Menschenfeinde


 

Es ist so ziemlich genau ein halbes Jahr her, als die Prenzlberger Stimme den Auszug aus einer Chatunterhaltung zwischen dem Vorsitzenden der Pankower AfD-Fraktion Stephan Wirtensohn und dem AfD-Abgeordneten Ronald Gläser veröffentlichte, in dem sich Wirtensohn mit einem umgehängten Schnellfeuergewehr präsentierte. „Antifaneutralisator“ schrieb Wirtensohn unter das Foto und Gläser antwortete: „Haben will. Toll!“ Wirtensohn darauf: „Habe Sammelbestellung aufgenommen“.

Sollte es damals irgend jemand gegeben haben, der diesen Dialog für einen vielleicht schwer verunglückten, aber ansonsten harmlose Scherz gehalten hatte – nach dem rechtsterroristischen Mordanschlägen von Halle sollte auch dem Letzten aufgegangen sein: Es ist ernst.
 

Die Verrohung in die Parlamente getragen

„Wir müssen in den letzten Jahren ganz deutlich feststellen“ erklärte der Publizist und ehemalige Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses Michel Friedman,

„dass die Spirale der Gewalt sich deutlich entwickelt hat und Judenhass und Menschenhass – und das ist eine neue Qualität – auch eine politische Heimat in der größten Oppositionspartei des Bundestages und in allen Landtagen hat. Und dies ist eine sehr qualitative Veränderung, weil sie zu einer Verrohung, zu einer Enthemmung auch mitten in der Gesellschaft geführt hat.“

Die sprachliche und geistige Verrohung, die sich bei Pegida, deren Ablegern, und bei all den anderen rechtsextremistischen Gruppierungen zeigt, ist mit der AfD in die Parlamente eingezogen.

Im Oktober 2015 erklärte der damalige Vorsitzende der „Jungen Alternative und heutige Bundestagsabgeordnete der AFD Axel Frohnmaier in einer Rede in Erfurt ohne umschweife:

„Ich sage diesen linken Gesinnungsterroristen, diesem Parteienfilz ganz klar: Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet….“

Und der Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzende Bernd Höcke drohte drei Jahre später:

„Die deutsche Unbedingtheit wird der Garant dafür sein, dass wir die Sache gründlich und grundsätzlich anpacken werden. Wenn einmal die Wendezeit gekommen ist, dann machen wir Deutschen keine halben Sachen.“

Trotz aller gegenteiliger Beteuerung ist der Schulterschluss zu den außerparlamentarischen rechtsextremen offensichtlich – erkennbar auch an der gleichlautenden Hetze gegen Menschen, die nicht gewillt waren und sind, sich dem von dieser Partei angefachten Rassismus zu beugen.

Menschen, wie der CDU-Politiker Walter Lübcke, der, nachdem er bei fremdenfeindlichen Provokationen Rückgrat bewiesen hatte.

Bei einer Informationsveranstaltung im jahr 2015 im Bürgerhaus des nordhessischen Lohfelden, bei der es um die Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft ging, trat der damalige Regierungspräsident Lübcke provozierenden Pöblern mit deutlichen Worten entgegen.

Das machte ihn bundesweit bekannt – und so wurde er erst zur Zielscheibe einer Hetzkampagne der AfD und später von einem rechtsextremen Gesinnungstäter ermordet.

 

Eine antisemitische Partei

Die AfD ist in Ihrer Grundeinstellung antisemitisch. Das zeigen Äußerungen ihres Frontmannes Alexander Gauland, der Hitler und die Nazis – und damit auch die industrielle Vernichtung von sechs Millionen Juden – als „ein Vogelschiss in unserer über 1000-jährigen Geschichte“ bezeichnete.

