Als am Sonntag gegen 17.30 Uhr das Ergebnis der Mitgliederbefragung feststand, war die Überraschung perfekt: Von den 339 SPD-Mitgliedern, die sich an der Befragung beteiligt hatten, stimmten 132 für die Wilhemsruherin Leonie Gebers. Erst mit erheblichem Abstand folgten ihre Prenzlauer Berger Konkurrenten Klaus Mindrup (101 Stimmen), Roland Schröder (69 Stimmen) und Severin Höhmann (31 Stimmen).
Die Abstimmung, zu der 1.191 stimmberechtigten Pankower Genossen aufgerufen waren, stand am Ende eines zum Teil heftig geführten innerparteilichen Wahlkampfes.
Dass sich das Rennen um die Aufstellung zur Bundestags-
wahl zwischen der Kandidatin der “Nordabteilungen” Leonie Gebers und dem Favoriten des Pankower Parteivorstandes Klaus Mindrup entscheiden würde, zeichnete sich seit einiger Zeit ab – ein so klares Ergebnis aber hatte kaum jemand erwartet.
Als Leonie Gebers im Oktober vergangenen Jahres nach einigem Zögern ihren Hut in den Ring warf, schienen ihre Chancen eher gering. Drei Herren aus Prenzlauer Berg – Klaus Mindrup, Severin Höhmann und Roland Schröder – hatten da bereits ihre Ansprüche auf die Wahlkreiskandi-
datur angemeldet.
Der erste war Klaus Mindrup. Bereits zu Beginn des Jahres 2012 zogen Emissäre der SPD-Abteilung (Ortsverein) “Kollwitzplatz, Winskiez, Kastanienallee” durch die Pankower Gliederungen, um die Stimmungslage für ihren Abteilungsvorsitzenden auszuloten. Das Echo war geteilt: Während man in Prenzlauer Berg und Pankow Süd durchaus Zustimmung signalisierte, überwog zwischen Niederschönhausen und Buch die Skepsis.
Vorstandsfavorit und „Königsmörder“ versus „kleines Übel“
Sie wurde nicht geringer, als Klaus Mindrup ohne Absprache mit Wolfgang Thierse – jedoch mit dem Wissen von Pankower Parteivorständlern – öffentlch seinen Anspruch auf den Wahlkreis des damals im Urlaub befindlichen SPD-Mandatsträgers erhob.
Ein klassischer „Königsmord“, denn nach Mindrups Vor-
preschen war klar, dass Thierse in in der Pankower SPD keinen Rückhalt mehr hatte. So klagte der düpierte Thierse in einem Brief an den SPD-Kreisvorsitzenden Alexander Götz, in dem er seinen Abschied aus der aktiven Politik bekannt gab: „… dass sich schlecht erfolgreich Wahlkampf machen lässt, wenn sich einige, wichtige Mitglieder des Kreisvorstandes bereits seit längerem auf einen Nachfolger verständigt haben, weil ’nun endlich auch mal jemand anderes dran sei …’“.
Während die Mindrup-Fraktion der bald darauf folgenden Kandidatur-Ankündigung von Severin Höhmann – einem ehemaligen Mitarbeiter Thierses – gelassen entgegen sah, schien dem Vorstandsfavoriten mit der Wortmeldung des ebenfalls aus Prenzlauer Berg kommenden Roland Schröder ein ebenbürtiger Konkurrent zu erwachsen.
Beide konnten langjährige kommunalpolitische Erfahrung in der Bezirksverordnetenversammlung vorweisen, beider Hauptbetätigungsfelder sind Stadtentwicklung und Wohungspolitik – und im Gegensatz zu Mindrup zu konnte Schröder sogar mit einem merkbaren Anteil von Stimmen aus dem Norden des Bezirkes rechnen.
Doch nicht etwa deshalb, weil er dort die Beliebtheits-Charts im Sturm erobert hätte. “Mindrup verhindern” war die damals vielfach zu hörende Devise: Roland Schröder war in den Augen nicht weniger Nord-Genossen lediglich das “kleinere Übel”.
Das Blatt wendete sich, nachdem die Pankower Nord-SPD mit Leonie Gebers eine eigene Kandidatin präsentierte. Jene Stimmen aus den Nord-Abteilungen, auf die Roland Schröder bis dahin hoffen konnte, waren nun für ihn verloren.
Mobilisierung für eine Unbekannte
Zwar war die Mitarbeiterin des Fraktionsvorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und ehemaligen Generalsekretärs der SPD Hubertus Heil außerhalb ihres Ortsvereins in Wilhelmsruh, in dem sie stellvertretende Vorsitzende ist, in der Pankower SPD bisher keine bekannte Größe, doch die Pankower Nordabteilungen witterten ihre Chance.
Neben den zahlreichen Vorstellungsveranstaltungen in den fünfzehn Pankower SPD-Abteilungen machten sie und ihre Nord-Pankower Unterstützer nun auf fast allen Kanälen mobil.
Waren auch die Pankower SPD-Mitglieder bisher eher nicht dafür berühmt, bei Mitgliederbefragungen die Abstimmungs-
lokale in Massen zu überrennen, so setzten die Nord-Sozis dennoch auf die Mobilisierung der eigenen Basis. Nicht zuletzt durch persönliche Gespräche und Anschreiben wurde bei den sich oft von den Prenzlauer Berger Genossen übergangenen gefühlten Sozialdemokraten zwischen Niederschönhausen, Blankenfelde und Buch die Hoffnung genährt, es „denen im Süden“ nun endlich mal zu zeigen.
