„Geld ist alles“, sagt Pankows Bezirksbürgermeister Matthias Köhne, der im Bezirk auch für die Finanzen verantwortlich zeichnet. Ohne eine realistische Mittelzuteilung durch den Senat werde die Funktionsfähighkeit der Bezirke – und nicht nur die von Pankow – grundsätzlich in Frage gestellt. Die Personalausstattung der Pankower Verwaltung sei bereits am unteren Rand angekommen, das Durchschnittsalter, betrage fast 50 Jahre, doch Neueinstellungen sind in den Senatsvorgaben für den Bezirk so gut wie nicht vorgesehen.
Eigentlich seien die Zustände in Pankow ja „paradiesisch“: Geringe Arbeitslosigkeit, ein rasantes Wachstum der Bevölkerung… . Doch auch für die Zugezogenen muss vom Bezirk die entsprechende Infrastruktur bereitgestellt werden: Schulen, Kitas, Jugendfreizeiteinrichtungen, Spielplätze. Aber auch das hängt alles wieder mit dem Geld zusammen. Und das kann Pankow nicht selbst erwirtschaften, denn die meisten Einnahmen, die im Bezirk als Steuern und Gebühren gezahlt werden, wandern in den großen Topf des Landes Berlin.
Herr Köhne, in den Haushaltsplanungen des Bezirkes Pankow klafft für das kommende Jahr eine Lücke von rund fünf Millionen Euro. Wie soll die geschlossen werden?
| Wir wussten bereits seit diesem Frühjahr, dass das schwierig werden wird, denn wir haben im April die Mitteilung bekommen, wie viel Geld uns der Senat für 2012 zur Verfügung stellen wird. Daraufhin mussten wir feststellen, dass zum Erhalt des gegenwärtigen Niveaus vier Millionen Euro fehlen. Durch Veränderungen, die es im Laufe des Sommers gegeben hatte – technische Fortschreibungen, erhöhte Ausgaben bei den Bewirtschaftungsausgaben – müssen wir jetzt davon ausgehen, dass mit den bisher geplanten Zuweisungen durch den Senat rund fünf Millionen Euro fehlen.
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Wie wollen Sie den Fehlbetrag ausgleichen?
| Das ist in dieser Größenordnung eigentlich nicht machbar. Wenn man das umrechnet, wäre das der Gegenwert von 130 Personalstellen. Wenn man die einsparen würde, dann hätte man die fünf Millionen ungefähr zusammen. Das können wir verantwortlich nicht machen, denn die Personalausstattung ist bereits jetzt am untersten Rand angekommen. Das merken auch die Bürgerinnen und Bürger, die in den Wartezimmern immer länger darauf warten müssen, dass ihre Anträge bearbeitet werden. Das kann so nicht funktionieren.
Wir müssen also sehen, wie wir das Geld woanders zusammenkratzen.
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Und wo soll gekratzt werden?
| Wir haben drei große Problembereiche im Haushalt. Das sind erstens die Transferausgaben in den Bereichen Jugend und Soziales, und zwar die Erziehungs- und Eingliederungshilfen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Hilfeempfänger unter möglichen Einsparungen nicht leiden, gleichzeitig aber die Gelder zielgenauer verwenden. Hier gibt es ein System, wo viel Geld für freie Träger verausgabt wird. Das muss nicht sein. Wir müssen da ein strengeres Controlling einführen.
Der zweite Bereich sind die Immobilienkosten, die auch durch die Bewirtschaftungsausgaben immer größer werden. Da stehen wir vor der grundsätzlichen Frage, ob wir sie so, wie wir sie bisher nutzen, auch weiterhin nutzen wollen. Oder wollen wir Gebäude abgeben, können wir sie abgeben – oder können wir andere Nutzungsmodelle finden.
Angegangen werden muss, drittens, auch das dauernde Defizit im Bereich Kultur. Dort wurden 1,4 Millionen Euro mehr ausgegeben, als zur Verfügung standen. Das ist Geld, welches bisher immer von anderen Bereichen ausgeglichen wurde. Das funktioniert so nicht mehr, weil eben auch die anderen Bereiche arg unterfinanziert sind. Deshalb muss es im Kulturbereich erhebliche Anstrengungen geben, um dieses Defizit abzubauen.
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„Zielgenaueres“ Ausgeben von Sozialtransferleistungen, die – wie auch immer gestaltete – Aufgabe von bezirkseigenen Grundstücken und Einschnitte in die Kultur: Ist damit dem Pankower Haushalt wirklich aufzuhelfen?
| Das ist die interne Strategie. Dann gibt es noch eine gemeinsame Strategie aller Bezirke gegenüber dem Senat. Wir haben bereits im Frühjahr, als uns die Zuweisungen mitgeteilt wurden, eine einheitliche Position dazu bezogen. Denn das ist kein Pankower Problem, diese Unterfinanzierung. Der Rat der Bürgermeister hatte einstimmig Mehrforderungen in der Höhe von 111,7 Millionen Euro an den Senat gestellt. Die Beratungen darüber sind im Sommer wegen der bevorstehenden Wahl abgebrochen worden. Der Senat hatte dann einen Haushaltsplan beschlossen, der die Forderungen der Bezirke überhaupt nicht berücksichtigte.
