„Dienstag…, Mittwoch…, Donnerstag…“ – Flüchtlingskrise in der BVV

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Gleich neun Mal stand das Thema Flüchtlinge auf der Tagesordnung Sitzung der Pankower Bezirksverordnetenversammlung vom Mittwoch. hinzu kamen sechs „Vorlagen zur Kenntnisnahme“ .

In einem Dringlichkeitsantrag der CDU-Fraktion ging es um die Mitsprache des Bezirks bei der Auswahl der Standorte für sogenannte „Wohnplätze in modularer Bauweise“. Der Berliner Senat hatte in der vergangenen Woche rund 50 mögliche Standorte für diese Minisiedlungen öffentlich gemacht, in denen 450 bis 500 Menschen untergebracht werden sollen. Elf davon befinden sich im Bezirk Pankow.

CDU-Fraktionsvorsitzender Johannes Kraft kritisierte die Häufung der ins Auge gefassten Standorte im Bezirk Pankow. Vor allem, dass im Ortsteil Buch ein solcher Modularbau angesiedelt werden soll, fand das Missfallen des Fraktionschefs. „Natürlich müssen die Menschen untergebracht werden“, sagte Kraft, aber in Buch mit seinen 18.000 Einwohnern gebe es bereits eine bestehende und eine geplante Flüchtlingsunterkunft. Für die Integration jener Flüchtlinge, die auf Dauer bei uns bleiben wollen, so Kraft weiter, sei aber eine dezentrale Unterbringung wichtig.
Als Beispiele für geeignete Standorte nannte er den Blankenburger Pflasterweg und das ehemalige Kreiskulturhaus Weißensee in der Berliner Allee.
 

Bürgermeister Köhne: „Modularbauten sind dezentrale Unterbringung“

Bezirksbürgermeister Matthias Köhne erklärte, dass die öffentlich gewordenen Standorte noch keine endgültige Entscheidung der Landesregierung darstellen. Vielmehr sei dies ein „Zwischenstand“. Das Pankower Bezirksamt werde auf seiner Sitzung am kommenden Dienstag selbst Standorte benennen und sie dem Senat übermitteln.
Grundsätzlich begrüßte Köhne die geplante Errichtung der Modularbauten. Sie kämen nur ein Jahr zu spät. Köhne: „Jede modulare Unterkunft sind zwei bis drei belegte Sporthallen weniger“.

Im Gegensatz zu den bisher genutzten Wohncontainern seien die nun geplanten Bauten dauerhaft und könnten fünfzig oder hundert Jahre stehen. Dies seien dann keine Sammelunterkünfte mehr, sondern Wohnungen. So bestehe denn auch die Möglichkeit, nach einem Abebben des Flüchtingszustroms, die Bauten anderweitig, etwa als Studentenunterkunft, zu nutzen. Daraus zog Köhne den messerscharfen Schluss: „Modularbauten sind eine dezentrale Unterbringung“.

 

Rat der Bürgermeister erwägt Verfassungsklage

Scharf kritisierte der Bezirksbürgermeister die fehlende Kommunikation seitens der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales mit dem Bezirk bei der Inanspruchnahme von Sporthallen für Notunterkünfte:„Ich bin auch irgendwann an dem Punkt, wo man nur noch fassungslos alle zwei Wochen eine neue Situation zur Kenntnis nimmt.“ Und das laufe dann meistens so: „Dienstags gibt es eine Pressekonferenz, am Mittwoch steht es in der Zeitung und am Donnerstag wird der Bezirk informiert.“ Das, so Köhne, sei ein Skandal.

Das Ignorieren der Bezirke ist nach den Worten des Bezirksbürgermeisters mittlerweile der Normalfall. So hätte der Rat der Bürgermeister angeboten, seinerseits Vorschläge für Standorte in den Bezirken zu machen. Eine Reaktion der zuständigen Senatsverwaltung erfolgte bisher aber nicht. Auch auf die bisher von Pankow unterbreiteten Alternativ-Vorschläge zur schnellen Flüchtlingsunterbringung, wie etwa in einem ehemaligen Altenheim in Buch oder einem Plattenbau an der Paul-Heyse-Straße habe die Senatsverwaltung bisher nicht reagiert.

Der Pankower Bezirksbürgermeister äußerte die Befürchtung, dass der Senat die Gelegenheit nutzen wolle, eine umfassende Entmachtung der Bezirke voranzutreiben. Die im Windschatten der Flüchtlingskrise von der Landesregierung geplante Änderung des sogenannten „Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes“, das die Eingriffsrechte des Senats regelt, sei ein tiefer Einschnitt in die Rechte der Bezirke. Der Rat der Bürgermeister erwäge deshalb vor das Berliner Verfassungsgericht zu ziehen.

