Berliner Landesrecht für San Francisco? Senator Geisel gab einen Jahresausblick

geisel

 

Aller Wahrscheinlichkeit nach werden in Pankow weniger Flüchtlingsunterkünfte in „modularer Bauweise“ errichtet werden, als ursprünglich vorgesehen. Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) erklärte am Montag, auf seiner Jahrespressekonferenz, noch in dieser Woche werde ein „politisch überarbeitetes“ Konzept vorgestellt, in dem die 60 Standorte der Unterkünfte endgültig festgelegt sind. Hierbei sei nun auch auf eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Unterkünfte über die gesamte Stadt geachtet worden.

In einer im Dezember öffentlich gewordenen Auswahl von 50 möglichen Standorten war Pankow gleich elf Mal vertreten. Die in ungleiche Verteilung rief auf der Dezembersitzung der Pankower BVV bei einigen Bezirksverordneten Unmut hervor.

 

Lieber teuer als schnell

Mit den Modularbauten, die im Gegensatz zu den bisher zum Einsatz gekommenen Wohncontainern eine Lebensdauer von 100 Jahren zugeschrieben wird, sollen Plätze für 24.000 Flüchtlinge geschaffen werden.
Ausgestattet werden sie nach den Standards der Gemeinschaftsunterkünfte – mit Schlafräumen, Gemeinschaftsräumen und Gemeinschaftsküchen. Einige vollwertige Wohnungen sollen an jedem Standort ebenfalls vorhanden sein – für Flüchtlingsfamilien.

Auch sollen die Modulbauten mit einem Aufzug versehen werden, damit sie, so Senator Geisel, später als Seniorenwohnungen genutzt werden können. Da die Häuser als Typenbauten genehmigt werden, muss nicht jedes Haus einzeln geprüft. Das spart Zeit. Ziel sei es, so der Senator, die Flüchtlinge so schnell wie möglich aus den Notunterkünften in Sporthallen und Hangars des Flughafen Tempelhof herauszubekommen.

Fast 40.000 Euro wird so ein modularer Wohnplatz im Schnitt kosten. Für 24 000 Flüchtlinge wären das 950 Millionen Euro. Doch für Modulbauten stehen bisher nur 180 Millionen Euro zur Verfügung.
Obwohl mit der Errichtung der Unterkünfte bereits in einigen Wochen in Marzahn-Hellersdorf begonnen werden soll, wird das Gesamtprojekt nach den Angaben von Senator Geisel erst im Herbst 2017 vollendet sein.

 

Keine Beschlagnahme von zweckentfremdeten Wohnraum

Das Irritierende an diesem Mammutprogramm ist, dass es in Berlin nicht wirklich einen großen Mangel an Gemeinschaftsunterkünften gibt, sondern dass jene Unterkünfte quasi blockiert werden von Flüchtlingen, die bereits ein Anrecht auf ein eigene Wohnung haben, aber keine finden. Dadurch entsteht ein „Rückstau“ in den Notunterkünften, der wiederum zur Belegung der Hallen und Hangars geführt hat.

Der ließe sich eigentlich sich preiswerter und schneller auflösen.

Laut Senator Andreas Geisel sind derzeit rund 6.300 Wohnungen gemeldet, die als Ferienunterkunft zweckentfremdet werden. Nach der 2014 erlassenen Zweckentfremdungsverbotsverordnung haben die Betreiber noch bis zum 30. April eine Schonfrist – danach müssen die Wohnungen dem Wohnungsmarkt wieder zur Verfügung stehen.

Den schnelle und kostensparenden Weg zu einer angemessenen Unterbringung der Flüchtlinge – die Beschlagnahme jener nach dem Stichtag nicht wieder ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführten Wohnungen – lehnt der Senator jedoch ab. Die Begründung kann angesichts der menschenunwürdigen Zustände in den Sporthallen und Hangars gar nicht anders als zynisch klingen: „Ich bin dagegen, Wohnungssuchende und Flüchtlinge gegeneinander auszuspielen.“
 

Berliner Verordnung für San Francisco?

Seitens des Senats werden mindestens noch weitere 10.000 illegal genutzte Wohnungen vermutet, die von den Eigentümern nicht angezeigt wurden. Als Indiz nannte Geisel die zahlreichen Angebote auf den einschlägigen Internetportalen.
Denen will der Senator nun mit einer speziellen Einsatzgruppe auf den Pelz rücken, die die Bezirke beim Aufspüren illegaler Ferienwohnungen unterstützen soll. Um deren Arbeit zu erleichtern, sollen die Webseitenbetreiber verpflichtet werden, die Eigentümer der angebotenen Wohnungen anzugeben. Namentlich nannte Geisel den Marktführer Airbnb.

Dumm nur dass das Unternehmen in San Francisco zu Hause ist und also nicht dem Berliner Landesrecht unterliegt. Auf einen entsprechenden Hinweis antwortete Geisels Sprecher Martin Pallgen der Prenzlberger Stimme: „Sollten wir es dann gleich sein lassen, nationale Regelungen durchzusetzen? Das Safe-Harbour-Urteil aus dem letzten Jahr hat gezeigt, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht schutzlos US-amerikanischen Konzernen ausgeliefert sind.“

Schön dass man mal drüber geredet hat…
 

Würfeln als Planungsersatz

Auch sonst hieß es für den Stadtentwicklungssenator „Klotzen statt Kleckern“. Zumindest, was die Ankündigungen betrifft.