Auch die jüngsten Wortmeldungen etwa vom sächsischen AfD-Landtagsabgeordneten Roland Ulbrich („Was ist schlimmer, eine beschädigte Synagogentür oder zwei Deutsche?“) reiht sich da ebenfalls ein: Die in der Synagoge befindlichen Menschen sind für ihn – weil Juden – offenbar keine Deutschen. Entsprechend ist ihre Anhängerschaft gestrickt.

In einer Allensbachumfrage vom vergangenen Jahr beantworteten 55 Prozent der befragten AfD-Anhänger die Frage „Haben Juden haben auf der Welt zu viel Einfluss?“ mit ja. Bei allen anderen im Bundestag vertretenen Parteien lag die Quote zwischen 16 und 20 Prozent. Was nebenbei auch die These widerlegt, der in Deutschland vorhandene Antisemitismus sei vor allem „importiert“.

Nicht immer tritt der Antisemitismus der AfD so offen zutage wie bei Gauland, Ulbrich oder dem baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon.

„Ein Wesenszug des klassischen Antisemitismus“, schreibt Christian Bangel in der „Zeit“,

„liegt in der Bereitschaft, die Juden als eine kollektiv nach einem düsteren Plan handelnde Gruppe zu markieren. Sie als Fremdkörper zu betrachten, der innerhalb einer Gesellschaft seine eigenen Ziele verfolgt, der irgendwann unweigerlich den Niedergang seiner „Wirtsgesellschaft“ auslöse. Ein anderer ist die Beschreibung von Juden als wurzellose, wohlhabende Kosmopoliten, denen die Werte und Normen der Mehrheitsgesellschaft fremd seien.
Beide antisemitischen Erzählfiguren kommen zusammen, wenn die AfD und ihre Anhänger von der demografischen Katastrophe sprechen, die der linke Feminismus ausgelöst habe und die nun handstreichartig durch arabische Massenzuwanderung gelöst werde, unterstützt von linken Bildungsbürgern, die nichts von den Normen und Werten des Normalbürgers wüssten. Nicht viel anderes sagte ja auch der Täter von Halle, bevor er den Juden daran die Schuld gab. So unelegant gehen heutige Rechtspopulisten natürlich nicht vor. Sie überlassen es meist den Zuhörerinnen und Zuhörern, ihre Schlüsse zu ziehen. Der Antisemitismus der AfD braucht keine Juden mehr. Er braucht nur noch die antisemitischen Stereotype.“

Genau diese Stereotype werden auch in der Berliner AfD bedient. Etwa wenn der Berliner AfD-Chef Georg Pazderski „die Migrationswelle der vergangenen Jahre“ für Mietensteigerungen, Kitaplatzknappheit, überfüllte S-Bahnen, volle Arztwartezimmer und was sonst noch verantwortlich macht.

Die Stereotype sind auch bei den von der AfD in die Pankower BVV entsandten Bezirksverordneten offenkundig. Da wird in einem Antrag von „Rassismus und Menschenfeindlichkeit gegen die ethnische Mehrheit der Deutschen“ fabuliert und der mittlerweile fraktionslose, aber weiterhin der Partei angehörige Tobias Thieme postuliert jüngst eine „Minderheitswerdung der schon länger hier Lebenden“.

Noch deutlicher wird der einstige AfD-Stadtratskandidat Nicolas Seifert, der mit einem offenbar ihm selbst entwickelten Kampagne-Entwurf zur angeblichen „Minderheitswerdung“ (aka „Volkstod“) der Deutschen hausieren ging.
 

Identische Feindbilder

In seinem Bekennerschreiben hatte der Attentäter von Halle erklärt:

„I originally planned to storm a mosque or an antifa “culture” center, which are way less defended…“
(„Ursprünglich hatte ich geplant, eine Moschee oder ein Antifa-Kulturzentrum zu stürmen, die viel weniger geschützt werden…“)

 
Der Mörder von Halle nennt damit die selben Ziele, die auch die AfD angreift.

