Mein 9.11.1989 beim Rat des Stadtbezirks Prenzlauer Berg

bartsch

 

Ab 1988 war ich Stadtbezirksrat für Stadttechnische Versorgung, Verkehrs- und Nachrichtenwesen in Berlin Prenzlauer Berg, mit dem Mandat der LDPD. Zu den Aufgabenbereichen der Abteilung gehörte die Verbindung zu den großen Leitungsträgern (Elektro, Gas, Wasser und Telefon), den Verkehrsträgern (DR und BVB). Mir waren alle Kohlehändler (22), Kfz.- Werkstätten und 2 Pferdefuhrunternehmen unterstellt. Zu der Abteilung gehörte die Kohlenkartenstelle und die Antragsstelle für Gas (Gamat). Außerdem war der Umweltschutz, Sperrkommission (Straßensperrung wegen Bauarbeiten) und die Straßensondernutzung bei mir angesiedelt.

 

Aktuelle Situation November ’89

Währen der Stadtbezirksrat für Inneres seit 1 – 2 Wochen abends unterwegs war, um mit den Ordnungskräften rund um die Gethsemanekirche, Schönhauser Allee und umliegende Gebiete die Lage in den Griff zu bekommen, leisteten die anderen Stadtbezirksabteilungen weiter normal ihre Arbeit. Die Bürger wollten Wohnungen, Kohlenkarten, beschwerten sich über mangelnde Dienstleistungen und machten Eingaben.

Am Abend das 9.11. sah ich die Pressekonferenz von Günter Schabowski und sagt zu meiner Frau: „Bis das in unserer Verwaltung durchgestellt wird, vor morgen passiert bestimmt nichts.“
Da ich in Niederschönhausen wohnte, bekam ich nichts weiter mit. Am Morgen, auf dem Weg zur Arbeit, wunderte ich mich, warum an der Kreuzung Schönhauser Allee/Bornholmer Str. so viel Verkehr war. Allerdings hatte ich in den Nachrichten schon von der Grenzöffnung gehört.

Im Rathaus Fröbelstraße rief der Bürgermeister Wolfgang Schulze uns Stadträte in den Sitzungssaal. Er teilte uns noch einmal die Grenzöffnung mit. Er sah ziemlich mitgenommen aus ( alter FDJ-Kader) und sein einziger Kommentar war: „Geht bitte nicht in Prenzlauer Berg über die Grenze“ !!!

 

Wie ging es weiter

Die Kommunikation mit den übergeordneten Dienststellen brach ab. Der Bürgermeister erfuhr aus den Nachrichten, wo eine neue Grenzöffnung erfolgen soll, aber nicht wer die Mauer wegräumt.

Der Baustadtbezirksrat sagt nur: Was soll ich machen, meine Leute sind im Westen. Die ersten Genossen Stadtbezirksräte traten aus der SED aus oder verließen ohne Ansage den Arbeitsplatz.

Aus dem Jahr der 750-Jahrfeier Berlins hatten der Oberbürgermeister und der regierende Bürgermeister eine Bezirkspartnerschaft abgesprochen. Der Partnerbezirk von Prenzlauer Berg war Kreuzberg. Die Wochen nach der Grenzöffnung war telefonieren zwar möglich, aber man kam nicht durch. Der Bürgermeister kam zu mir, da ich als ehemaliger Außenhändler über Auslandserfahrungen verfügte, ob ich mal nach Kreuzberg fahren könnte. OK.

Die Ostberliner Stadtpläne hatten ja für Westberlin einen weißen Fleck. Ich hatte mir 2 Jahre vorher in Budapest eine Karte von ganz Berlin gekauft. Also nach Hause Karte geholt, fix bei der Versicherung eine Auslandsversicherung geholt und ab nach Kreuzberg in die Gneisenaustr. Den Pförtner nach dem Büro des Bürgermeisters gefragt, angeklopft und ich stand im Sekretariat. Ich stellt mich vor und die Sekretärin schaute mich an, als wenn ich der Mann vom Mond bin. Der Bürgermeister Herr König war auch anwesend und ich konnte einen Termin für meinen Bürgermeister vereinbaren. Es folgten gemeinsame Sitzungen der beiden Stadträtegruppen. Im weiteren fingen wir an, den Umbau bzw. Umstrukturierung unseres Bezirksamtes auf Westberliner Organisationsform. Mit dem Ergebnis, dass die neuen gewählten Verordneten und die dann gewählten Stadträte arbeitsfähige Abteilungen vorfanden.

Dazwischen lagen die Wahlen zur Volkskammer und zu den Kommunalvertretungen. Da der zuständige Mann für die Wahl seinen Posten verlassen hatte, bekam ich die Aufgabe des Wahlleiters zusätzlich. Auf Grund der Situation in Prenzlauer Berg war es relativ einfach, rund 100 Wahlvorstände zu bilden. Problem waren die Kabinen, es gab nur 100. Dankes werter Weise halfen uns die Kreuzberger aus ihrem Bestand aus.

Zwischenzeitlich kamen u.a. Senatsbeauftragte um die Bösebrücke (Bornholmer Straße) und die Straßen im dortigen Grenzgebiet zu begutachten. Es gab keine Karten. Glücklicherweise hatte meine Mutter noch eine von vor den Krieg, so das man sich zurecht fand.

Im Herbst 1990 verließ ich das Bezirksamt.

 

Heute sitze ich mit dem Mandat der Piratenpartei als Bezirksverordneter in der BVV Pankow und unsere Ausschüsse tagen im selben Raum, im dem ich vor 25 Jahre in der Stadtbezirksräterunde schon einmal saß.

 



2 Kommentare zu “Mein 9.11.1989 beim Rat des Stadtbezirks Prenzlauer Berg”

  1. Klaus Adler via Facebook

    Nov. 11. 2014

    Eine ganz harmlose Blockflöte (LDPD) !

    Reply to this comment
  2. will bolle

    März 11. 2015

    So weit mir bekannt, waren alle Stadtbezirksräte STASI- verpflichtet.
    Sollten die „Piraten“ mal von der Gauckbehörde prüfen lassen!

    will

    Reply to this comment

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