Die radix-blätter. Ein Berliner Untergrundverlag 1986-1989

 

Der BrotfabrikKulturwagen tourt im Jubiläumsjahr 2019 (30 Jahre Friedliche Revolution und 30 Jahre Mauerfall) mit einem Stück lebendiger und spannender Zeitgeschichte der DDR-Opposition durch den Berlin Bezirk Pankow (16. Mai – 31. Oktober). Erster Standort ist der Hof vor dem Museum Pankow, es folgen Kollwitzplatz und Breite Straße/Ecke Ossietzkystraße.

 

Themen, die sonst nicht öffentlich diskutiert wurden

Die Ausstellung „ÜBER DAS NEIN HINAUS. Die radix-blätter“ erzählt anhand von Texten, Fotografien, Tonaufnahmen und Objekten die Geschichte der radix-blätter, die exemplarisch für die
konspirativen Untergrundverlage- und Druckereien stehen, die seit den 1980er-Jahren Jahren in privaten Wohnungen und Ladengeschäften Ostberlins nicht-systemkonforme Texte und Kunstwerke vervielfältigten und verbreiteten.

Es erschienen mehr als hunderttausend hektografierte Seiten, die in der ganzen DDR verbreitet wurden, ohne dass der Geheimdienst es verhindern konnte. 136 Autoren setzten sich – nicht anonym, sondern unter ihrem Namen – in den radix-blättern mit Themen auseinander, die in der DDR sonst nicht öffentlich diskutiert werden konnten, Themen, die heute immernoch aktuell sind: Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit, alte und neue Nazis, das Verhältnis der Deutschen zu Osteuropa, die Mauern im Kopf, die Strukturen von Macht, Herrschaft und Gewalt – und der Wert von Demokratie.

Die radix-blätter versuchten unterschiedliche (Gegen)Stimmen zur geistigen, kulturellen und politischen Situation in der Spätphase der DDR zu vereinen und dabei „einen Diskurs von Opposition und Kunst anzustoßen.“

 

Status: Illegal. Sitz: Prenzlauer Berg

Stephan Bickhardt, ein junger Theologie- und Pädagogikstudent, gründete 1986 gemeinsam mit dem Mathematiker Ludwig Mehlhorn und Konrad Blank den radix-Verlag mit einer illegalen und bis zum Ende der DDR unentdeckte Druckerei in der Ferdinandstraße 4 (später Knaackstraße 34) in der bis 1989 elf Samisdathefte mit einer Auflagenhöhe von jeweils bis zu 3.000 Exemplaren herausgegeben wurden.

„Radix“, ein lateinisches Wort bedeutet Quelle, Ursprung oder Wurzelgeflecht – Bedeutungen, die zwischen 1986 und 1989 in der DDR zum Programm dieses Untergrundverlages wurden. „Dialog und Öffnung“ werden zu dessen Leitbegriffen und Zielen. Der Verlagsname geht auf das gleichnamige Gedicht von Paul Celan zurück, dem auch das erste Heft unter dem Titel „Schattenverschlüsse. Zu Paul Celan“ gewidmet war. Ludwig Mehlhorn startete mit dem Verlag anlässlich des 25.Jahrestages des Mauerbaus eine Initiative gegen die Systemabgrenzung der DDR, bei der Tausende von Flugblättern gedruckt und in den „Aufrissen“ thematisiert wurden.

 

Schaffung „gesellschaftlicher Parallelstrukturen“

Dem Verlag standen zwei Ormig-Abzugsgeräte, die mit Spiritus-Matrizen arbeiteten, eine Legemaschine mit Handabzug und ein Fotokopierer zur Verfügung. Derartige Geräte privat zu besitzen oder zu benutzen war strafbar ebenso der Besitz von Papier und Wachsmatrizen.

Ziel war es eine Öffentlichkeit politisch zu mobilisieren und langfristig eine Kirche als politische Gegenkraft aufzubauen. Durch Schaffung von „gesellschaftlichen Parallelstrukturen“ sollten sie zur Systemüberwindung beitragen und eine alternative Öffentlichkeit etablieren.

 

Bis 30.6. 2019: im Hof des Museums Pankow, Kultur- und Bildungszentrum Sebastian Haffner,
Prenzlauer Allee 227/228, 10405 Berlin, Täglich geöffnet von 10 – 18 Uhr, nicht am 30.5., 6./7.6., und 10.6.19

Zur Ausstellung erhältlich: „Fenster zur Freiheit – Die radix-blätter. Untergrundverlag und –druckerei der DDR-Opposition“ von Peter Wensierski. Mitteldeutscher Verlag, 240 S. s/w Abb. Preis: 20 €

 



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