ICON: Bezirkspolitik parteiübergreifend für den Erhalt des Clubs

Die Vertreter aller in der Pankower Bezirksverord-
netenversammlung (BVV) sitzenden Parteien haben sich am Donnerstag bei der ersten Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung nach der Sommerpause für den Erhalt des Drum&Bass-Club in der Cantianstraße ausgesprochen.
Bis zur nächsten Tagung der BVV am 15. September sollen Möglichkeiten für die Weiterführung des Clubbetriebes gesucht werden.

 

Zu Beginn der Aussprache erklärte Baustadtrat Michail Nelken (Die Linke), dass er bemüht sein werde, eine Lösung zu finden. Wiewohl politisch verantwortlich, hielt sich Nelken danach demonstrativ zurück und überließ weitere Erklärungen Heinz Liepold, dem Leiter des Stadtentwicklungsamtes Pankow. In dessen Behörde war der Schließungsbescheid erstellt worden.
Liepold erklärte den Abgeordneten, dass ein Anwohner Beschwerde wegen Lärmbelästigung geführt und Akteneinsicht betreffs des Clubs beantragt hatte. Daraufhin habe sich der zuständige Sachbearbeiter die Rechtslage genauer angesehen und festgestellt, dass der Club in der Cantianstraße aus Planungsrechtsgründen dort gar nicht existieren dürfe. Das brachte Wolfram Kempe (Die Linke) auf den Plan: „Seit wann nimmt das Bauamt ordnungsrechtliche Bewertungen vor? Bei Lärm vor Kneipen und ähnlichem, da war bisher das Ordnungsamt zuständig und nicht das Bauamt! Wenn sich da in den letzten Tagen etwas geändert haben sollte, dann bitte ich doch um Mitteilung.“ Johannes Kraft (CDU) wunderte sich über die Verknüpfung von Lärmbeschwerde und baurechtlichen Schließung: „Das sind Dinge, die nichts miteinander zu tun haben“. Mehrere Abgeordnete fragten nach, ob das Stadtentwicklungsamt vor dem Erlass des Schließungsbescheides geprüft habe, wie man mögliche Störungen auf anderem Wege beseitigen könnte. Heinz Liepold verneinte. Das sei auch gar nicht nötig. Wie schon zuvor im Gespräch mit der Prenzlberger Stimme erkärte der Stadtentwicklungsamtschef, dass – Lärm hin oder her – das Planungsrecht den Betrieb einer solchen „Vergnügungsstätte“ in einem Wohngebiet überhaupt nicht zulasse. Wolfram Kempe: „Mit der Begründung könnte man alle Clubs in Prenzlauer Berg schließen.“

Amtsleiter weist Vorwurf der Nötigung zurück – und wird bei einer Unwahrheit ertappt

Der Schlagabtausch zwischen Bauamtschef und Abgordneten wurde auch von den Clubbetreibern Pamela Schobeß und Lars Döring sowie mehreren Unterstützern des Clubs verfolgt. Döring schilderte den Abgeordneten, wie ihm durch den Sachbearbeiter des Stadt-
entwicklungsamtes quasi die Pistole auf die Brust gesetzt wurde: Entweder er verzichte auf ein Rechtsmittel gegen den Schließungsbescheid – oder der Club könne möglicherweise schon im August geschlossen werde. „Das erfüllt ja den Straftatbestand der Nötigung!“, ereiferte sich Thomas Brandt (FDP). „Wenn sich das so bewahrheitet, dann brauchen wir hier gar nicht weiter zu reden, dann sitzt morgen hier der Staatsanwalt und der Bescheid ist dann sowieso wirkungslos.“
Amtsleiter Liepold wies den Nötigungsvorwurf zurück. Wie wenig glaubhaft seine Darstellungen zuweilen aber sind, zeigte dann ein hartnäckiges Nachfragen bezüglich der angeblichen Anwohnerbeschwerde: Obwohl Liepold zuvor mehrfach sowohl öffentlich, als auch vor den Abgeordneten behauptete, es läge eine solche Beschwerde vor, räumte er schließlich ein, dass es sich lediglich um einen „Hinweis“ handelte, den der Sachbearbeiter während eines Telefongespräches bezüglich der Akteneinsicht vernommen habe… .
Dieses späte Eingeständnis bedeutet zugleich auch die „Rehabilitation“ jenes Anwohners, der auf Grund der Aussagen seitens des Bezirksamtes von vielen für den treibenden Keil bei der Schließung gehalten wurde und der dafür – auch öffentlich – heftig angefeindet wurde. Er selbst hatte stets zurückgewiesen, eine Beschwerde an das Bezirksamt gerichtet zu haben.

