Nach dem Beschluss des Stadtentwicklungsausschusses der BVV Mitte vom 13.Juni über die Änderung der Bebauungspläne am Mauerpark ist die Empörung groß und allseitig. Von einem Überraschungscoup der SPD-CDU-Zählgemeinschaft ist die Rede. Nur, überraschend kommt das alles nicht.
Die Pläne zur Bebauung der Flächen, die seit 1994 im FNP als Grün ausgewiesen und zur Hälfte seit 1993 für den Mauerpark vorgesehen waren, haben eine lange Geschichte. Bereits Baustadträtin Dorothee Dubrau (Grüne) und der ihr nachfolgende Ephraim Gothe (SPD) haben solche Bauplanungen gemeinsam mit der CA Immo AG (früher Vivico Real Estate) entwickelt. Der 2010/11 durchgeführte städtebauliche Wettbewerb und der darauf basierende Aufstellungsbeschluss für den B-Plan I-64 des Bezirkes Mitte sahen diese Bebauung noch intensiver und großflächiger vor. Diese Planung wurde von der SPD auf Landes- und Bezirksebene sowie den Grünen in Mitte getragen. Die CDU in Mitte und Pankow ging vor den Wahlen 2011 auf Distanz. Einzig die LINKE in Mitte und Pankow und im Abgeordnetenhaus hat über all die Jahre eine Neubebauung dieser Flächen grundsätzlich abgelehnt und sich für einen großen Mauerpark von der Bernauer Straße bis zum Nordkreuz eingesetzt.
Widerstand brachte Deal zum Straucheln
SPD und Grüne (Mitte) wollten eine „Erweiterungsfläche“ für den Mauerpark beim Grundstückseigentümer gegen zig Millionen Euro schwere Baurechte eintauschen. Es gab ein zähes Feilschen um die Verschiebung von Baumassen: jeder Quadratmeter mehr Grün an der einen Stelle wurde abgegolten mit mehr Baumasse an anderer Stelle. So kam es auch zu jenen 58.000 m2 BGF auf einem Baufeld nördlich des Gleimtunnels. Der massive Widerstand der Bevölkerung, der seinen Niederschlag auch in den tausendfachen Einwendungen zum B-Planentwurf von Ephraim Gothe fand, brachte die Umsetzung des großen Deals vor der Wahl parteipolitisch ins Straucheln: Die CDU wollte nicht mitmachen und die Grünen waren verunsichert und bekrittelten Details.
Nach der Wahl und mit dem neuen Personal an der Spitze der Stadtentwicklungsverwaltung kam Bewegung in die Sache. Staatssekretär Gaebler verkündete, dass das Land Berlin nun bereit sei, die 2 bis 3 ha Fläche zur Befriedigung der Forderungen des Fördergebers Allianz-Umweltstiftung zu kaufen. Das war ein Befreiungsschlag, der dem Land und dem Bezirk Mitte neuen Handlungsspielraum eröffnete und zur Befreiung aus der Abhängigkeit von der CA Immo AG hätte genutzt werden sollen.
Verwertungsinteressen des Immobilienhändlers dominieren
Doch weit gefehlt. SPD und CDU, gestützt von Grünen und Piraten beglückten die CA Immo AG im Frühjahr diesen Jahres mit einer Gewinn-light-Variante: keine Bebauung im Süden, sondern Verkauf an die ansässigen Gewerbetreibenden, anschließend Grünfläche für den Park, gekauft von Berlin und auf der Nordfläche Baurechte für eine halbierte Baumasse für die CA Immo AG.
Diese Beschneidung des Profits ging nun der CA Immo AG offensichtlich doch zu weit. So wurde der frühsommerliche Überraschungscoup von SPD und CDU kreiert, mit dem auf der Wohnbaufläche nördlich des Gleimtunnels die Bebauungsdichte aus dem Städtebaulichen Wettbewerb und dem B-Plan-Entwurf nun doch ermöglicht wird. SPD und CDU bewegen sich damit in der Logik des bisherigen Dealens, nur rückwärts.
