Gewisse Steherqualitäten muss man der AfD-Fraktion in der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV) ja zugestehen. Oder ist es doch nur Starrsinn?
Auch nach vier Wahlgängen, bei denen ihr Kandidat Nicolas Seifert nur acht beziehungsweise neun Stimmen von 55 Bezirksverordneten erhielt, bestanden die Völkisch-Deutschen auf einen fünften Urnengang.
Der Sitzungssaal der Bezirksverordnetenversammlung von Pankow an der Fröbelstraße war auch bei der 2. Tagung der BVV wieder überfüllt. Dass nicht wenige Besucher in Clownskostümen erschienen, hatte nicht unbedingt mit der gerade angebrochenen Karnevalszeit zu tun, sondern mit Nicolas Seifert, dem Stadtratskandidaten der AfD.
Der griff während einer AfD-Demonstration am 11.11.2015 vor laufender Kamera den als Clown verkleideten Außenreporter der ZDF-Satiresendeung „Heute Show“ Ralf Kabelka körperlich an.
Den Videoclip mit dieser Szene hatten die Pankower Bündnisgrünen vor knapp zwei Wochen publik gemacht – das Medienecho war erheblich. Für noch mehr Empörung sorgte allerdings die Reaktion Seiferts und der AfD auf den Vorfall.
Anstatt sich leise für den Ausraster zu entschuldigen, ließ Nicolas Seifert verlauten, „das Auftreten des Mannes vom ZDF mit der Clownkappe war eine Unverschämtheit“ und AfD-Sprecher Ronald Gläser ergänzte, wenn jemand als „Horrorclown“ eine AfD-Demonstration störe, müsse „er sich nicht wundern“, wenn er körperlich angegengen werde.
Diesmal allerdings blieb Seifert – wohl auch angesichts der Überzahl der buntbemalten Gestalten – friedlich. Geholfen hatte ihm das aber nichts mehr.
Fachlich inkompetent
Der Vorsitzende der Linksfraktion, Matthias Zarbock und sein sozialdemokratischer Kollege Roland Schröder berichteten von der Befragung Seiferts durch ihre Fraktionen. Was sie berichteten sprach nicht für den Kandidaten.
Danach war Nicolas Seifert nicht in der Lage, die Funktion und Arbeitsweise eines Bezirksamtes darzustellen, eine realistische Vorstellung über die Aufgaben eines Bezirksstadtrates soll er ebenfalls nicht gehabt haben.Auch die Frage nach seinen politischen Schwerpunkten konnte er nicht beantworten und selbst die Antwort auf die Frage, warum er ausgerechnet in Pankow antreten will, war ihm nicht zu entlocken.
Darüber hinaus zweifelten die Bezirksverordneten ob des auf den „Heute-Show“-Video gezeigten Verhaltens, ob Seifert qualifiziert sei, einen sachlichen Umgang mit den Arbeitnehmern des Bezirksamtes zu pflegen.
Die Einschätzung überrascht nicht, sie deckt sich mit dem, was Nicolas Seifert bereits bei der konstituierenden Sitzung der der BVV von sich gegeben hatte.
Nachdem er es nicht für nötig gehalten hatte, sich so wie die anderen Bezirksamtskandidaten rechtzeitig vor der Wahl den Bezirksverordneten Rede und Antwort zu stehen – sein Urlaub war ihm wichtiger – glänzte er vor allem mit Herablassung und Großspurigkeit.
Zu gestalten habe man als Bezirksstadtrat sowieso nichts, erklärte er dort in seiner Bewerbungsrede, denn man müsse ja nur die Beschlüsse der BVV umsetzen. Er werde sich innerhalb von acht Wochen eingearbeitet haben und, tja, „einer muss es ja machen“. Offenbar für den Fall, dass die Selbstüberhebung zu sehr mit der Realität kollidieren könnte, hatte er vorsorglich die Verantwortlichen für etwaige Misserfolge benannt: Die Antifa, die Parteien und auch Behördenmitarbeiter, von denen er Widerstand erwarte.So fiel denn auch der fünfte Wahlgang – absolviert nach einer Auszeit und einer von der AfD beantragten Sondersitzung des Ältestenrates – so negativ aus, wie die anderen Abstimmungen auch. Zuvor hatte die AfD noch beantragt, die Öffentlichkeit vom fünften Wahlgang auszuschließen, Nachdem der Saal geräumt war, zogen die Fraktion ihren Antrag jedoch zurück.
