Kultur ist schön, macht aber viel Arbeit (frei nach Karl Valentin)

zarbock plakat agh

 

Berlin ist unbestreitbar eine internationale Kulturmetropole geworden. Trotz oder wegen der Politik in der Stadt? Berlin steht vor wichtigen Herausforderungen, weil zu lange auf ernsthaft gestaltendes Handeln verzichtet wurde. Ein neues Abgeordnetenhaus, eine andere Koalition – hoffentlich – müssen nun deutlich aktiver werden.
 

Berlin steht vor einer Wahl

Die durch Spekulation verursachten Mietsteigerungen, der Verdrängungsprozess u.a. durch unsinnige Sanierungsmaßnahmen und das seltsam von der Stadtgesellschaft abgekoppelte Handeln städtischer und sich sozial nennender Wohnungsbaugesellschaften haben die Mieterstadt Berlin ins Wanken gebracht. Eine Entwicklung, an der sich die SPD nicht verantwortlich fühlt.

Der Umgang mit den Geflüchteten ist von Versagen und ideologischem Unwillen geprägt. Weltoffenes Berlin und eine CDU passen offenbar nicht zusammen. Die sogenannte Armutsschere geht immer weiter auseinander – bei den Grünen sehe ich nicht einmal ein Problembewusstsein dafür. Die Verwaltung ist ausgerechnet bei jenen Institutionen, die ihre Dienste direkt für die BürgerInnen erbringen sollen, durch Personalmangel permanent an der Grenze zur Arbeitsunfähigkeit.

Zweifelsohne kann jeder andere Senat eine bessere Verkehrspolitik und vor allem eine bessere Fahrradpolitik als CDU und SPD. Die Oppositionsparteien, allen voran Grüne und LINKE, haben es mit einer SPD zu tun, die nur „bleiben“ will, also an der Regierung. Nun wählt Berlin nicht nur einen handlungsunfähigen Senat ab, die Stadt stimmt auch darüber ab, wie mit den liegengebliebenen Problemen umgegangen wird.

 

Wer redet da noch von Kultur?

Schon unter Party-Bürgermeister Wowereit und noch mehr mit seinem Nachfolger, der sich erstmals den BerlinerInnen als Bürgermeister-Kandidat präsentiert, hat das Fehlen eines echten Kultursenators dazu geführt, dass wichtige Entscheidungen verschlafen wurden.

Die Wirkung dieser Untätigkeit macht Kultur zu einer dringlichen Querschnittsaufgabe: Wie soll die Lebensqualität erhalten werden, wenn zwar das Wachstum der Stadt durch Nachverdichtung und neue Stadtviertel befördert wird – aber kulturelle Infrastruktur nicht mit wächst? Wie soll Berlin seine Attraktivität für Kulturschaffende erhalten, wenn sie ins Prekariat gezwungen sind und Arbeitsräume unbezahlbar werden? Wie sollen die geschröpften Volkshochschulen die dringend nachgefragten Sprachkurse zur Integration der Neu-BerlinerInnen anbieten können? Wie wird der weitere Raubbau im Bibliotheksnetz verhindert? Diese Liste ließe sich über viele Zeilen fortsetzen.

 

Kulturort Prenzlauer Berg

Den Berliner Bezirken, so auch Pankow, wird zwar zugebilligt, sich um Musikschulen, Bibliotheken und Volkshochschulen zu kümmern – angesichts der ständigen Austrocknung der vom Senat den Bezirken zugewiesenen Haushalte und der viel zu geringen Investitionsmittel bedeutete dies einen permanenten Abbau. Ist dies Ausdruck eines nicht mehr vorhandenen Bedarfes an kulturellen Angeboten der Öffentlichen Daseinsvorsorge?

Oder ist es nicht einfach eine Schande, wenn dieser Ortsteil droht, von einer Kreativschmiede zu einem Event- und Tourismusareal abzurutschen aus dem sich der Staat zurückzieht? Der Prenzlauer Berg ist nicht nur ein Zentrum der Kreativwirtschaft, er war und ist Lebens- und Arbeitsmittelpunkt vieler KünstlerInnen. Wer hier lebt, nutzt überdurchschnittlich häufig die Kulturangebote.

Die lange Warteliste der Pankower Musikschule ist auch Ausdruck eines Lebensgefühls, eines Anspruchs an ein von Kunst, Kultur und Bildung geprägtes Leben. Wenn der Senat glaubt, Kunst und kulturelle Bildung sei ein Nebenaspekt, ein Anlass sich zu sonnen und anderen die Arbeit zu überlassen, muss mit Nachdruck formuliert werden, dass Kultur der Stadt viel bedeutet.