So stehen neben Moslems und Zuwanderern auch bei der AfD in Pankow „linke“ Kulturzentren im Visier. Und „links“, ja, „linksextrem“ ist für die AfD so fast alles, was nicht rechtsextrem ist.

Immer wieder produzierte die Pankower AfD-Fraktion Anträge, in denen die Beendigung der Finanzierung von Jugendkultureinrichtungen gefordert wird, die sich gegen Rassismus und Fremdenhass wenden.

Erst kürzlich hatte Fraktionschef Stephan Wirtensohn verlangt, die Leitung des „Theater unterm Dach“ zu maßregeln, weil es ein Stück des österreichischen Autors Robert Schneider über einen illegalen Einwanderer auf die Bühne brachte.

Mit einer über 50 Punkte umfassenden, bizarren „Großen Anfrage“ – abgeschrieben von einem fast gleichlautendem Elaborat der AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag – unterstellte die AfD selbst der SPD noch „Linksextremismus“. So fragt die AfD zum Beispiel nicht nur:

„Welche Kenntnisse hat das Bezirksamt über Linksextremisten in den Parteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen?“

Sondern auch:

„Liegen dem Bezirksamt Kenntnisse über die Finanzierung linksextremistischer Strukturen, Organisationen Gruppierungen, Initiativen oder Einzelpersonen durch die in der BVV vertretenen Parteien vor? Wenn ja, welche?“

Die Pnkower AfD nimmt spätestens hier nun wirklich alle Parteien – einschließlich linksradikalen FDP und der linksextremistischen CDU auf Korn. Alle „Altparteien“ eben.
 

Gut vernetzte „Jäger“

Das entspricht dem Weltbild der Akteure der AfD und ihrer Anhänger, die in fast allen rechtsextremistischen Milieus vernetzt sind. Augescheinlich wird das unter anderem durch die Verbundenheit mit der sogenannten „Identitären Bewegung oder durch die Teilnahme von AfD-Repräsentanten an Pegida-Veranstaltungen und die damit zum Ausdruck gebrachte inhaltliche Übereinstimmung mit jenen Rechtsextremisten.

Der Vermieter der Pankower AfD-Niederlassung Andreas Geithe – selbst nicht Parteimitglied, aber dennoch Bürgerdeputierter der AfD in der Pankower Bezirksverordnetenversammlung – war einst Mitglied der später verbotenen „Nationalistischen Front“ und nach dem Verbot in einer Nachfolgeorganisation zugange.

Schon diese Beispiele zeigen auf: Die AfD ist der parlamentarische Arm des Rechtsextremismus und das Scharnier zu den außerparlamentarischen Rechtsextremen.

„Wie werden sie jagen“, formulierte AfD-Chef Gauland einst sein Credo. Der Pegida-Sprecher Bachmann rief auf der Kundgebung am 7. Oktober dazu auf, die „links-grünen Volksschädlinge und Volksfeinde“ in „den Graben“ zu stoßen und diesen dann „zuzuschütten“.
Kurz zuvor konnte man auf Demonstrationen von Rechtsextremen Parolen wie „Nie wieder Israel“ „Palästina hilf uns doch, Israel gibt’s immernoch!“, „Wenn wir wollen, schlagen wir euch tot“ oder „Ein Baum, ein Strick, ein Pressegenick!“ hören – alles unter den Augen und Ohren der Polizei.

Es handelt sich nicht einfach um Antisemiten, Moslemfeinde oder Linkenhasser.

Es sind Menschenfeinde.

Und man glaube nicht, dass von denen im Falle eines Falles „nur“ Juden, Moslems oder Linke gejagt werden. Der mörderische Terrorlauf von Halle hat gezeigt: Es kann buchstäblich jeden treffen.

 


 



Kommentar zu “Menschenfeinde”

  1. Haben wir viel zu lange gewähren lassen.

    Reicht jetzt.

    https://www.facebook.com/wirwerdensiejagen

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