Da Heinz Liepold weiterhin auf die Unvereinbarkeit von „Vergnügungsstätte“ und und Wohngebiet beharrte, stellte Thomas Brandt die Einstufung des Clubs als „Vergnügungsstätte“ grundsätzlich in Frage. Vergnügungsstätte, so Brandt, könne auch ein Puff sein; beim ICON aber handele es sich um eine Kulturstätte mit Schankbetrieb. Und die sei auch in einem Wohngebiet zulässig. Dies nun ließ auch Heinz Liepold schwankend werden: „Vielleicht lässt sich ja was über eine Betriebsbschreibung regeln.“

Abschließend nahm Baustadtrat Michail Nelken noch einmal das Wort, und sagte, Ziel sei es nun, „den Betrieb des Clubs auf rechtlich sichere Füße zu stellen“.

Die Abgeordneten waren sich ausnahmslos einig, möglichst bis zur kommenden BVV-Tagung am 15. September eine entsprechende Beschlussvorlage zu erarbeiten.

Links: Heinz Liepold, Leiter des Stadtentwicklungsamtes - daneben: Michail Nelken, Baustadtrat

 

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8 Kommentare zu “ICON: Bezirkspolitik parteiübergreifend für den Erhalt des Clubs”

  1. GordonGee

    Aug 27. 2010

    Es war anstrengend, jedoch auf eine spezielle Art unterhaltsam zugleich. Die teils hilflose Herumruderei Herrn Liepolds war eine nahezu perfekte Bestätigung meines Bildes einer überforderten Amtsperson.Ich bin schon auf Runde 2 in der BVV am 15.9. gespannt.
    Vielen Dank für Ihre fortlaufende Berichterstattung!

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  2. Maxe Moritz aka Dozor

    Aug 27. 2010

    Ich muss sagen, der Herr Liepold hat mir fast leid getan. Die Fraktionen waren über das Handeln in seinem Amt äußerst unerfreut. Und man kann schon sagen, dass er hartes Feuer abbekommen hat. Doch ich sage nur fast leid getan, weil der Herr Liepold nicht einmal die nötigen Kronjuwelen besitzt, um zuzugeben, dass sein Amt Mist gebaut hat. statt dessen wird so richtig schön rumgeeiert und vertuscht.
    Ist ja nicht so, dass die Ämter eh schon mit ihrem Ruf zu kämpfen haben.

    Aus meiner Sicht, sollte das Amt mal eine lösung suchen, wenn sie nicht wissen wie, können sie mich gerne Fragen. Ich kann ja mal ein Beispiel Nennen: Der Club wird von Vergnügungstätte In Kultureinrichtung mit Schankausgabe umbenannt. Das betroffene Vorderhaus bekommt Schallschutzfenster. Die Kosten werden zwischen Vermieter und Iconclub geteilt. Da der Club alles erdenklich Mögliche Zur Schallschutzbekämpfung geleistet hat, sollte er weiterhin und ohne Befristung seine konzession behalten. Diesen Weg hätte das Amt sowieso zuerst gehen müssen. Ausserdem sollte sich das Amt im klaren sein, dass sie nicht viel zeit zum Handeln haben, denn der Schaden wird immer größer. Wir wollen, dass unser Wohnzimmer bleibt und das ist nur möglich, wenn Verträge verlängert, Künstler gebucht werden und Arbeitnehmer ihren Job behalten können.

