftragungen würden alleinig von dem Entwickler getroffen werden, von dem anzunehmen ist, dass er in erster Linie spekulativen Interessen folgt und zügig große Maßnahmen umsetzen wird. Die Aussicht, möglicherweise zur Beteiligung an kostspieligen Maßnahmen gezwungen zu werden, kommt einem unkalkulierbaren Risiko gleich. Wir Mieter sollen somit davon abgehalten werden, unser Vorkaufsrecht auszuüben.“

 

Wenig vertrauenerweckend

Die Vermutung, dass es sich bei dem „Entwickler“ um einen am Maximalgewinn interessierten Spekulanten handelt, der die Altmieter lediglich als den Profit schmälernden Ballast betrachtet, ist nicht unbegründet.

Nedeljko Prodanovic – so der Name des potenziellen Eigentümers und „Entwicklers“ – betreibt neben der Prenzlauer Allee Liegenschaften 1 GmbH, der das Haus bald auch offiziell gehören soll, etliche andere Unternehmen, die sich direkt oder indirekt mit dem An- und Verkauf von Immobilien sowie der sogenannten „Sanierung“ beziehungsweise Aufwertung von Altbauten befassen.

Und das nicht unbedingt zum Vorteil der darin Wohnenden.

So mussten zum Beispiel die meisten der einstigen Mieter des Hauses in der Prenzlauer Berger Kanzowstraße 4 ihr Zuhause aufgeben, weil sie sie entweder dem Stress mit dem Eigentümer und seiner Modernisierung nicht mehr gewachsen waren oder aber die neue Miete nicht mehr zahlen konnten.

Auch war Prodanovic bis Ende 2009 Vorstand der Grüezi Real Estate AG, ein Unternehmen, das durch massenhafte Betrügereien mit sogenannten Schrottimmobilien bekannt geworden ist. Ein Umstand, der ebenfalls wenig vertrauensfördernd ist. Das weiß natürlich auch Nedeljko Prodanovic selbst – und so verschweigt er diesen Teil seines beruflichen Lebens in seinen Selbstdarstellungen konsequent.
 

Sachlage für das Bezirksamt „zu kompliziert“

Die Mieter der Prenzlauer Allee 45/45a wollten die absehbare Verdrängung aus ihren Wohnungen hinzunehmen. Sie wandten sich deshalb an das Bezirksamt, mit der Bitte, das kommunale Vorkaufsrecht in Anspruch zu nehmen um später die Liegenschaft an eine noch zu gründende Mietergenossenschaft weiterzureichen. Die Ankündigung des neuen Senats, für solche Fälle Gelder bereitzustellen, machte ihnen Hoffnung, dass das möglich sei.

Doch die Nachricht, die ihnen Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn vergangene Woche auf der Sitzung des Pankower BVV-Ausschusses für Stadtentwicklung zuteil werden ließ, klang nicht ermutigend: Die Bitte der Mieter sei zwar verständlich – die Sachlage aber zu kompliziert.
Das Bezirksamt Pankow werde das Instrument des kommunalen Vorkaufsrechts irgendwann bei einem einfacher gelagerten „Pilotprojekt“ ausprobieren.
 

Senatsverwaltung trägt Bezirksamt zum Jagen

Doch offenbar sieht man das seitens der Senatsverwaltung für Wohnen anders.

„Der Wunsch der Mieter ist“, teilte die Landesverwaltung auf Anfrage der Prenzlberger Stimme mit, „dass der Bezirk, in dessen Zuständigkeit der Vorgang liegt, sein Vorkaufsrecht ausübt. Dies ist grundsätzlich möglich, da die Prenzlauer Allee 45 in einem Milieuschutzgebiet liegt. Am 9.4 läuft die Frist für das Vorkaufrecht durch den Bezirk ab. Derzeit läuft ein Austausch auf Fachebene zwischen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Wohnen und dem Bezirk Pankow, bei dem es darum geht, dem Bezirk bei seinen weiteren Schritten beratend zu unterstützen.“

Das klingt so, als würde die Senatsverwaltung den Bezirksstadtrat dezent darauf hingewiesen haben, dass er auch bei scheinbar komplizierter Sachlage handeln sollte.

<

 

Weitere Artikel zum Thema:

 

Exvorstand der Schrottimmobilienfirma „Grüezi“ und sein Anwalt bitten um Strafanzeige. Der Bitte wurde entsprochen

 



9 Kommentare zu “Häuserkampf in der Prenzlauer Allee”

  1. Je weniger Wohnungen in einem Altbau vermietet sind, des lukrativer wird die Immobilie“. Das ist in der Tat ein Missstand – dessen Ursache ist aber vor allem die Fehlsteuerung durch unser recht sozialistisches Mietrecht. Eine Kernsanierung ist bei einer alten Hütte, die noch im DDR- Zustand ist, wirtschaftlich und technisch eigentlich nur sinnvoll (oder auf jeden Fall viel einfacher und billiger) wenn das Haus leersteht. Ersatzwohnungen/Kündigungen wg. Sanierung sind aber rechtlich schwierig, meistens halten dann, auch sehr sozialistisch, die Mieter noch die Hand auf, nach dem Motto: was gibst du mir, dass ich gehe. Und genau deshalb steigt – betriebswirtschaftlich eigentlich absurd – der Verkaufswert mit jeder freien Wohnung.

    Reply to this comment
  2. Da bin ich am Dienstag vorbeigefahren. War etwas verwundert über die großen Banner.

    Reply to this comment
  3. Unfassbar wie sich die Bezirksverwaltung wieder einmal (nicht) verhält… Der Gentrifizierung noch 10 Jahre lang zuschauen, weil man nicht „versteht“ was da läuft? Unglaubwürdig!

    Reply to this comment
    • Fritz Bocks

      Mrz 31. 2017

      Nach 10 Jahren hat die Linke die SPD als stärkste Kraft im Bezirk abgelöst. Jetzt wird alles gut.

      Reply to this comment
      • von ODK

        Mrz 31. 2017

        Das Stadtentwicklungsressort liegt in Pankow immernoch bei den Bündnisgrünen…

        Reply to this comment
  4. Ist nur eine Frage der Zeit. Dann ist das Haus auch „wunderschön“ . Prenzlauer Berg war einmal.

    Reply to this comment
  5. Billig kaufen , teuer sanieren und das wird steuerlich auch noch gefördert.Mal ein Vorschlag an diesen Senat,Kauft das Haus zurück und gebt den Mietern die Möglichkeit , es selbst zu erhalten bzw.zu sanieren.

    Reply to this comment
    • Fritz Bocks

      Mrz 31. 2017

      Da der Senat lieber 500Mio Euro im Jahr für den BER ausgibt, dürfte dafür wohl kein Geld übrig sein.

      Reply to this comment
  6. Sauerei 🙁

    Reply to this comment

Leave a Reply to Wolfgang Klobuch via Facebook

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmen Sie dem zu. Danke!

Datenschutzerklärung
Social Media Auto Publish Powered By : XYZScripts.com