Colosseum kaputt


 

Gerade eben wurde seitens des Berliner Senats verkündet, dass Kinos ab dem 30. Juni unter bestimmten Auflagen wieder öffnen dürfen – da wird bekannt, dass das traditionsreiche Kino Colosseum in der Schönhauser Allee pleite ist.

 

Wie das Fachmagazin „Filmecho“ berichtet, hat die Betreiberin des Filmtheaters, die Kino Colosseum Betriebsgesellschaft mbH, beim Amtsgericht Charlottenburg Insolvenz angemeldet. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde Sebastian Laboga von der PLUTA Rechtsanwalts GmbH bestellt. Als Insolvenzgrund wurde der zwei Monate andauernde Umsatzausfall des Kinos durch den Corona-Lockdown genannt. Das Colosseum musste wie alle anderen Kinos im März seinen Betrieb pandemiebedingt einstellen.
 

Vom Pferdebahndepot zum Premierenkino

Das Kino Colosseum hat eine beinahe hundertjährige Geschichte aufzuweisen, das Gebäude selbst ist in Teilen noch um einiges älter.

Erbaut wurde es 1894 als Straßenbahndepot für die damals noch verkehrende Pferdebahn. Mit der Elektrifizierung der „Bimmel“ wurden die Pferdeställe nicht mehr benötigt, stattdessen diente die Räume als Busgaragen.

Anfang der 1920er Jahre begann unter Leitung des Architekten Fritz Wilms der Umbau zu einem Kino. Nach der Eröffnung am 12. September 1924 konnten hier bis zu 1.000 Zuschauer mit den Stummfilmhelden jener Jahre mitfiebern. Auch Varietéveranstaltungen gehörten zum Programm.
Im 2. Weltkrieg wurde das Kino geschlossen, in den letzten Kriegswochen wurde hier ein Lazarett eingerichtet.

1957: Anstehen für „Mazurka der Liebe“

Nach der Kapitulation Nazideutschlands wurden die Räume erst einmal als Wärmehalle genutzt. Gelegentlich gab es aber auch zu dieser Zeit schon wieder Filmaufführungen.

Im Jahr 1949 bekam hier das wiedergegründete Metropol-Theater eine vorläufige Spielstätte, nachdem dessen angestammtes Haus in der Behrenstraße den Weltkriegsbomben zum Opfer fiel. Als das Operettentheater 1955 in den Admiralspalst am Bahnhof Freidrichstraße umzog, wurde das Gebäude unter Leitung des Architekten Karl-August Borchardt – der auch den Neonschriftzug entwarf – erneut umgebaut.
Am 2. März 1957 wurde das Colosseum als Kino wiedereröffnet – mit „Mazurka der Liebe“, einem Musikfilm nach Motiven der Operette „Der Bettelstudent“ von Karl Mollöcker. Das Priemerenstück war der erste in DDR produzierte Film im Breitwandformat (Cinemascope), in der DDR „Totalvision“ genannt.

Das Colosseum blieb bis zur Eröffnung des „International“ im Jahr 1963 in der Karl-Marx-Allee das modernste Lichtspielthater der DDR-Haupstadt, in dem regelmäßig Premieren neuer DEFA-Streifen, aber auch ausländischer Produktionen zelebriert wurden.
Mit dem Ende der DDR ging das Colosseum, das wie alle anderen Ostberliner Kinos zum VE (Volkseigenen) Lichspielbetriebe Berlin gehörte, in die Verfügungsmasse der „Treuhandanstalt“ über.
 

Zukunft unklar

Im Jahr 1992 kaufte der legendäre Filmproduzent Artur „Atze“ Brauner das Colosseum. Brauner bieb jedoch ausschließlich Vermieter der Immobilie, Betreiber war die Firma Sputnik.

Schotten dicht, Zukunft ungewiss

1996 folgte eine eineinhalb Jahre dauernden Sanierung des denkmalgeschützten Hauses, das dabei im Innern völlig neu strukturiert wurde. Im Dezember 1997 wurde das Colosseum mit zehn Kinosälen neu eröffnet. Neuer Betreiber war die Cinemaxx AG.
Acht Jahre später kündigte Cinemaxx den Vertrag wegen angeblicher baulicher Mängel. Seit 2006 gehört nun das Kino zur UCI-Kinowelt-Gruppe.

Der Insolvenzverwalter will „die zur Verfügung stehenden Sanierungswege prüfen und anschließend geeignete Maßnahmen ergreifen.“ Der Betriebsrat sei bereits über den Stand der Dinge informierzt worden, die Löhne und Gehälter der rund 45 Arbeitnehmer seien über das Insolvenzgeld für drei Monate gesichert.

Ob das Kino nach dem 2. Juni wieder Besucher empfangen wird, ist derzeit noch unklar. Denn auch ohne coronabedingte Einbußen hatten zuvor schon andere Kinos dicht genmacht, so zum Beispiel das UCI Friedrichshain auf dem Gelände der einstigen Schultheiß-Brauerei an der Landsberger Allee.

 

Fotos: Museum Pankow (oben), Bundesarchiv CC BY-SA 3.0 de , Fridolin Freudenfett

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10 Kommentare zu “Colosseum kaputt”

  1. julie-mave hase

    Mai 29. 2020

    Hallo,danke für den Bericht,ich hoffe es lebt bald wieder weiter…..

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  2. Schade war ein wirklich schönes Kino

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    • von ODK

      Mai 29. 2020

      Insolvenz der Betreibergesellschaft ist ja gottlob nicht mit dem Ende des Kinos an sich gleichzusetzen. Insofern besteht ja noch Hoffnung.

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  3. Es ist einfach nur noch traurig?

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  4. Goggomobil

    Mai 29. 2020

    einfach nur traurig..nach 7300 Millionen für BER und 9000 Millionen für Lufthansa mit CO 2 Schleudern und Millionen Vorstandsbezügen bleibt wohl nix für ein kulturelles Traditionsunternehmen mit 45 Mitarbeitern. Ist das fair?

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  5. Goggomobil

    Mai 29. 2020

    zum kotzen! nach 7300 Millionen für BER und 9000 Millionen für Lufthansa mit CO 2 Schleudern und Millionen Vorstandsbezügen bleibt wohl nix für ein kulturelles Traditionsunternehmen mit 45 Mitarbeitern..Danke Herr Altmaier

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  6. Andreas Gei#mieterforumpankow #gleimkiez eine Rettung auf die Beine zu stellen. Colosseum statt #Lufthansa

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  7. Tja, davon habe ich noch nichts gehört oder habe es überhört: Kulturgewichtige Urgesteine müssen erhalten bleiben, also es sollte der Berliner Regierung was dran liegen. Denkmalschutz gibt es ja auch für sonstwas. Da sind nun die lokalen Protestler gefragt, keine Ahnung, macht man da auf der BVV oder wie? Adidas gehört NICHT zur Berliner Ur-Kultur, meine ich.

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