Petra hatte immer wieder Probleme auf ihren Arbeitsstellen, war oft krank und verlor ihren Job. Immer wieder – so oft, dass sie irgendwann nicht mehr vermittelbar war. Schließlich nahm das Jobcenter sie in einem Eingliederungsprogramm auf, bei dem der Arbeitgeber einen gewissen Anteil der Personalkosten erstattet bekommt und sich dafür darum kümmert, dass die neue Mitarbeiterin sich besser in den Arbeitsalltag einfügen kann. Ihr neuer Arbeitgeber war das Sozialcafé „Treffpunkt“ der Heilsarmee in der Kuglerstraße. Hier arbeitete sie in der kleinen Küche, in der die Mahlzeiten für die Gäste zubereitet werden.
Dass das von Nachteil sein könnte, daran hatten Siegfried Fischer und seine Frau Angela, die zusammen das Café führen, im Traum nicht gedacht. Denn das Jobcenter teilte ihm daraufhin mit, dass bei einer so positiven Sachlage Petra nicht weiter gefördert werden kann.
Doch seine Mitarbeiterin wollte ihre Arbeit und die Fischers ihre Mitarbeiterin nicht missen. Also arbeitete Petra ein Jahr lang ehrenamtlich bei der Versorgung der Gäste des Sozialcafés mit. Seit dem Sommer vergangenen Jahres hat sie hier nun wieder eine feste Stelle, finanziert aus einem anderen Fördertopf.
Das ist eine der Geschichten, die Siegfried Fischer Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Die Linke) bei einem Besuch der Politikerin kurz vor Weihnachten berichtet hatte.Die Senatorin hatte anlässlich eines Stadtteiltages der Abgeordneten Clara West (SPD) die Sozialeinrichtung der Heilsarmee besucht, in der Obdachlose und sozial benachteiligte Menschen nicht nur Essen, sondern auch anderweitige Hilfe und Beratung erhalten – etwa bei Sozial- und Wohnungsangelegenheiten, aber auch duschen und ihre Wäsche wechseln können.
Für den Betrieb des Sozialcafés gibt es zwar vom Bezirksamt eine finanzielle Zuwendung, doch die reicht längst nicht aus, um die rund achtzig Gäste zu betreuen, die im Durchschnitt die Einrichtung besuchen. Da braucht es die Unterstützung Vieler, um das Projekt am Laufen zu halten.
Unterstützung von vielen Seiten
Lebensmittel für die Essenszubereitung kommen zum Beispiel von einem nahegelegenen REWE-Markt, der regelmäßig Ware abgibt, deren Mindesthaltbarkeitsdatum kurz bevorsteht.
Der Inhaber des Restaurants GOA II serviert seit über zehn Jahren jeden letzten Donnerstag im Monat ein Menü aus seiner Küche, die Facility-Management-Firma Gegenbauer schickt einmal im Jahr Azubis, die gemeinsam mit ihrem Ausbilder einer Grundreinigung der Räume des Sozial-Cafés vornehmen und der CDU-Ortsverein Schönhauser Allee veranstaltet mehrmals im Jahr einen offenen Preisskat, des Erlös
Für die Kleiderkammer, in der sich jeder Gast etwas Passendes für sich aussuchen kann, sorgen meist Anwohner aus der Umgebung für Nachschub. Gleich zwei Mal standen während des Senatorinnenbesuchs plötzlich Leute im Raum, die Bekleidung vorbeibrachten.
Nicht immer allerdings, so erzählt Siegfried Fischer, entspricht das Angebot an Kleidung der Nachfrage. Damit meint er nicht etwa Kleidungsstücke, die so zerschlissen sind, dass sie niemand mehr anzubieten wären. Im Gegenteil: Kürzlich hatte ihm ein Inhaber eines Bekleidungsgeschäfts, der seinen Laden aus Altergründen aufgab, kartonweise nagelneuer Jeans gebracht. Allerdings in Größen, die nicht der Figur der meisten Cafégäste entsprach. Nun ist guter Rat teuer: Wohin mit all den ladenneuen, modischen Hosen?
Seit zwölf Jahren: Heiligabend im Hotel MaritimproArte
Zu den Unterstützern gehört auch das große Hotel Maritim proArte an der Friedrichstraße. Seit zwölf Jahren stellt Hoteldirektor Roberto Klimsch am Heiligabend einen Saal für 150 Personen zur Verfügung, in dem die Heilsarmee Prenzlauer Berg für die Gäste des „Café Treffpunkt“ eine Weihnachtsfeier veranstaltet.
Und es ist nicht nur der Saal, den Direktor Klimsch kostenlos zur Verfügung stellt. Auch das Menü, dass das Hotel an jenem Tag seinen Gästen serviert, wird auf Kosten des Hauses aufgefahren.Natürlich war auch Petra dabei, die ja als Mitarbeiterin des „Café Treffpunkt“ sozusagen Gast und Mitgastgeberin in einer Person war. Und auch Sozialsenatorin Elke Breitenbach war gekommen, um einen Teil der Feier mitzuerleben und dabei Hoteldirektor Klimsch und der Heilsarmee für Einsatz und Unterstützung zu danken.
Tradition bei dieser Feier am Heiligabend Im Hotel Maritim proArte ist der Auftritt junger Künstler der in Niederschönhausen ansässigen Internationalen Musikakademie zur Förderung von musikalisch hochbegabten Kindern und Jugendlichen. Das ist eine private Musikschule für die besonders talentierten junge Musikerinnen und Musiker, die nicht selten schon während Ihrer Ausbildungszeit bei bekannten Orchestern gastieren.
Diesmal waren es die Violinisten Mark und Michael Lewin die zusammen mit ihrer Mutter Lala Isakowa-Lewin am Piano auf der Bühne musizierten und Melin Acikel, die mit einem Fagott, fast so groß wie sie selbst, das Liebeslied „Après un rêve“ („Nach einem Traum“) von Gabriel Fauré intonierte.
Am Ende gab es dann noch ein kleines Präsent für jeden Weihnachtsfeiergast, finanziert durch das adventliche Drehorgelspiel von Politikern aus allen demokratischen Parteien.
Mit Beginn des neuen Jahres beginnt auch wieder der Alltag im „Café Treffpunkt“: Gemütliches Zusammensein der Gäste, Mittagessen, Kaffee, Hilfe bei Behördengängen, neue Kleidung oder ein Duschbad – je nach dem, was benötigt wird. Im Jahr 1991 gegründet, feiert das Sozialcafé im kommenden Jahr sein 30jähriges bestehen. Dass es die drei Jahrzehnte Bestand hatte, ist Angela und Siegfried Fischer zu verdanken, die es einst begründet hatten – und all die vielen Helfern und Unterstützern, ohne die es die meisten Angebote des Cafés nicht geben könnte.
Impressionen vom Heiligabend im Hotel MaritimproArte