Von Vorteil war da die Briefwahl, die es den fernab vom Prenzlauer Berger Abstimmungsort Wohnenden ermöglichte, bequem ihr Votum von zu Hause aus abzugeben. Eine recht erkleckliche Anzahl von Stimmen gimg so bereits vor dem Sonntag der Entscheidung im Kreisbüro der Pankower SPD ein.
Im Internet gabs Wahlwerbung satt. Sowohl Klaus Mindrup, als auch Leonie Gebers sicherten sich dabei zahlreiche mehr oder weniger prominente Befürworter ihrer Kandidaturen.
Heftig wurde es zuweilen, wenn der Schlagabtausch der Anhänger der Kandidatur-Aspiranten direkt via Facebook ausgetragen wurde.
Als beispielsweise Bezirksbürgermeister Matthias Köhne seine Unterstützung für Leonie Gebers auch auf seinem privaten Facebookprofil veröffentlichte und zur Begründung schrieb, die Bewerberin stehe „zum Glück mit beiden Beinen mehr im wirklichen Leben als in der Partei“, kam die Reaktion prompt: In Anspielung auf Gebers berufliche Tätigkeit im Bundestag wurde ihr vorgeworfen, sie lebe ja von Parteigeldern und stünde eben deshalb nicht „mit beiden Beinen im Leben“.
Frauenrechtlerinnen mit Hang zu höherem Blödsinn und Männermandat
Auch der Hinweis, dass das Gehalt von Bundestagsmitarbeitern aus Steuermitteln finanziert wird, brachte lediglich weitere „Argumente“ zu Vorschein: „Dann ist es doch schön, wenn die anderen drei Kandidaten Steuern zahlen für die Leute, die hier voll im Leben stehen…“
Ein Lehrstück darüber, was vorgeblich hehre und tief verinnerlichte Ideologien wert sind, wenn sie Machtfragen und eigenen politischen Interessen im Wege stehen, führte ungewollt die bekennende Feministin Sabine Röhrbein auf.
Die BVV-Vorsteherin, die beruflich als Geschäftsführerin des Landesfrauenrates und ehrenamtlich unter anderem als stellvertretende Vorsitzende der Berliner Arbeitsgemein-
schaft sozialdemokratischer Frauen unterwegs ist, kämpft zum Beispiel vehement dafür, dass Straßen ganzer Stadtviertel ausschließlich nach Frauen benamst werden.
Zusammen mit ihrer politischen Ziehtochter und Nachfol-
gerin im Amte der SPD-Fraktionsvorsitzenden in der Pankower BVV Rona Tietje, ist sie sich auch nicht zu schade dafür, die Bezirksverordnetenversammlung mit solch höherem Blödsinn wie der Forderung nach Einrichtung von „gendergerechten“ Kinderspielplätzen zu behelligen.
Solange es um die Rettung der vom Patriachat in bezirklichen Buddelkästen brutal unterdrückten Vierjährigen ging, stand beider feministischer Einsatz außer Frage: Prinzipienfest bis zum Lachkrampf aller Umstehenden.
Nur als die wohl eher nebensächliche Frage zu entscheiden war, ob die SPD als einzige etablierte Partei im Wahlkreis eine Frau aufstellen sollte, fiel den Damen nicht viel mehr ein, als jener Satz, den auch noch der letzte „Chauvi“ aus dem Sprüchebeutel holt: „Muss ich Frauen meine Stimme geben, weil sie Frauen sind?…“
Man darf sich darauf freuen, wie beide Politikerinnen künftig ihr „gender“-politisches Engagement begründen werden, ohne Gefahr zu laufen, ihre eigene Argumentation um die Ohren gehauen zu bekommen.
Die Würfel sind gefallen
Genutzt hatte das den Mindrup-Befürwortern ebenso wenig, wie der eine oder andere kleine Regelverstoß, so beispielsweise das Auslegen von Werbezetteln mit der Kennung der Arbeiterwohlfahrt (AWO).
Der Parteisouverän hat gesprochen – und das Ergebnis ist mehr als deutlich.
Zwar muss noch eine am 23. Februar tagende Delegiertenversammlung formal ihre Wahl zwischen der Erstsplatzierten und dem Zweiten treffen – doch eine Revision der so eindeutig gefallenen Mitgliederentscheidung sollte eigentlich außerhalb der realen Möglichkeiten stehen.
Sollte es wider erwarten dennoch dazu kommen, wäre die Pankower SPD-Direktkandidatur in einem Maße beschädigt, dass die Partei auf die Aufstellung eines eigenen Direktkandidaten auch gleich ganz verzichten könnte.
Weitere Artikel zum Thema:
Pankower SPD-Wahlkreiskonferenz kürt Zweiten zum Bundestagskandidaten
Nummer Vier ist eine Frau
SPD Prenzlauer Berg: Doppelklatsche für Wolfgang Thierse
Der Dritte
SPD Pankow: Noch’n Kandidat
Wolfgang Thierse will nicht mehr
Klaus Mindrup will Wolfgang Thierse beerben