Parkplätze zu Fahrradbahnen! (oder auch nicht…)


 

Es war schon ein ziemlicher Bohai, mit dem die Sache damals vor drei Jahren – initiiert durch den damaligen Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler und begeistert promotet vom seinerzeitigen Pankower Stadtentwicklungsstadtrat Jens-Holger Kirchner – durch die Öffentlichkeit getrieben wurde.

Es sollte ausprobiert werden, wie die Schönhauser Allee fußgänger- und radfahrerfreundlicher werden könnte. Dazu hatte man sich der Expertise des dänischen Architekturbüros Gehl Architects versichert, das unter anderem schon den autoverstopften Times Square in Manhattan in einen von Fußgängern dominierten Stadtplatz verwandelt hatte. „Was New York kann, können wir auch“, ließ sich irgendwann der um starke Sprüche nie verlegene Jens-Holger Kirchner vernehmen.

Es wurde ein Drei-Phasen-Modell entwickelt, bei dem jede Phase – die nach einem gewissen Zeitraum wieder zurückgenommen und deren Auswirkungen analysiert würden – ein Stück radikaler gestaltet werden sollte.

In Phase Eins war geplant, für einen Sommer zwischen der Eberswalder und der Wichertstraße auf der Ostseite der Schönhauser Parkplätze wegfallen zu lassen und an deren Stelle sogenannte „Parklets“ aufzustellen: Transportable Holzpodien auf denen Bänke und Tische zum Verweilen einladen, aber auch Abstellplätze für Fahrräder oder Minigrünanlagen den vorherigen Parkplatzraum füllen.

 

Schritt für Schritt austesten

Zum Herbst war ein Rückbau und die Auswertung des ersten Teils des Experiments vorgesehen.
Im Jahr darauf Phase Zwei: Die Verlagerung des Fahrradverkehr vom Gehweg auf die rechte Fahrbahnspur. Damit würden dann alle Parkplätze auf der Strecke zwischen Stargarder und Wichertstraße wegfallen.

Auch dies sollte zuerst nur temporär geschehen, uund dann ausgewertet werden, wie sich dies auf den Verkehr auswirkt – und natürlich auch welche Akzeptanz ein solcher Einschnitt bei Anliegern und Passanten hat.
 

Quelle: Gehls Architects


Der dritte, radikalste Schritt sollte im dritten Jahr folgen: Die Sperrung der Ostseite für den gesamten motorisierten Verkehr, der sich dann mit jeweils einer Spur je Richtung auf der Westseite der Allee begnügen müsste.
Der Beginn des Experiments war für 2016 vorgesehen – doch passiert ist bis heute gar nichts.

Selbst die Parklets, die der jetzige Verkehrsstaatssekretär Kirchner in einem Interview mit der Prenzlberger Stimme im Januar nun endlich für das Frühjahr dieses Jahres angekündigt hatte, sind noch nirgendwo gesichtet worden.

 

Forschungsprojekt mit Einkaufsbeutel und Lastenfahrrad

Die Verschwenkung des Autoverkehrs auf die westliche Seite der Allee wurde von Kirchner Ende Februar begraben. Dies sei „nicht geplant“ erklärte er in einer Antwort auf die Schriftliche Anfrage des Weißenseer FDP-Abgeordneten Florian Swyter. Damit war eigentlich das ganze Projekt obsolet geworden.

Dafür hatten sich zwischendurch andere der Prenzlauer Berger Magistrale angenommen.

Gefördert mit Bundesmitteln, wollte eine Arbeitsgruppe der TU Berlin im Rahmen eines Forschungsprojekts herausfinden, ob und wie sich der gemeine Kunde bei seinem Einkauf auf dem Stückchen Schönhauser Allee zwischen der Eberswalder und der Wichertstraße vom Auto aufs Fahrrad umsatteln ließe.

Foto: TU Berlin

Knapp neunzig Einzelhändler wurden angesprochen, ob sie Interesse hätten, an dem Projekt mit dem höchst originellen Namen „2Rad 1Kauf 0Emissionen“ mitzumachen, fünfzehn sagten schließlich zu.

Sie boten Radfahrerservice wie Flickzeug und Warnwesten an, faltbare und leicht verstaubare Fahrradeinkaufstaschen für den Gepäckträger und im Blumencafé konnte man sich sogar kostenlos ein Lastenrad ausleihen. Wie man damit auf den schmalen Radwegen auf der Schönhauser Allee zurechtkommt, ist zwar nicht ganz klar – ausgelastet war der Service offensichtlich dennoch ziemlich gut.