    Achja, noch ein weiter Tipp ans Amt. erst Prüfen, dann Handeln!

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  3. fallout-boy

    Aug 28. 2010

    Es ist auf der einen Seite schön zu sehen wie viele Menschen sich der Sache annehmen und diesen mafiösen Treiben ein ende setzen wollen! Danke! Auf der anderen Seite ist es traurig zu sehen wie intrigant und widerlich Menschen sein können.
    Ich hoffe Icon wird bleiben und ich hoffe das dieser Fall endlich auch anderen Menschen die Augen öffnet und Mut macht sich dieser Krake von Immobilienhaien und korrupten Gesindel ein Ende setzen!
    Let’s fight them!

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  4. Roly

    Aug 28. 2010

    Hey Leute von heute,

    hätte am Donnerstag gerne mit supportender Anwesenheit geglänzt, war aber um diese Uhrzeit leider arbeitsbedingt noch gebunden. Es stimmt mich und meine Nächstenliebe zur Clubkultur jedoch sehr positiv, was hier so Aufschlussreiches geschrieben und erläutert wird. Sollte es doch noch möglich sein, dass es den politisch Verantwortlichen gelingt, ihre Worte in die Praxis umzusetzen? Hoffe sehr, das sich unser Engagement am Ende bezahlt macht. Im Prinzip ist es beim Erhalt des Icons an alter Wirkungsstätte eine Win-Win-Situation – für die Stadt an sich und für alle, die sich mit dem Icon musikalisch wie zwischenmenschlich verbunden fühlen. Es muss beiden Seiten bewusst sein, dass sie am Ende beide nur gewinnen können. Ich bin (wieder etwas) zuversichtlich(er) und wünsche uns allen, dass auch die nächsten Jahre unzählige Menschen von überall her im Icon eine gute Zeit verbringen.

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  5. Zner

    Aug 29. 2010

    Interessant ist doch auch mal wieder die Wortdudelei (Vergnügungs- vs. Kulturstätte), die ihre Fallstricke um den Erhalt der ohnehin schwindenden kiezlokalen Kultur windet…

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  6. Maria

    Aug 31. 2010

    Ich habe an diesem Tag zwei ganz entscheidende Dinge gelernt:
    1. Politik ist ganz und gar nicht so wie man sie sich vorstellt!
    und 2. Politik ist ganz genauso wie man sie sich vorstellt!

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  7. mark437

    Okt 01. 2010

    mir scheint da einiges nicht mit rechten dingen zuzugehen:
    – wer hat denn ein interesse an der schliessung von seiten der verwaltung und
    – wer könnte ein finanzielles interesse an der schliessung haben (einige wohnungseigentümer?) und
    – könnte jemand möglicherweise mit illegalen mitteln eine entscheidung in seinem sinne herbeizuführen versucht haben?
    oder ist es einfach eine dieser bürokratischen entscheidungen, bei denen „der amtsschimmel gewiehert hat“?
    müsste das nicht unabhängig vom weiteren verfahren mit dem icon geklärt werden, in einem rechtsstaat?!
    HAARSTRÄUBEND! wer nicht widerspricht, erklärt sich einverstanden

    ich erkläre mich ganz und gar NICHT einverstanden, mit dem ganzen verfahren und mit der schliessung des icon ohnehin nicht. zu einer pluralistischen gesellschaft gehört, dass man anderen selbstverständlich auch einen platz einräumt. dass sollten die wohnungseigentümer eigentlich zu ihrer sache machen, schliesslich wurde ihnen auch ein platz eingeräumt. das icon ist eine zierde für ganz berlin und es befindet sich genau in prenzlauer berg.
    LOVE WHAT YOU HAVE! ich liebe das icon

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