Rangierbahnhof Pankow: Umkämpfte Brache

BracheBei der Tagung der Bezirksverordnetenversammlung im April wurde den Bezirksverordneten unter anderem vom Bezirksamt eine „Vorlage zur Kenntnisnahme“ bezüglich der Zukunft des Gebietes des ehemaligen Rangierbahnhofes Pankow vorgelegt.

Konkret ging es um die Frage, wieviel Einzelhandel auf der brachliegenden Fläche möglich ist, ohne dass dem Gewerbe im Pankower Hauptzentrum (Berliner Straße, Breite Straße) durch abfließende Kaufkraft Schaden zugefügt werde.
Denn der Unternehmer Kurt Krieger („Möbel-Krieger“, „Möbel-Höffner“) will dort nicht nur ein Möbelhaus zu errichten,

Brache Rangierbahnhof: Pankows größte Investitionsfläche

sondern auch ein Einzelhandelszentrum bauen, das in seinen Ausmaßen etwa dem „ALEXA“ am Alexanderplatz entspricht.

In der Stellungnahme, erklärte das Bezirksamt, dass „ein Einkaufscenter in einer Größe von ca. 40.000 m² mit hauptsächlich zentrenrelevanten Einzelhandelssortimenten (…) weder für die bezirkliche Zentrenentwicklung noch für die Versorgung im Einzelhandel erforderlich (ist).“

Selbst wenn man davon ausginge, „dass diese massive Anhäufung von Einzelhandelsflächen am geplanten Standort am Ende der A 114 kein eigenes urbanes Zentrum bildet, so stellt jedoch der (…) prognostizierte Kaufkraft-
abfluss zumindest für das „vorgeschädigte“ Pankower Hauptzentrum ein erhebliches Entwicklungsrisiko dar. Aus dem Planungsstand und den Zielen der bezirklichen Stadtentwicklung gibt es derzeit keine Veranlassung ein solches Risiko in die bezirkliche Zentrenplanung zu integrieren.“
Allerdings: Das, was die Bezirksverordneten da zur Kenntnis zu nehmen hatten, war zu jenem Zeitpunkt schon Makulatur.


„Zielgerichtete Ansiedlung von förderfähigen Betrieben“

Der Antrag, auf den sich die Stellungnahme des Bezirkes bezog, war schon etwas angejahrt. Er stammte von 2007. Damals war noch die Bahnflächen-Verwertungstochter AURELIS Eigentümerin des Areals. Sie wollte auf dem gelände großdimensionierte Einkaufszentren errichten, scheiterte aber am Widerstand der Bezirksverordneten.

Im seinerzeit von der SPD eingereichten Antrag (siehe Download unten) forderte die BVV „die zielgerich-
tete Ansiedlung von förderfähigen Betrieben im Sinne der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur auf einer Teilfläche und zu diesem Zweck Bereitstellung von Fördermitteln für die Erschlie-
ßung bei Absicherung des öffentlichen Ziels ‚Schaffung von Arbeitsplätzen durch Ansiedlung förderfähiger Betriebe'“

Auch wurde eine „Überprüfung der bisher verfolgten Konzeption zur Ansiedlung von großflächigem Einzelhandel“ verlangt, „insbesondere deutliche Reduzierung der Verkaufsfläche, Beschränkung auf Branchen, die das Pan-
kower Zentrum stärken und Diskussion einer städtebaulich optimierten Lage der Verkaufsflächen.

Die AURELIS sah sich unter diesen Umständen nicht mehr in der Lage, die Immobilie zu entwickeln und verkaufte sie Ende 2009 an Kurt Krieger. Obwohl die Bezirkspolitik sich eindeutig aufgestellt hatte, plante auch er großzügige Einkaufszentren – war aber flexibler in seinen Planungen. So machte er das Angebot, Flächen für eine Schule bereitzustellen, eine Trasse für eine Straßenbahn sollte freigehalten werden und in der Mitte des Areals sollte ein kleiner Park entstehen.
Dennoch änderte sich an der grundsätzlichen Haltung der Bezirksverordneten vorerst nichts.
 

Düpierte Grüne

Erst mit Beginn des Jahres 2011 zeigte sich in der Front der Ablehnung erste Risse. SPD und Linke führten Gespräche über Kriegers Zusagen, luden die Grünen zur Teilnahme ein – aber die lehnten ab: Was zu besprechen sei, solle in der öffentlichen Ausschusssitzung beredet werden und nicht in irgendwelchen Hinterzimmern.

Düpierte Grüne in der Ausschusssitzung: Vom rot-roten Antrag überrumpelt

Bei der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses vom 7. April kam es schließlich zum Eklat: SPD und Linke brachten einen gemeinsamen Antrag (siehe Download) ein, in dem das Bezirksamt nunmehr ersucht wurde, „die Entwicklung des Areals am Rangierbahnhof gemeinsam mit dem Investor weiter voranzutreiben“.

