„ Ich bin aus der Not heraus geboren…“ singt Marius Müller Westernhagen in einem seiner Lieder.
Damit ist mein Start in die politische Bürgerarbeit recht gut beschrieben.
Ich bin 1970 geboren, in Pankow aufgewachsen und zur Schule gegangen und absolvierte eine Ausbildung zum Koch im Republikpalast.
1990 beendete ich den Leerstand einer der vielen freigewordenen Wohnungen und durfte nach der Währungsunion die ersten D-Mark als Strafe für die Wohnungsbesetzung gleich wieder abgeben.
Bis zu diesem Zeitpunkt beschränkte sich mein politisches Engagement auf die Teilnahme an den Demonstrationen 1989 in der DDR.
In den folgenden 10 Jahren nutzte ich ausgiebig die mir nunmehr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten:
Eine Unternehmensgründung mit anschließender Pleite, an vielen unterschiedlichen Orten arbeiten, viel Reisen.
Im Jahr 2000 lernte ich die Mutter meiner beiden Töchter (11 und 15 J.) kennen und kurze Zeit später fanden wir uns mit rundem Bauch in einer WG in der Kopenhagener Straße 46 wieder.
Dieses Lebenskonzept, speziell auch in unserem Kiez, haben wir bewusst gewählt.
Es war und ist uns wichtig, den Kindern ein offenes und tolerantes miteinander Leben zu ermöglichen. Eine für Menschen aus allen Herkunftsgebieten offene Tür bereitete die Kinder auf das Berliner Leben authentisch vor.
Der Kuss des Immobilienprinzen
Als dann vor 4 Jahren das Haus Kopenhagener Straße 46 verkauft wurde und die brutale Entmietung begann, war es für unsere Kinder und uns gar keine Frage: Wir werden um unser Zuhause in unserem Heimatkiez kämpfen.
Dies war der Moment, an dem mich der Immobilienspekulanten Prinz aus meinem politischen Dornröschenschlaf geküsst hatte.
Seit diesem Zeitpunkt musste ich, nicht nur in unserem Haus, erleben, wie Lebens- und Hausgemeinschaften systematisch zerstört werden.
An vielen Orten in Berlin sind die Wohnungen und Häuser in denen die Menschen leben , wesentlich mehr als nur Schlafplatz oder Kochmöglichkeit.
Die sozialen Gemeinschaften, die sich im Laufe der Jahre gebildet haben, ermöglichen es vielen alleinerziehenden Müttern, Vätern, Selbstständigen, Künstlern, vielen kulturell, sozial und politisch aktiven Menschen überhaupt erst, ihr Leben in der selbstgewählten Form zu führen.
Diese Menschen haben den Charme und die Attraktivität Berlins hervorgebracht.
Als Ost-Berliner konnte ich die Veränderungen des Bezirkes direkt verfolgen.
Mit dem manchmal zu hörenden „…die Wessis haben unseren Bezirk …“-Gejammer kann ich nichts anfangen. Berlin war schon immer eine Stadt, die sich durch Zugereiste aus aller Welt entwickelt hat.
Ich liebe (teilweise) das Selbstverständnis, Selbstbewusstsein und das Engagement der Menschen aus dem Westteil Deutschlands und aus aller Welt.
Etwas mehr davon in dem Bewusstsein der Menschen im Jahr 1989 und bestimmt wäre vieles anders verlaufen.
Immer mehr Menschen leben in Angst
Jeder, der in Berlin seine Heimat und sein Zuhause findet, ist mir willkommen.
Denn sich in dieser Stadt zu verwurzeln bedeutet für mich auch, sich dafür stark zu machen und sich für sie einzusetzen.
Leider leben die Menschen hier mehr und mehr in Angst.Die Angst, ihr Zuhause und somit ihre Wurzeln zu verlieren, lähmt viele Menschen.
Diese Angst wirkt sich selbstverständlich auch auf das Miteinander in unserer Stadt aus.
Wie kann ich voller Vertrauen Menschen willkommen heißen, wenn ich keine Sicherheit habe, selbst morgen hier noch leben zu können?