DIE LINKE hat das Thema Kultur und Bildung als ein besonders wichtiges definiert – so jüngst auch der Spitzenkandidat Klaus Lederer mit seinem vieldebattierten Artikel im Tagesspiegel. Ich will im Abgeordnetenhaus mit dafür sorgen, dass es durch Gesetze wieder eine Rahmensetzung und Sicherung von Kulturangeboten gibt. Ich will, dass die Kultur – und zwar sowohl auf Seiten der Produktion wie der Nutzung – in einer Regierung wieder einen aktiven Partner und Unterstützer hat.

Ich will, dass die Finanzbeziehungen zwischen Land und Bezirken so geregelt werden, dass der Kulturabbau beendet wird. Ich will eine Tendenzwende, einen Neustart in der Berliner Kulturpolitik. Freier Eintritt in die Museen des Landes Berlin und kostenfreie Bibliotheksnutzung wären ein Anfang.

 

Kultur für alle? Alle für Kultur

Für diese Arbeit in einer zukünftigen Regierung Berlins bieten sich derzeit so viele Partner an wie selten zuvor. Den Aufruf des Landesmusikrat für mindestens 20 % Festanstellungen an den bezirklichen Musikschulen haben sich auch Vertreter der derzeitigen Regierungskoalition unterschrieben.

Merkwürdig nur, dass sie in den letzten Jahren nichts unternommen haben. Schlimmer: Der Senat hat dafür gesorgt, dass die Arbeitsbedingungen für die freien Musikschullehrer schwieriger und bürokratischer geworden sind. Es wird also eine Frage von Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit sein, wenn es darum geht, die drängenden Aufgaben, die einer Bearbeitung harren, auch in ein Regierungsprogramm zu gießen. Es wird nicht reichen, mehr Geld in Fördertöpfe zu werfen.

 

Direktwahlkampf? Ausgeblieben. Eine Einladung

Es hätte ja eigentlich ganz lustig werden können. Ein Grüner, der einen Wahlkreis verteidigt, den ein anderer vor ihm gewonnen hat.
Ein Sozi, der im zweiten Anlauf seine Niederlage im Wahlkreis wettmachen will.
Eine starke Frau von der CDU, die (mit ihrem Artikel in dieser Serie) vergessen machen will, dass ihre Partei beim Thema Geflüchtete und Integration in der Regierungsverantwortung nun wirklich alles falsch gemacht hat.
Und nun: Der gefühlt langweiligste Wahlkampf um ein Direktmandat aller Zeiten. Ein öffentliches Podiumsgespräch zwischen den BewerberInnen im Wahlkreis hat es bislang nicht gegeben. Und es ist bislang auch keines geplant…

Ich sage mal: Am Sonntag vor der Wahl, am 11.9., stehe ich um 14 Uhr an der Käthe-Kollwitz-Skulptur auf dem Kollwitzplatz und würde mich freuen, wenn sich dort ein gemeinsames öffentliches Gespräch der WahlkreiskandidatInnen mit ihren WählerInnen ergibt. Wir sehen uns.

 


Foto: Lars Nickel

Foto: Lars Nickel

Matthias Zarbock kandidiert im Pankower Wahlkreis 8 für DIE LINKE.
Er wurde 1970 in Brandenburg geboren und lebt seit 1990 in Berlin. Matthias Zarbock studierte Germanistik und Bibliothekswissenschaft an der Humboldt-Universität und war von 1998 bis 2005 Hörspiellektor beim WDR. In den Jahren 2005 und 2006 war er Bürgerdeputierter im Kultur-Ausschuss in der BVV Pankow, seit 2006 Bezirksverordneter und dort unter anderem Mitglied in den Ausschüssen für Kultur und Bildung, für Finanzen, für Bürgerbeteiligung, für Umwelt und im Ältestenrat. Seit 2014 ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Wahlkreisbüro des Abgeordneten Udo Wolf.


 

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Kommentar zu “Kultur ist schön, macht aber viel Arbeit (frei nach Karl Valentin)”

  1. Tom

    Sep 07. 2016

    Ist ja witzig Herr Zarbock, dass die Linke sich für die Entwicklung der Wohnraumsituation in Berlin nicht verantwortlich fühlt!
    Die Entwicklung gibt es ja deutlich länger als 5 Jahre und wer war gleich noch mal vor der CDU neben der SPD Regierungspartei in Berlin? Ach ja, richtig, die Linke…

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