Die Rettung: Spätis zu Tankstellen!


 

Die sogenannten Spätis („Spätverkaufsstellen) – kleine, meist inhabergeführten Läden – haben ein Problem: Das Sonntagsverkaufsverbot.
Seit im Jahr 2006 jeder Supermarkt von Montag bis Samstag rund um die Uhr geöffnet haben darf, ist der Sonntag für sie der zumeist umsatzstärkste Tag. Ohne den Sonntag dürften viele Betreiber jener Geschäfte am Rande ihrer Existenz stehen.

Ist die rechtliche Gleichstellung von Kaufhäusern, Supermärkten und Shoppingmalls auf der einen und den von Inhabern und deren Angehörigen betriebenen Klein-Geschäften in Sachen Ladenöffnungsgesetz schon nicht wirklich einleuchtend, trägt die Ausnahmeregelung für (innerstädtische) Tankstellen nun wirklich bizarre Züge: Solange sich der Lebensmittel-Einzelhandel in einem benzolgeschwängerten Umfeld befindet, dürfen Brot, Wurst und Bier auch am Sonntag über die Ladentheke gereicht werden.

Dennoch kann dieser Passus des Ladenöffnungsgesetzes dazu genutzt werden, die Spätis aus der „Sonntagsillegalität“ herauszuholen. Sie müssen nur zu Tankstellen werden.

Verrückt? Nö.

 

Auch eine Strom-Tankstelle ist eine Tankstelle

Denn um eine Tankstelle zu sein, braucht es schon lange keine Zapfsäulen für Benzin, Diesel und Gas mehr – es reichen ein paar Steckdosen.

Bereits vor 17 Jahren hatte das Oberlandesgericht Dresden in einer Grundsatzentscheidung festgelegt:

„Auch eine sogenannte „Elektro-Tankstelle“ ist eine Tankstelle
im Sinne des Ladenschlussgesetztes.“ (Ss (OWi) 464/01 )

Der Beschluss vom Dezember 2001 geht auf ein Bußgeldverfahren zurück, das die Stadt Leipzig gegen einen Händler angestrengt hatte, der einige „Stromtankstellen“ betrieb, die auch sonntags das ganze Handelssortiment „normaler“ Tankstellen anboten.
Der Geschäftsmann wehrte sich und bekam vor dem Amtsgericht Leipzig Recht. Daraufhin legte die Staatsanwaltschaft beim OLG Dresden Rechtsbeschwerde ein.

Die Dresdener Richter bestätigten das Urteil des Amtsgerichts.

Es bestehe, so das Gericht, nach einhelliger Interpretation in Schrifttum und Rechtsprechung Einigkeit, dass unter „Tankstelle“ grundsätzlich eine Verkaufsstelle zu verstehen ist, die der Abgabe von „Betriebsstoffen und Ersatzteilen für Kraftfahrzeuge“ dient.

Es sei im übrigen

„kein Grund ersichtlich, den Begriff der ‚Betriebsstoffe‘ allein auf Otto- und Dieselkraftstoffe zu reduzieren. Vielmehr sind heutzutage auch andere Antriebsaggregate für Kraftfahrzeuge entwickelt und in Erprobung. (…) Auch die für solche Fahrzeuge notwendigen Betriebsstoffe Wasserstoff, (Erdgas, Bio-Diesel, Strom etc.) sind entsprechend dem Wandel in der technologischen Entwicklung ‚Betriebsstoffe‘, welche die Eigenschaft einer Verkaufsstelle als Tankstelle begründen können.“

Nach Ansicht der Richter muss der „Betriebsstoffverkauf“ auch nicht die Haupteinnahmequelle des Geschäfts sein:

„Der Umsatzanteil des Verkaufserlöses für Betriebsstoff am Gesamtumsatz des Unternehmens hat keinen Einfluss auf die Eigenschaft als ‚Tankstelle‘. (…) Der daneben erlaubte Vertrieb von Reiseartikeln und Zubehörteilen ist gegenüber dem Kraftstoffverkauf grundsätzlich untergeordnet. Jedoch kann die Einstufung einer Betriebsstoff-Verkaufsstelle als ‚Tankstelle‘ nicht davon abhängen, wie groß der Anteil dieses (Zusatz)Angebots am Gesamtumsatz ist.“

 

Umwidmung ohne großen technischen Aufwand

Seit das Dresdener Oberlandesgericht, das seinen als Grundsatzentscheidung „zur Fortbildung des Rechts und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ ansah, verkündete, ist der Anteil an nicht nur an elektrisch betriebenen Autos gestiegen, sondern auch jener an E-Bikes und E-Roller. Für das Aufladen der Zweiräder benötigt man in der Regel lediglich einen normalen 230-Volt-Anschluss, der in jedem Ladengeschäft vorhanden ist.

Eine Tankstelle darf laut Berliner Ladenöffnungsgesetz auch Sonn- und Feiertags geöffnet haben und daselbst neben dem „Betriebsstoff“ auch Ersatzteile und Reisebedarf verkaufen. Zum Reisebedarf zählt das Gesetz unter anderem auch „Lebens- und Genussmittel in kleinen Mengen“ – was so ungefähr dem Angebot der meisten Spätis entsprechen dürfte.
 
 

 

Der Beschluss der OLG Dresden im Wortlaut


 

 

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13 Kommentare zu “Die Rettung: Spätis zu Tankstellen!”

  1. Prima Idee, aber wo sollen die zu ladenden Fahrzeuge parken? Praktikabel dann wohl nur für E-Zweiräder.ment here…

    Reply to this comment
    • von ODK

      Nov 21. 2018

      Genau darum ging es: E-Bikes und E-Roller. Einige Fabrikate haben meines Wissens nach auch herausnehmbare Akkus, die dann im Laden geladen werden können. Die anderen halt vor der Tür.

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  2. Olaf Kampmann von der Prenzlberger Stimme hat mal ein wenig recherchiert, mit einem Grafikprogramm gespielt und einen Lösungsvorschlag für das Sonntagsproblem des LEKR Lebensmittel und anderer ähnlicher Geschäfte skizziert. Was haltet ihr davon?

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  3. haha, coole idee. aber hat das auch schon jemand gemacht?

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    • Darum geht es ja nicht, wenn man sich immer fragt ob das schon jemand gemacht hat, wird es nie etwas, ich könnte mir sogar vorstellen das das Laden von Handys und anderen Accus dazuzählt, also eine „kleine Ladestation“ basteln also 5 kl. Briefkästen und Steckdose rein, Nummer drauf und schon hat man eine „Elektroladesäule“ …

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  4. Ganz vielleicht könnte man dann aus allen Spätis dieser Welt die meterlangen Alkoholregale rauszaubern?

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  5. Coole Idee! Aber wenn schon, dann richtig fortschrittlich und nur Elektrotankstelle für E-Bikes und E-Scooter. So braucht man auch gar keine Parkplätze extra vorhalten, die sonst an dieser Ecke sicher zum Problem würden.

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  6. Gerber

    Jan 27. 2019

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