Rechtshilfe von der Bezirksaufsicht
Weil die Aussicht, dass Nicolas Seifert irgendwann vielleicht doch noch eine Mehrheit bekommen würde, ziemlich genau Null betrug und die Wahlgänge nicht unbegrenzt fortgesetzt werden konnten, bestimmte BVV-Vorsteher Michael van der Meer, dass es keinen sechsten Wahlgang mit diesem Kandidaten geben wird.Gleichzeitig kündigte er an, die Bezirksaufsicht der Senatsverwaltung für Inneres zu bitten, über das weitere Vorgehen zu befinden. Denn wie die konkrete rechtliche Situation in einem solchen Fall aussieht, konnte an diesem Abend nichtb geklärt werden.
Denn soklar es ist, dass die AfD ein Vorschlagsrecht für einen Bezirksstadtrat besitzt, so klar ist es auch, dass keine Verpflichtung der BVV besteht, jeden Personalvorschlag zu akzeptieren.
Möglicherweise könnte der AfD-Fraktion – falls sie keinen neuen Kandidaten benennen kann oder will – das Vorschlagsrecht abhanden kommen.
Selbstverständlich, so erklärte BVV-Vorsteher Michael van der Meer nach der Sitzung gegenüber der Prenzlberger Stimme, habe er die AfD-Fraktion darüber aufgeklärt, dass sie eine Entscheidung der Bezirksaufsicht nicht abwarten muss und es ihr offen steht, beim Verwaltungsgericht gegen die Entscheidung, weitere Wahlgänge nicht zuzulassen, sofort Klage zu erheben.
Auch Hitlerfeierer Thomas Weisbrich fiel erneut durch
Gescheitert war auch der zweite Versuch der AfD-Fraktion, den in der Vergangenheit als rechtsextremer Liedermacher und Hitler-Geburtstag-Feierer aufgefallenen Thomas Weisbrich als Beisitzer in den BVV-Vorstand wählen zu lassen.Weisbrich war bereits bei der konstituierenden Sitzung der BVV im Oktober sang- und klanglos durchgefallen. Nachdem der AfD im Vorfeld der der BVV-Tagung signalisiert wurde, dass ihr Kandidat auch bei einem zweiten Versuch keine Chance hat, schien es, als würde die Fraktion einen anderen Kandidaten aufstellen. Dann allerdings beharrte sie doch auf Weisbrich – mit den erwartbaren Ergebnis.
Damit hat die AfD-Fraktion nun bereits schon sechs Durchfälle erlebt und so stellt sich die Frage, ob die Partei überhaupt in der Lage ist, ministrable Personalvorschläge für eine sachliche Arbeit in der BVV und im Bezirksamt zu unterbreiten.
Impressionen
Video der Partei DIE PARTEI
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Fritz Bocks
Nov 17. 2016
Wo ist das Problem, wenn Weisbrich mit der Rep-Jugend vor 15 (!!!) Jahren den Geburtstag eines Sozialdemokraten gefeiert hat?
Die Grünen schaffen es mit Joschka Fischer einen kleinkriminellen Gewalttäter zum Außenminister zu machen. Da ist das Affentheater wegen einer heruntergerissenen Perücke an Lächerlcihkeit kaum noch zu überbieten.