Deshalb ist meines Erachtens eine der zentralen Fragen der Zukunft: „Wie wollen wir weiter miteinander leben ?“ Heute können wir von einem kompletten Markt- und Politikversagen auf dem Wohnungssektor sprechen.
Der im Grundgesetz verankerte Schutz der Wohnung ist in der Realität praktisch nicht mehr existent. Dass alle Parteien in ihrem Wahlkampf das Thema Wohnungspolitik zu einem zentralen Punkt gemacht haben, ist mitnichten einer selbstkritischen Analyse der Politik zuzuschreiben.
Der Druck, der Protest und der Widerstand gegen Entmietung und Verdrängung der Menschen in dieser Stadt hat dazu geführt, dass die Themen Wohnungen und Mieten derzeit so in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist.
Sicherlich wird sich auch nach der Wahl daran nichts ändern.
Thema Wohnungsnot weiter ins Bewusstsein rücken
Es gibt in dem einen oder anderen Wahlprogramm der verschiedenen Parteien gute Ansätze.
Die Tatsache, dass jedoch nur wir Mieter ein tatsächliches Interesse an bezahlbaren Mieten haben, bleibt leider bestehen.
Mein Bestreben in den vergangenen Jahren war es und wird es auch weiterhin sein, parteiübergreifend Lösungen aus einer Sackgasse heraus zu finden.
Dabei ist weiterhin mein Ziel, diese Themen durch Zusammenarbeit mit Politikern und Medien ins Bewusstsein der Menschen zu rücken.
In Zeiten von Naturkatastrophen treten Notstandsgesetze in Kraft, die dafür sorgen sollen, eine Rückkehr zu einem „normalen“ Leben schnellstmöglich wiederherzustellen.
Wir haben in Berlin derzeit eine akute Wohnungsnot.
Das Gedümpel an den vorhandenen und sich in Arbeit befindlichen Gesetzen wird daran nichts ändern.
Radikale Reformierung der Wohnungspolitik nötig
Wir brauchen, nicht nur in Berlin, Menschen mit Mut, die sich nicht scheuen, den „Mächtigen „ richtig auf die Füße zu treten.
Auch wenn die Landespolitik auf Bundesebene daran nichts ändern kann, ist die sofortige, komplette Abschaffung des §559 zur Modernisierung eine meiner zentralen Forderungen.
Im Osten gab es den Spruch „Spare mit jedem Pfennig – koste es, was es wolle“. Diese Worte sind beim Thema Klimaschutz aktuell wie nie zuvor.
Wir benötigen eine objektive Auseinandersetzung, unter Einbeziehung der realen Energie Einsparungen im Modernisierungsbereich, speziell der Dämmung.
Das ist für mich die Grundlage, um dem immer lauter werdenden Vorwurf des Betruges beim Thema Klimaschutz entgegen zu treten.
Als Betreiber einer Cateringfirma ist mir wirtschaftliches Denken und Handeln ganz sicher nicht fremd.
Dass die Profiterwartungen von Investoren jedoch einen höheren Schutz genießen als die psychische und physische Unversehrtheit der Berliner Mieter ist für mich inakzeptabel.
Meines Erachtens brauchen wir ein radikales Umdenken, eine komplette Reformierung der Wohnungspolitik und ernsthafte Eingriffe in die Rechte der Immobilienspekulanten.
Vier Jahre nach dem Eigentümerwechsel des Hauses Kopenhagener 46 sind unsere beiden Kinder und wir vier Erwachsenen die letzten Mieter in einem Haus, in dem zuvor 16 Kinder und 35 große Menschen lebten und füreinander da waren.
Die existente oder gespielte Hilflosigkeit der Behörden und Politiker gegenüber Maximalrendite orientierten Investoren und deren menschenverachtende Praktiken muss beendet werden.
1989 schallte der Ruf durch die Straßen: „Wir sind das Volk!” Es scheint mir heute wieder nötig zu sein, die Berliner Regierung daran zu erinnern, wessen Vertreter sie sind!
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