Temporäre Spielstraßen in Pankow: Bürokratischer Hürdenlauf

 

Friedrichshain-Kreuzberg: Das Bezirksamt veröffentlichte Ende April einen Aufruf: Der Bezirk will kurzfristig in bis zu dreißig Straßen sogenannte Temporäre Spielstraßen einrichten. Anwohner und Interessierte werden gebeten, sich als Kiezlotsen für die Spielstraßen zu bewerben, die dann dort mit die Aufsicht führen. Schon eine Woche später die Eröffnung: Neunzehn Straßenzüge sind es immerhin geworden, auf denen die Kinder sonntags tollen und toben können, elf davon sind noch immer in Betrieb.

Pankow: Ungefähr vier Wochen später fragt der Prenzlauer Berger Nicolas Scharioth beim Bezirksamt nach, ob es nicht möglich wäre auf einem Teil der Bötzowstraße zwischen John-Schehr- und Danziger Straße eine temporäre Spielstraße zu organisieren. Das Straßenstück scheint gut gelegen: Auf der einen Seite befindet sich die Bötzow-Schule auf der anderen ein Spielplatz – direkte Anwohner, die sich eventuell gestört fühlen könnten gibt es daher nur wenige.

Das Amt von Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn lehnt nicht ab, verlangt jedoch, dass Scharioth erst einmal belegt, dass mindestens die Hälfte der Anwohner eine solche zeitlich begrenzte Spielmöglichkeit für Kinder auch tolerieren. Dafür möge er bitteschön erst einmal die entsprechenden Unterschriften der betroffenen Anrainer beibringen. Sollte ihm das gelingen, werde man die Anfrage wohlwollend bearbeiten.
 

Pankow war einmal Vorreiter

Größer kann der Unterschied der Arbeitsweisen zwischen den benachbarten Bezirken kaum sein: Dort proaktives. Vorangehendes Handeln, dass die Bürger aktiviert, mitzumachen – hier Passivität; abwarten, ob jemand kommt um dann auch noch zusätzliche Hürden aufzubauen.
Dabei war Pankow früher einmal nicht nur Berliner Vorreiter im Mieterschutz, sondern auch in Sachen temporäre Spielstraßen.

Seit Anfang 2015 bemühte sich der Bezirk darum, in der Gudvanger Straße eine temporäre Spielstraße einzurichten. Erst war man sich unsicher, wie das rechtlich zu gestalten wäre (es war in Berlin absolutes Neuland), und als das Bezirksamt dann glaubte eine rechtlich sichere Konstruktion gefunden zu haben, klagte eine Anwohnerin dagegen. Das Verfahren zog sich hin.
 

Erst ein BVV-Beschluss gab den nötigen Schub

Im Mai 2019 hatte aber das Bundesverkehrsminsterium auf Anfrage des Pankower Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar klargestellt, dass es der juristischen Verrenkungen gar nicht bedarf: Letztlich reichte ein eine Verkehrliche Anordnung und ein Aufstellen der entsprechenden Verkehrsschilder.

Dennoch dauerte es noch einmal ein Jahr, bis das Straßen- und Grünflächenamt die entsprechenden Schilder an der Gudvanger Straße anbrachte.

Die kürzlich eröffnete temporäre Spielstraße brauchte eineinhalb Jahre Vorlauf, bis sie endlich zustande kam. Auch hier mussten die Initiatoren – wie nun auch in der Bötzowstraße – erstmal Unterschriften sammeln – 1.000 waren es am Ende und dennoch bedurfte es erst eines Beschlusses der Bezirksverordnetenversammlung, um Nägel mit Köpfen zu machen.

Nicole Holtz, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerbeteiligung von Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn (Bündnis 90/ die Grünen), begründete den Hürdenlauf mit den Unterschriften gegenüber der Prenzlberger Stimme mit der Erfahrungen jener klagenden Anwohnerin aus der Gudvanger Straße. Wenn, mehr als die Hälfte der Anwohner dafür seien, würde sich ein Klagewütiger womöglich zurückhalten. Auf ein solches Argument muss man auch erstmal kommen.

 

50 Prozent der Unterschriften beisammen

Tausend Unterschriften benötigt Nicolas Scharioth nicht. Rund 180 Anwohner, so schätzt er, leben in unmittelbarer Anrainerschaft jenes Teils der Bötzowstraße, auf der die temporäre Spielstraße eingerichtet werden soll. Neunzig bräuchte er also mindestens. Um sie zu bekommen, hat er eine Onlinepetition gestartet – rund 150 Unterschriften hat er bereits zusammen – 50 davon sind „gültig“, stammen also aus der unmittelbaren Nachbarschaft.
Um für das Anliegen zu werben, hatte er gestern (Sonntag) eine „Demonstration“ auf dem Straßenteilstück angemeldet, bei der Kinder und ihre Eltern ihrem Spieltrieb freien Lauf lassen konnten. Sollten irgendwann neunzig oder mehr „gültige“ Unterschriften zusammenkommen, wird sich das das Amt von Stadtrat Kuhn damit befassen. Wie lange es dann noch dauert, bis eine Entscheidung getroffen – und umgesetzt! – wird, ist offen.

Noch was?

Ja!

Kurz nach der Premiere der kurzfristig eingerichteten temporären Spielstraßen in Friedrichshain-Kreuzberg zog das Bezirksamt Neukölln nach und organisierte in seinem Amtsbereich binnen weniger Tage sechs temporäre Spielstraßen nach Xhainer Vorbild. In Eigeninitiative. Ohne Unterschriftensammlung.

 

Impressionen

 



4 Kommentare zu “Temporäre Spielstraßen in Pankow: Bürokratischer Hürdenlauf”

  1. als ich klein war… gab es viele spielstrassen… in niederschönhausen.. z.b. teile der treskow/ kuckhof/ uhland strasse…

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  2. Fahrradstraßen, Spielstraßen, Poller; was soll uns denn noch alles zugemutet werden…?

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  3. Peter

    Aug 26. 2020

    Die Frage ist doch, was Sie uns allen zumuten, Silvio F. Nicht überall muss die Blechlawine durchwalzen … und das ist auch gut so.

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