Als Letzte in den Ring gestiegen, gegen drei wahlkampf-
erfahrene Herren angetreten – und alle hinter sich gelassen.
Vor der Mitgliederbefragung der Pankower SPD war Leonie Gebers außerhalb ihres Ortsverbandes kaum jemand bekannt. Doch nur innerhalb nur weniger Wochen stand sie unangefochten an der Spitze in der Gunst der zur Mitgliederbefragung aufgerufenen Genossen.
Das offenbart eine Fähigkeit zur Mobilisierung, die die SPD Pankow offenbar nicht zu benötigen scheint. Wie sonst sollte die Wahl des von der Basis auf Platz Zwei verwiesenen Kandidaten Klaus Mindrup zu verstehen sein?
Passend dazu die von Torsten Schneider, Vorsitzender der SPD-Abteilung Alt-Pankow und Parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion im Abgeordnetenhaus, dargebrachte Begründung, entscheidend sei, dass die „politische Schnittmenge“ beim Kandidaten stimme – so, als wäre in der Fröbelstraße schon über einen sicheren Platz im Bundestag befunden worden, für den man bloß noch die passende Person sucht.
Das Gegenteil ist der Fall.
Chancen nur noch im Norden
Bereits im Sommer vergangenen Jahres wurde dem Pankower Kreisvorstand auf einer internen Klausurtagung mittels einer Wähleranalyse die prekäre Situation der Pankower SPD bei den kommenden Wahlen vor Augen geführt.
Danach galt Prenzlauer Berg als weithin verlorenes Gebiet: Auf Grund der sich durch Zuzug weiter verändernden Bevölkerungsstruktur, so die Darlegungen, verschieben sich dort auch die politischen Präferenzen weiter hin zu Grün und Piraten-Orange.
Der hoffnungsvollere Teil der Nachricht lautete damals: Richtig Stimmen holen könnten die Sozialdemokraten noch zwischen Niederschönhausen und Buch. Also genau dort, wo die sogenannten Nordabteilungen der SPD und die Basis-Favoritin Leonie Gebers zu Hause sind.
Dass die von einem Prenzlauer Berger Zirkel dominierte Pankower Parteiführung (sowohl der Vorsitzende, als auch seine drei Stellvertreter kommen aus Prenzlauer Berg; ebenso sechs der zehn Beisitzer) ihre Genossen aus dem Norden derart düpieren, ist rational nicht mehr nachzuvollziehen und eigentlich nur noch „historisch“ zu erklären.
Denn entstanden sind die Rivalitäten vor über einem Jahrzehnt nach dem Zusammenschluss der drei Kreisverbände Weißensee, Prenzlauer Berg und Pankow im Zuge der Bezirksreform.
Ost-West, Nord-Süd
Da der Gentrifizierungsprozess in Prenzlauer Berg natürlich auch die Zusammensetzung der dortigen SPD-Gliederungen betraf, änderte sich mit dem weitgehenden „Austausch“ der Bevölkerung des Stadtteils auch die örtliche Mitgliederstruktur. Dominierend war nun der aus Nord-, West- und Süddeutschland zugezogene Mittelstand.
Solange sich dies nur im einstigen Kreisverband Prenzlauer Berg abspielte, blieben zumindest größere Verwerfungen unter den Mitgliedern aus.
Doch mit der Fusion der drei zuvor selbständigen Kreisverbände Weißensee, Pankow und Prenzlauer Berg zur über 1.500 Genossen zählenden „SPD Nord-Ost“ sah sich die „alte Garde“ der einstigen DDR-SPD-Gründer – repräsentiert unter anderem durch Helmut Hampel, Ralf Hillenberg und Alex Lubawinski – zunehmend an den Rand gedrängt.
Die daraus entstandenen Rivalitäten firmierten aber nicht etwa als Konflikt „Zugezogene versus Alteingesessene“, sondern seltsamerweise als Auseinandersetzung zwischen „linken“ und „rechten“ Sozialdemokraten.
Rechts-Links, Lechts-Rinks
Was aber an den Prenzlauer Bergern im Vergleich zu den Nordpankowern besonders „links“ sein sollte, erschließt sich dem außenstehenden Betrachter nicht immer in Gänze.