Auf der Abschlussveranstaltung des Projektes zur Förderung des Radverkehrs Ende August verkündete dann ein Senatsvertreter, dass mit einer Verbesserung der Situation für Radfahrer in der Schönhauser Allee vorerst nicht mehr zu rechnen ist. Zum einen würde die Reduzierung der Autospuren zu massiven Verkehrsproblemen führen, zum anderen gäbe es Probleme mit der Finanzierung.

 

Was bleibt, sind vier Parklets… – vielleicht

Denn der Umbau der Schönhauser Allee sollte mit Fördergeldern des Bundesumweltministerium im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative realisiert werden. Doch dann wurde festgestellt, dass dieses Projekt für diese Fördermöglichkeit zu klein ist. Das Projekt so auszudehnen, dass es die erforderliche Größe erreicht – das ist offenbar niemand eingefallen.

Was von all den hochfliegenden Plänen nun übrig geblieben ist, sind vier Parklets.

Foto: Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz

Eine Extraanfertigung ist nicht mehr nötig – es werden jene Möbel sein, die im Frühjahr in der Kreuzberger Bergmannstraße auf- und nun wieder abgebaut wurden. Sie sollen nach dem aktuellen Stand der Dinge noch im September auf an zwei Punkten der Parkspur aufgestellt werden – nachdem man sie schönhauseralleegerecht umgebaut hat. Das meint: zur Fahrbahn hin erhöht, damit niemand nach hinten wegkippt und buchstäblich unter die (Auto-)Räder kommt

Was daran fußgänger-oder radfahrerfreundlich sein soll, ist jedoch nicht ganz klar.
Denn jeder, der sich dann zu den Sitzgelegenheiten begibt, muss den schmalen, aber intensiv befahrenen Radweg kreuzen. Das kann noch lustig werden. Wenn es denn dazu kommt. Denn die „Vereinbarkeit mit dem Verkehr“ wird allerdings noch durch die Verkehrsverwaltung geprüft…

 

Bündnisgrüner Vorstoß in der BVV

Warum wird, wenn die Parkplätze eh wegfallen, an deren Stelle nicht ein Radweg in bedarfsgerechter Breite angelegt?
Das haben sich die Pankower Bündnisgrünen offenbar auch gefragt und nun einen Antrag in die Bezirksverordnetenversammlung eingebracht, in dem das Bezirksamt ersucht wird, „sich bei der Senatsverwaltung dafür einzusetzen, dass der zwischen der Stargarder und der Wichertstraße geplante Fahrradweg auf die Parkspur der Schönhauser Allee verlegt wird.“ Der jetzige Radweg soll dann Teil des Bürgersteigs werden. So hätten sowohl Fußgänger, als auch Radfahrer einen Gewinn.

Das Ansinnen ist nachvollziehbar und logisch.
Dass der Antrag – möglicherweise nach einer Behandlung im BVV-Verkehrsausschuss – eine Mehrheit findet, ist wahrscheinlich.

Dass das nachvollziehbare und logische Ansinnen vom Senat umgesetzt wird… – mein Gott, wir sind hier in Berlin!

 

 



3 Kommentare zu “Parkplätze zu Fahrradbahnen! (oder auch nicht…)”

  1. Sven Rude via Facebook

    Sep 07. 2018

    es sollte mal alles so bleiben wie es ist! Die Fahrbahnen werden für Autos gebraucht, die Schönhauser ist eine wichtige Ausfahrtstraße aus bzw. in die Stadt hinein. Wo soll denn der Autoverkehr hin??? An Lkw´s , Lieferverkehr, Feuerwehr hat wohl keiner gedacht…??? Wir können froh sein, dass unsere Stadtväter vor ca. 100 Jahren den Verkehrsraum so bedacht haben. Wenn es den Radfahren zu eng wird, warum wird der Raum unter der U-Bahn für den Radverkehr nicht freigegeben???

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  2. toblerk

    Sep 09. 2018

    Sehr präzise – und wie immer unterhaltsam – zusammengefasst!
    Einzige Anmerkung: die Parklets aus der Bergmannstraße sind zu BREIT und müssen jetzt extra gekürzt werden, damit der Motorverkehr weiter flutscht und sich nicht bedrängt fühlt.
    Aber sie wollen September immer noch halten. Spannend wird, wofür sie (außer dem momentan angedachten Fahrradparken) noch genutzt werden…

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  3. André Franke

    Sep 10. 2018

    Ich habe mich auch schon gefragt, warum man niemand auf die Idee gekommen ist, das Radbahn-Berlin-Konzept auf den Hochbahnviadukt in der Schönhauser zu übertragen. Ist doch offensichtlich, dass das Zentrum der Radiale peripher genutzt wird!

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