Dass die Planungen des Investors Kurt Krieger „30.000 m² Verkaufsfläche im Bereich Prenzlauer Promenade, einen Möbelmarkt mit 40.000 m² Verkaufsfläche, einen Möbel-Discounter mit 7.000 m² Verkaufsfläche“ beinhalteten, störte die Einbringer des Antrages nicht mehr, von der „zielgerichteten Ansiedlung von förderfähigen Betrieben“ war mit keinem Wort mehr die Rede. CDU und FDP schlossen sich spontan dem Antrag an – und die Grünen waren empört. Zum einen, weil sie in dem Antrag einen Bruch der vorherigen Beschlüsse sahen – zum anderen, weil ihnen der Antrag erst einen Tag vor der Ausschussitzung zur Kenntnis gebracht wurde.

Kurt Krieger: Seinem Ziel ein Stück näher

 

Der Senat hat das letzte Wort

Der bei der Ausschusssitzung anwesende Kurt Krieger hingegen jubilierte und versicherte den Anwesenden: Selbstverständlich werde er seine Zusagen einhalten. Und auch Bürgerbeteiligung werde es geben: Wenn der Ausschuss dem nun vorliegenden Antrag zustimme, könne er gleich morgen seine Mitarbeiter zum Bahnhof Pankow schicken, um dort vor Ort die Bürger zu befragen…
Kriegers Euphorie ist verständlich, denn er hat Probleme – Platzprobleme. Während sein Standort im Wedding längst aus allen Nähten platzt, wurde sein Plan, auf einem stillgelegten Güterbahnhof im Grunewald ein Möbelhaus zu errichten, von den Behörden auf Eis gelegt.

Doch selbst wenn Bezirksamt und BVV in Pankow dem Werben des Möbelgroßhändlers nachgeben sollten, wäre Kurt Krieger noch längst nicht am Ziel. Denn bei diesem Vorhaben hat der Senat des letzte Wort. Und der steht der Sache alles andere als aufgeschlossen gegenüber. Im Gutachten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (siehe Download) wird Kriegers Plan als die schlechteste aller Varianten gebrandmarkt.

Auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird es auf der BVV-Tagung am Mittwoch eine aktuelle Stunde zum Thema Rangierbahnhof Pankow geben.

 

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4 Kommentare zu “Rangierbahnhof Pankow: Umkämpfte Brache”

  1. Steffen Steudel

    Mai 11. 2011

    Bleibt zu hoffen, dass der Senat nicht auch einknickt. Ein Teil des Geländes (parallel zur Damerowstr. z.B.) würde sich sicher auch für Wohnungen eignen. Außerdem besteht doch überhaupt keine Eile, alles zuzubauen. Der Bezirk sollte froh sein, dass er noch so gut gelegene Entwicklungsflächen hat.
    Das Dilemma, dass die gewählten Volksvertreter an den Bürgern vorbei munter machen, was sie wollen, bleibt aber bestehen.

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  2. Jens Peter Franke

    Mai 11. 2011

    Im Gegensatz zu den Grünen befragt und diskutiert die SPD Pankow seit Monaten mit den Anrainern, Bürgern wie Gewerbetreibenden, am Rangierbahnhofsareal. Wir sind es, die eine transparente, über gesetzlich vorgeschriebene Verfahren hinausgehende Bürgerbeteiligung fordern und dies dem Eigentümer auch deutlich gemacht haben. Es war ein erfreuliches Zeichen des Eigentümers des Rangierbahnhofareals, dass er bereits erste Befragungen zur Meinung der Anwohner durchgeführt hat, was sie sich für das Areal erhoffen. Pressemitteilung der SPD Pankow zum Rangierbahnhof: http://spd-alt-pankow.sozi.info/index.php?mod=article&op=show&nr=5471 Die Grünen würden so gern ihren Bürgerbeteiligungs- und Transparenz-GAU in der Kastanienallee ausmerzen, müssen aber erst Google Earth aufrufen, um überhaupt zu erfahren, wo das Gelände in Pankow liegt!

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  3. Grummel

    Mai 12. 2011

    @Jens Peter Francke:

    Was für eine Schmähkritik. Ich wohne in der Nähe des ehem. Rangierbahnhofsgeländes seit über 30 Jahren. Über das Gelände wird mit den Bürgerinnen und Bürgern seit über 5 Jahren gesprochen, schon zu Aurelis-Zeiten. Da sticht jetzt keine Partei besonders heraus, in Heinersdorf war die SPD jedenfalls noch keinen Zentimeter.

    Bürgerbeteiligung allerdings sieht anders aus als das, was die SPD da zu Wahlkampfzwecken jetzt im Schmusekurs mit Krieger veranstaltet, und dabei eigene Vorstellungen und Beschlüsse kassiert.

    Und PS: Bürgerbeteiligung funktioniert auch nicht, wenn man nur dann hinhört, wenn und wo es passt, und man auch das Ergebnis schon beschlossen hat…

    Die Koalition aus SPD,CDU, Linke und FDP (!) – das ist die neue Verwerter-Koalition, oder vll. einfach auch: die Krieger-Parteien. Herzlichen Glückwunsch.

    Schade wärs um das riesige Gelände und das Pankower Zentrum, Mist wäre die dann völlig zugestaute Granitzstr., Prenzlauer Prom., und Heinersdorf.

    So gehts nicht. Und zu dieser Haltung sollten auch SPD und Linke wieder zurückkehren, statt dem Multi Krieger zu hofieren.

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