Es sei denn, man ordnet die vom nunmehr gewählten Basis-Zweiten Klaus Mindrup vehement vertretene Schließung der Seniorenbegegnungsstätte Stille Straße samt des von ihm favorisierten Verscherbelns jenes Grundstückes durch den Liegenschaftsfonds als „links“ ein und deutet die mehrfachen demonstrativen Besuche eines Helmut Hampel bei den betagten Hausbesetzern tatsächlich als ein Ausdruck einer besonderen „rechts“sozialdemokratischer Gesinnung…
Sollte etwa das Füttern privater Immobilieneigner zu Lasten des Berliner Landeshaushaltes – wie es mit der nicht zuletzt von Klaus Mindrup befürworteten Anmietung eines neuen Bezirksamtsgebäudes an der Prenzlauer Promenade geplant war – den Inbegriff „linker“ Politik darstellen? Oder war es eher das klägliche Scheitern beider Projekte inclusive der höchst fehlerhaften Prognose, dass nämliches Scheitern den finanziellen Ruin Pankows zur Folge haben würde? Man weiß es nicht.
Westentaschenputsch zur „Schadensabwendung“
Mit der Bauaffäre um den Nord-Frontmann Ralf Hillenberg verschärfte sich die innerparteiliche Auseinandersetzung weiter.
Seinen einstweiligen Höhepunkt erreichte der Nord-Süd-Machtkampf Anfang 2011, als der in Prenzlauer Berg ansässige Kreisvorsitzende Alexander Götz überraschend als Gegenbewerber zu dem von den Nordabteilungen mit großer Mehrheit für ihren Wahlkreis zum Abgeordnetenhaus-Kandidaten nominierten Torsten Hofer antrat und die Abstimmung in der prenzlauer-berg-dominierten Kreisdelegiertenversammlung dann auch erwartungsgemäß gewann.
Besonders pikant war Götz‘ Begründung für diesen Westentaschenputsch: Er habe mit seiner Kandidatur Schaden von der Partei abgewendet. Welcher Art der Schaden gewesen sein könnte, ließ er allerdings im Dunkeln.
Als Alexander Götz später seine Kandidatur auf Grund einer beruflichen Neuausrichtung zurückgab und an seine Stelle der ehemalige Pankower Bürgermeister Alex Lubawinski trat, hätte dies der Anfang für eine – sicherlich langwierige – Aussöhnung sein können.
Konfrontation verschärft
Doch die wurde mit dem offensichtlichen Affront bei der Kür des Bundestagskandidaten nachhaltig beschädigt. Und spätestens seit der mehrfachen öffentlichen Demütigung des einstigen SPD-Aushängeschildes Wolfgang Thierse kann auch das von den Prenzlauer Berger Genossen stets strapazierte Rechts-Links-Schema nicht mehr greifen. Es sei denn, man verortet nun den Altmeister ebenfalls in der rechten Ecke der Sozialdemokratie.
Fortgeführt wurde der innerparteiliche Konfrontationskurs mit der demonstrativen Nichtdelegierung zur Landeswahlkonferenz des bis vor kurzem noch von allen Strömungen akzeptierten Alex Lubawinski. Auch dieser Akt entzieht sich der Rechts-Links-Betrachtung.
Vielmehr scheinen die die Pankower SPD dominierenden Prenzlauer Berger in eine Art Machtrausch verfallen zu sein, der ihnen den Blick auf die Realitäten verstellt.
Bescheidene Chancen selbst noch einmal beschnitten
Denn mögen sie auch die Mehrheit innerhalb des Kreisverbandes besitzen, die nötigen Wählerstimmen sind für die Sozialdemokraten – siehe oben – vor allem im Norden zu holen. Aber dort wäre eine Mehrheit schon längst kein Selbstläufer mehr, sie müsste tatsächlich errungen werden.
Wie groß die Lust der dortigen Basis auf einen engagierten Wahlkampf nun sein wird, kann sich jeder Sägewerksarbeiter an den drei Fingern seiner linken Hand abzählen.
Nimmt man dann noch den erheblichen Erklärungsbedarf, den die in Nordpankow recht zahlreich ansässigen älteren Bürgern gerade gegenüber einem Klaus Mindrup bezüglich der Causa „Stille Straße“ haben dürften, hinzu und addiert das alles mit dem allgemeinen Ansehensverlust der SPD ob des Dauerdesasters namens „Berliner Großflughafen“ , dürften die Chancen der SPD auf einen Erfolg bei der Direktwahl doch recht überschaubar bleiben.
Aber manchmal bedarf es wohl eines deftigen Absturzes, um wieder zur Besinnung zu kommen.
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