Christoph Baumgarten via Facebook
Nov 17. 2016
Ich mag die AFD nicht, gar nicht, aber da hat Herr Bocks wohl recht.
von ODK
Nov 17. 2016
Herr Bocks, da wurde kein Sozialdemokrat gefeiert. Und was Herrn Seifert betrifft: Es ging nicht nur um eine heruntergerissene Perücke. Bei der Befragung des Kandidaten – dem zuvor sein Uurlaub wichtiger war, als, als die Vorbereitung auf seine Kandidatur – mussten die Bezirksverordneten fachliche Defizite feststellen, die so erheblich waren, dass Herrn Seifert das Amt schlicht nicht zugetraut werden konnte.
Fritz Bocks
Nov 18. 2016
Woher wollen Sie wissen, wenn ja, was überhaupt gefeiert wurde? Waren Sie damals dabei? Berichten Sie!
Tom
Nov 17. 2016
So ein Quatsch „Geburtstag eines Sozialdemokraten gefeiert“. Herr Weisbrich hat als Republikaner-Funktionär eine Gedenkveranstaltung, „zufällig“ zum Datum des Geburtstages Hitlers organisiert. Schlimmer geht es ja kaum noch.
Der Jugendverband Solid feiert auch am 20.April - vielleicht den Geburtstag eines intalienischen Kommunisten?
Nov 18. 2016
Kommentar hier eingeben…
Klaus Seibert
Nov 17. 2016
Für den außenstehenden Beobachter erschließt sich nicht, warum der AfD-Mann als ungeignet angesehen wird. Aus den Argumenten der Altparteien wird nur ersichtlich, dass ihm mangelnde Erfahrung im Pankower Politikbetrieb vorgeworden wird. Das ist allerdings für viele Bürger gerade kein Nachteil, sondern bietet die große Chance endlich mal frischen Wind in die Verwaltung zu bringen. Die immergleichen Politkarrieristen der anderen Parteien, die außer Politik in ihrem Leben nichts gemacht haben, haben natürlich alle Verwaltungs- und Poltikerfahrung. Aber bringt das den Bezirk wirklich weiter? Wohl kaum. Es wird Zeit, dass sich die Altparteien aus ihrem Kokon befreien und akzeptieren, dass außerhalb der Poltikblase auch fähige Leute existieren.
Tom
Nov 18. 2016
Schön, dass Sie eine Meinung haben. Die Zeit oder die Lust sich Wissen anzueignen hatten Sie ja offensichtlich nicht. Unter den vier anderen Stadträten ist nicht einer dabei, der nie was anderes als Politik gemacht hätte.
Es geht auch nicht darum, dass Herr Seifert nicht aus dem Politikbetrieb kommen würde, sondern, dass ihn der Bezirk, sein angepeiltes Amt und seine künftigen Behörden ganz offensichtlich nicht die Bohne interessieren.
Aber sorry, ich möchte sie nicht bei Ihrem vorgefertigten Weltbild stören.
Karin Persike via Facebook
Nov 17. 2016
Zurecht, habe ich Niemanden von der alten Parteiengarde gewählt. Die Spielen sich auf, als ob ihnen Alleine Pankow gehört. Sehr demokratisch.
DrWurst
Nov 17. 2016
Mal einige Fakten:
– Herr Seifert hat es in seiner Vorstellungsrede nicht geschafft, überzeugend seine Qualifikationen herauszustellen. Selbst bezüglich seiner jetzigen Tätigkeit konnte er nicht nachweisen, welche Arbeitsgebiete er sich erschlossen und welche Führungserfahrung er gesammelt hat.
– Herr Seifert wirkte in seiner Vorstellung sehr unsouverän. Aussagen, wie „einer muss es ja machen“ und „finanziell ist es eine Verschlechterung“ sind ein „no go“ in einem Vorstellungsgespräch.
– Herr Seifert hat sich in Konfliktsituationen offenbar nicht unter Kontrolle. Dies muss von einer Führungskraft jedoch erwartet werden können.
Daher würde ich es als Bürger in diesem Bezirk begrüßen, wenn die AfD endlich einen qualifizierten Kandidaten vorschlägt.