Mit der Neubildung des Senats wird es auch neue Haushaltsberatungen geben. Und da wird es notwendig sein, dass die Bezirke noch einmal deutlich ihre Stimme erheben und dafür sorgen, dass zusätzliches Geld in die Bezirksverwaltungen fließt. Weil die Bezirke sonst ausgetrocknet und an der langen Hand verhungern werden. Im Kern ist diese dauerhafte Unterfinanzierung ein Angriff auf den Fortbestand der bezirklichen Verwaltung.
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Was, wenn der „Angriff“ Erfolg hat? Werden die Bezirke dann aufgelöst?
| Sie werden zunächst einmal nicht mehr funktionsfähig sein. Wenn Sie sich alleine die Personalausstattung ansehen – und die Personalentwicklung. Wir haben bei uns im Bezirksamt ein Durchschnittsalter von knapp 50 Jahren. Immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen in Pension. Wir haben allein in diesem Jahr 25 Personen, die altersbedingt ausscheiden. Für Neueinstellungen von außen sind aber nur 6,48 Stellen vorgesehen. Es gibt also eine große Diskrepanz zwischen Personalzugang und Personalabgang. Wenn sich das nicht ändert, dann wird der Personalkörper irgendwann nicht mehr arbeitsfähig sein. Und da sind wir gar nicht mehr so weit weg davon, weil es zufällig passiert, wo die Menschen ausscheiden, das ist nicht gezielt gesteuert. Für die Arbeitsfähigkeit des Bezirksamtes ist es aber notwendig, die Personalstärke zu halten und in einigen Bereichen vielleicht sogar auch aufzustocken.
Und: Wenn dem Bezirk stets aufs Neue eine Unterfinanzierung vorgelegt wird, müssen bezirkliche Angebote aufgegeben werden. Machen wir das nicht, wird der Schuldenberg immer größer. Bestimmt neunzig Prozent der Angelegenheiten, die Bürgerinnen und Bürger direkt mit dem Staat, zu regeln haben, wird in den Bezirken erledigt. Und das öffentliche Ansehen, das damit den Bezirken widerfährt… – wir haben das im Sommer erlebt: Da hat der Finanzsenator gesagt, die Bezirke seien unfähig, die Bürgerämter zu organisieren. Und warum sind sie unfähig? Weil der Senat zu wenig Geld gibt, und zu wenig Personal, um die Ämter auszustatten, um überhaupt in der Lage zu sein, dies vernünftig zu organisieren. So kann man die Bezirke austrocknen. So kann man in der Öffentlichkeit auch Stimmung gegen die Bezirke machen. Wenn das Bürgeramt nicht funktioniert, wenn die Bibliothek geschlossen ist, wenn ein Antrag auf Wohngeld oder andere Leistungen nicht so funktioniert, wie er funktionieren sollte, denn kriegen die Bürger das mit und dann steigert das auch den Unmut gegenüber den Bezirken.
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Wie sieht es denn mit den Einnahmen des Bezirkes aus? Kann man nicht auf der Einnahmeseite dafür sorgen, dass mehr Geld in die Bezirkskasse fließt?
| Die Einnahmeseite ist erheblich verbessert worden, insbesondere durch die Parkraumbewirtschaftung. Wir werden im laufenden Jahr rund drei Millionen an Einnahmen haben, die wir im vorigen Jahr nicht hatten. Und natürlich sind wir immer bestrebt zu schauen, wo Einnahmesteigerungen tatsächlich möglich sind. Aber die Parkraumbewirtschaftung wurde nicht aus haushälterischer Sicht eingeführt. Da standen verkehrspolitische Aspekte im Vordergrund. Und da müssen wir erstmal sehen, ob das überhaupt funktioniert hat. Es gibt schon Untersuchungen für mögliche Ausweitungen der Bewirtschaftungszonen, auch darüber, ob dabei noch weitere Einnahmen hereinkämen. Das ist aber nicht der Punkt. Da lege ich immer Wert drauf, dass das keine Haushaltsangelegenheit war, die Parkraumbewirtschaftung. Dass das natürlich einen schönen Nebeneffekt hatte, will ich nicht verschweigen.
Aber was sollten wir darüber hinaus tun? Sollten wir zusätzliche Gebühren erheben? Es gibt hier keine Möglichkeiten der Bezirke, eigenständig Gebühren festzusetzen. Das ist landesweit festgelegt durch die einheitlichen Gebührenordnungen. Da ist in der Regel nicht viel zu machen für die Bezirke. Wir werden nicht an den Einnahmen der Gewerbesteuer beteiligt. Das geht alles in den großen Haushalt. Indirekt sind wir natürlich dann doch beteiligt: Wenn das Geld vom Land wieder zurückfließt. Aber beim Rückfluss wird nicht geprüft, wie viel Geld kommt jetzt aus den Unternehmen der einzelnen Bezirke, auf dass es dann wieder in die einzelnen Ursprungsbezirke zurückfließt. Das passiert nicht. Die Einnahmesituation ist also nicht groß zu verbessern. Wir können keine eigenen Steuern einführen. Wir können höchstens noch weitere Grundstücke veräußern beziehungsweise veräußern lassen. Aber auch dort haben wir schon realistische Veranschlagungen. Wir nehmen im Jahr 1,5 bis 2 Millionen Euro aus den Grundstückserlösen ein. Ich sehe keine großen Möglichkeiten, hier noch Einnahmesteigerungen zu erzielen.
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Im zweiten Teil des Interviews erzählt Matthias Köhne unter anderem, ob er Spenden für die Weltbürgerparkstiftung sammeln würde und wo er neue Formen der Bürgerbeteiligung ausprobieren möchte. ===>