 

Hallen für den Vereinssport von Privatanbieter anmieten

Ein Bild der Hilflosigeit bot Schul- und Sozialstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz, als es um die Sporthallensituation im Bezirk ging. Vier Veranstaltungen dazu habe sie bereits absolviert, mit Elternvertreter und in Schulen. Ihr sei es langsam peinlich, immer wieder sagen zu müssen, „ich weiß nicht, was ich machen soll“.

Bereits im November habe sie den Staatssekretär für Bildung kontaktiert, um mit ihm nach einer Lösung zu suchen – bis heute habe Sie auf ihr Anliegen keine Antwort erhalten. Auch habe sie versucht, Zeiten in der Schwimmhalle im Thälmannpark für den Schulsport freizubekommen. Erst habe es keinen zuständigen Ansprechpartner gegeben, als dann dann doch einer ausgemacht war, schickte der lediglich eine Mail mit der entsprechenden Preisliste im Anhang zurück.

Eine ebenfalls im November gestellte Anfrage an den Staatssekretär für Sport sei bis heute nicht beantwortet worden. Lioba Zürn-Kasztantowicz: „Wenn man in einen Wald hineinruft kommt zumindest ein Hall zurück. Ich habe immer mehr das Gefühl, dass hinter dem Wald eine große Wüste ist, wo sich dann das Rufen irgendwie verliert.“

Auch bei den Sportvereinen, so Zürn-Kasztantowicz weiter, sei die Lage dramatisch. Ihnen laufen die Mitglieder davon, einige sehen sich bereits in ihrer Existenz bedroht. Sie habe den Vereinen, die auf Grund der Witterung nicht mehr draußen auf den Sportplätzen trainieren und spielen können, nun angeboten, ihr privat geführte Sporthallen zu nennen, in denen sie ihr Training absolvieren könnten. Das Bezirksamt werde dann für die Kosten aufkommen. Sie hoffe, das später mit dem Senat verrechnen zu können.

 

Kostenloses Parken für freiwillige Helfer? Muss erst einmal ausführlich beraten werden. Demnächst…

Für nicht durchführbar wurde ein Antrag der CDU-Fraktion befunden, das seit über zehn Jahren leerstehende und vor sich hin rottende ehemalige Kreiskulturhaus Weißensee an de Berliner Allee als Unterkunft für Flüchtlinge zu nutzen.
Die zuständige Stadträtin Christine Keil stellte klar, dass sich das Gebäude in einem Zustand befinde, die eine solche Nutzung ausschließe. So seien dort die sanitären Anlagen nicht mehr zu nutzen, auch die seien die elektrischen Anlagen narode. Eine Herrichtung der Immobilie würde vier Millionen Euro kosten, die der Bezirk nicht habe.
 
Einen etwas bizarren Verlauf nahm die Diskussion um einen Antrag des Vorsitzenden des BVV-Verkehrsausschusses Wolfram Kempe (Linksfraktion). Darin wurde wurde das Bezirksamt aufgefordert, für die Belieferung der Notunterkünfte entsprechende Ladezonen einzurichten sowie ehrenamtlichen Unterstützer, die in Unterkünften innerhalb der Parkraumbewirtschaftungszonen tätig sind, schnell und unbürokratisch mit sogenannten „Gästevignetten“ zum kostenlosen Parken auszustatten. Die Menschen, so Kempe, die ehrenamtlich in den Notunterkünften arbeiten, nehmen schließlich Aufgaben wahr, die eigentlich Aufgaben des Staates sind.

Das nun rief den Bezirksverordneten Roland Schröder (SPD) auf den Plan, der die Ansicht vertrat, dass die meisten freiwilligen Helfer sowieso aus dem unmittelbaren Wohnumfeld kämen und deshalb gar kein Auto zur Anfahrt benötigen. Daher bestehe ein „erheblicher Diskussionsbedarf“, der Antrag müsse daher im Verkehrsausschuss erst einmal beraten werden.
Piraten-Fraktionär Jan Schrecker hielt dagegen, dass eine schnelle Lösung gefragt sei. Die nächste Bezirksverordnetenversammlung finde aber erst Ende Januar statt. Man möge den Antrag jetzt beschließen – reden könne man dann immernoch.
CDU-Fraktionschef Johannes Kraft fand das wenig einleuchtend: Man könne nicht erst etwas beschließen um danach darüber zu diskutieren. Er habe die Hoffnung, dass das Bezirksamt schon wegen der Debatte zu Thema sich selbst Gedanken zu dem Problem mache. Darüber hinaus gebe es doch auch „informellem Wege, dafür zu sorgen, dass dort zum Beispiel mal eben keine Knöllchen verteilt werden“.
Daraufhin Kempe: „Die Hoffnung, dass das Bezirksamt auf Grund einer Debatte selbst anfängt zu arbeiten… – sollte man nicht aufgeben.“
Immerhin: der zuständige Bezirksstadtrat Torsten Kühne berichtete, dass er in zwei Fällen bereits tätig geworden ist und er auch für weitere Anfragen offen sei.

Der Antrag wurde mit Mehrheit zur Beratung in den Verkehrsausschuss überwiesen.

 

 



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