Sanja Markovic
Nov 21. 2016
Die Überschrift „AfD-Fraktion mit Dauerdurchfall“ ist falsch und für eine sachliche Berichterstattung unangemessen. Treffender wäre gewesen „SPD, Linke und Grüne wollen Seifert weiterhin als Stadtrat verhindern“. Damit wären diese Parteien in der Pflicht gewesen, die Ablehnung gegenüber Herrn Seifert zu begründen. Detaillierte Kenntnisse einer Position kann kein Bewerber in voraus haben. Diese Erfahrung habe ich in meiner 10jährigen Tätigkeit als Personalerin gemacht. Mit der Begründung „Einer muss es ja machen“, kann man sich auch problemlos als Bundeskanzler zur Wahl stellen, wie wir gerade erleben. Also, Olaf Kampmann, schön sachlich bleiben.
Uwe
Nov 21. 2016
Wenn Sie als Personalerin Leute einstellen, die keine Ahnung von der Position haben, die sie einnehmen wollen, ist das ihr gutes Recht. Wenn erfahrene Politiker jemanden nicht dabei haben wollen, der keinerlei sinnvolle Antworten geben kann, ist das deren gutes Recht
Diana Kamps
Nov 22. 2016
Es tut mir leid, aber man bekommt hier den Eindruck, dass alles zur Verhinderung eines Kandidaten getan wird. Sowohl von den Fraktionen, den liebenswürdigen Zuschauern und auch von der Prenzlberger Stimme. So geht Demokratie nicht. Es waren schon so viele Unfähige als Stadträte unterwegs. Da ging es auch mit der Wahl. Wieso nicht noch einer von der AfD?
Rolf
Nov 22. 2016
Sie bekommen hier vielleicht Eindrücke dieser oder jener Art, „man“ jedoch nicht. Demokratie geht genau so, dass das Gremium – hier die Bezirksverordnetenversammlung – frei über die Besetzung des Bezirksamtes entscheidet. Das gilt im Fall Seifert ebenso wie in den Fällen Drosel und Sommer. Anders kann Demokratie gar nicht gehen. Oder wollen Sie etwa, dass einfach beliebige Kandidat*Innen durchgewunken werden? SO ginge Demokratie nicht.
Simone Dietrich
Nov 22. 2016
Also ich finde den Nicolas Seifert sehr Sympathisch. Von allen Leuten in der BVV sieht er sympathischten aus. Außerdem hat er gezeigt, dass er im Zweifelsfall eine Frau beschützen könnte und würde. Dazu ist sein Outfit sehr cool und stilvoll.
Klaus Seibert
Dez 05. 2016
Ich habe mir mal die Biographien verschiedener aktueller und ehemaliger Stadträte der Altparteien angeschaut. Die wenigsten hatten bei Tätigkeitbeginn eine mit Herrn Seifert vergleichbare Berufserfahrung vorzuweisen. Mehr BVV-Erfahrung sicherlich, aber das kann es für einen Stadtrat ja nicht gewesen sein. Insofern fällt der Vorwurf der mangelnden Kompetenz in sich zusammen.
von ODK
Dez 05. 2016
Ich hatte versucht, die berufliche Entwicklung von Herrn Seibert im Internet zu recherchieren. Leider hatte er zuvor seine diesbezügliche Webseite gelöscht. Er wird Gründe gehabt haben…
Bei der Wahl des zum Stadtrat steht jedoch weniger seine bisherige berufliche Tätigkeit im Mittelpunkt, sondern seine Eignung, eine Verwaltung zu führen. Nach übereinstimmender Auskunft aus den verschiedenen BVV-Fraktionen, die Herrn Seifert dazu befragt hatten, fehlten ihm leider jegliche Kenntnisse über die Arbeit eines Bezirksamtes. Dass er sich diese Kenntnisse zuvor nicht selbst angeeignet hat und stattdessen lieber Urlaub machte, ist wohl kaum den Bezirksvérordneten anzulasten