Der verbreitete Aufschrei resultiert zum einem wohl daraus, dass nunmehr auch für den letzten Treugläubigen deutlich geworden ist, dass auch an diesem besonderen Ort Berlins die Verwertungsinteressen des Immobilienhändlers die Stadtgestaltung dominieren. Diese Binse führt zur Empörung, weil sie dem Bürger so frech unvermittelt zugemutet wird.
Hinzu kommt, dass dieser rot-schwarz Betoncoup an Gemeinschädlichkeit seine Vorgänger noch überbietet. Darin ist Klaus Mindrup weitgehend beizupflichten. Jetzt soll nicht nur dem Grundstückseigentümer durch ein gewinnbringendes Baurecht ein hoher Spekulationsprofit ermöglicht werden, sondern dieser soll jetzt auch noch öffentlich garantiert, – quasi gegen die Unbilden eines Planverfahrens mit Bürgerbeteiligung quasi versichert werden. Mindrup rechnet vor, dass man für ein Grundstück, das heute vielleicht 12 Mio. € Wert ist, vertraglich 120 Mio. € Ertrag zu garantieren beabsichtigt und damit bei einer im Planverfahren halbierten Baumasse sich absehbar Schadensersatzforderungen von 50 Mio. € und mehr aufhalst.
Mauerpark schrittweise weiterentwickeln
Nur, stellt sich damit auch die Frage, warum die Stadt Berlin überhaupt der CA Immo AG Baurechte verschaffen will? Und so kommt dann Klaus Mindrup unweigerlich zu der einzig richtigen Schlussfolgerung, das Land Berlin sollte die Gesamtfläche gemäß den gemeindlichen Interessen überplanen und der CA Immo AG zum heutigen Wert abkaufen. Ob das tatsächlich 12 Mio. € sind, ist angesichts der Altlasten und der aktuellen Nutzungsfähigkeit fraglich.
Das Land Berlin könnte dann den Mauerpark schrittweise weiterentwickeln. Es könnte auf der südlichen Sonderfläche langjährige Pachtverträge mit den Gewerbetreibenden abschließen und so den Kaufpreis teilweise refinanzieren bzw. auch zukünftig Einnahmen für die Parkpflege generieren. Auf der nördlichen Fläche könnte Berlin nach sofortiger Öffnung der Wegeverbindungen zum Humboldthain das Gewerbe schrittweise auslaufen lassen und so auch hier noch Einnahmen erzielen.
Bei einer solch schrittweisen Entwicklung des Mauerparks würden sich die Anwohner und Nutzer aktiv in die Planung und Herstellung einbringen, – mit Ideen, Muskelkraft und auch Spenden. Vielleicht findet Christian Gaebler noch den Mut zu diesem zweiten vernünftigen Schritt.
Zwischenüberschriften: Prenzlberger Stimme
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Heiner Funken: „Schlimmer gehts (n)immer!“
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Kommentar
Jun 25. 2012
Bevor die Senatsverwaltung (übermorgen?) zur Vernunft kommt, schafft morgen das Bezirksamt Mitte, in einer fortgesetzten Kamikaze-Aktion, per BA-Beschluss im Mauerpark B-Plan-Tatsachen. Berliner Politik gesteuert von Investoren, hinter verschlossenen Türen.
Tom
Jun 26. 2012
Schön, dass hier die Politiker neuerdings Wahlwerbung für ihre Parteien machen dürfen. – Ach ja, die CDU fehlt noch!
Dr.Snider
Jun 27. 2012
Mauerpark war mal cool, anfang der 90er. Baut den Scheißhaufen zu. Baut jede verdammte Lücke zu.
Schön wer nicht im Pberg leben muß!
Name (erforderlich)
Jun 27. 2012
Wozu eigentlich Grünflächen im Pberg?
Wird doch eh alles von den Köterviechern zugeschissen.
Oder wer traut sich heute noch barfuß über eine Wiese zu gehen?
Thomas
Jun 28. 2012
widerliche, parteitaktische Perspektive. Wünsche mir im Gegenzug einen „Gastartikel“ von CA Immo. Schlimmer, nur aus der anderen Perspektive, kann das auch nicht sein.