50.000 Wohnungen sollen in den kommenden Jahren an zehn verschiedenen Standorten entstehen. Wann genau, ist noch unklar. Denn erst fünf Orte sind überhaupt erst gefunden, die andere Hälfte muss noch gesucht werden.

Unter den bereits Feststehenden befindet sich das Gelände des Flughafens Tegel. Der Airport kann aber erst dann geschlossen, abgerissen, von Altlasten entsorgt und schließlich bebaut werden, wenn das Milliardengrab in Schönefeld seinen Betrieb aufgenommen haben sollte. Wann das sein wird – 2017?   2018?   2025? – wer will darüber ernsthaft eine Prognose abgeben?

Bemerkenswert ist auch die offenbar zuweilen fehlende Übersicht, die der Stadentwicklungssenator an den Tag legte.

Schon als die Senatsverwaltung im Herbst 2014 die Pankower Bezirkspolitik damit überraschte, in der am Stadtrand gelegenen Elisabethaue mal eben auf die Schnelle 5.000 Wohnungen hinzustellen, sah das eher nach Würfeln, denn nach einer schlüssigen Planung aus.

Zwar wurde auch die Gegend um den Blankenburger Pflasterweg, wo seit Jahr und Tag die Ruinen ehemaliger Polizeikasernen vor sich hin rotten, auf einer damals dem Bezirk überreichten Skizze als „Kernaufgabe“ mit entsprechenden „Entwicklungsvorhaben“ dargestellt – Priorität hatte aber aus unerfindlichen Gründen jene nur unter großem Aufwand an den ÖPNV anzuschließende und an einem Landschaftsschutzgebiet befindliche Fläche am Rande der Stadt.

Daran hat sich bis heute offenbar nichts geändert.

 

Erstaunliche Konfusität

Auf die Frage der Prenzlberger Stimme, warum in Pankow erst einmal j.w.d (janz weit draußen) gebaut werden soll, anstatt die naheliegenden Flächen (Blankenburger Pflasterweg) an die bereits befindliche städtische Bebauung anzuschließen, breitete sich auf dem Gesicht des Senators eine große Ratlosigkeit aus. Blankenburg? Pflasterweg? Nie gehört…

Auch Geisels umtriebiger Sprecher Martin Pallgen wusste damit nichts anzufangen. Nein, davon ist nichts bekannt.
Erst als er wieder in die heimische Verwaltung zurückgekehrt und eine schriftlichen Nachfrage vorfand, wurde er doch noch fündig:

„Es geht um ein Sowohl-als-auch, nicht um ein Entweder-oder“, antwortete Pallgen nun. „Auch der Blankenburger Pflasterweg soll entwickelt und mit einer Mischnutzung aus Wohnen, Gewerbe und soz. Infrastruktur geplant und realisiert werden. Im letzten Jahr wurde eine Machbarkeitsstudie erarbeitet, mit dem Ergebnis eines städtebaulichen Konzeptes im Auftrag der BIM und dem Bezirk. Parallel gibt es auch Gespräche mit der HOWOGE, die einen Großteil des Wohnungsbaus realisieren soll. Es bedarf eines B-Planverfahrens und die Erschließung stellt noch eine Herausforderung dar.“

Das beantwortete zwar nicht die Frage nach der seltsamen Prioritätensetzung (auch die Elisabethaue stellt eine große, wenn nicht größere Herausforderung dar), vermittelte aber immerhin das beruhigende Gefühl, dass in einem geordneten (Verwaltungs)Haushalt nichts verloren geht.

 

Flüchtlingsinseln als Siedlungskerne

Auch die vorgesehene Art der Entwicklung der künftigen Großbaustellen mutet seltsam an.
Noch bevor die Planungen für die künftigen Großsiedlungen überhaupt erste Konturen aufzeígen könnten, soll in einem Sofortprogramm an den ausgewählten Standorten Unterkünfte „Pionier-Wohnungsbau für Flüchtlinge“ stattfinden. Gemeint sind in einfacher Bauweise errichtete Kleinsiedlungen. die auf der Grundlage eines vereinfachten Baurecht realisiert werden sollen, das extra für Flüchtlingsunterkünfte geschaffen wurde. Sie sollen den „Nukleus“, den Kern der künftigen Wohngebiete darstellen, die dann um die bis dahin einsam in der Landschaft herumstehenden Flüchtlingssiedlungen gebaut werden.

Unklar scheint, wo diese „Kernsiedlungen“ auf die Schnelle hochgezogen werden sollen.

Auf dem Rollfeld in Tegel dürften sie derzeit eher störend wirken und für die Elisabethaue schloss der Senator – zumindest für dieses Jahr – einen „Nukleus“ aus.
Dennoch könnten Kritiker darin einen Versuch des Senats sehen, bei umstrittenen Projekten wie zum Beispiel den Buckower Feldern oder eben der Elisbethaue mittels „vereinfachtem Baurecht“ und einer Instrumentalisierung der Flüchtlingen ein normales B-Plan-Verfahren zu umgehen.
 

 

Mauerpark: Weil es so lange dauert, kann ich nicht sagen, warum es so lange dauert…

Bemerkenswertes war – wenn auch erst auf Nachfrage – in Sachen Mauerpark zu hören.
Nachdem im vergangenen Jahr durch das Haus Geisel nördlich des Gleimtunnels Baurecht geschaffen wurde, hätte die westliche Erweiterungsfläche laut dem im Jahr 2012 zwischen dem Eigentümer CA Immo und dem Land Berlin abgeschlossenen Mauerparkvertrag („Land für Baurecht“) per 1. Januar eigentlich an das Land Berlin übertragen werden müssen.

Wurde sie aber nicht.

Der Weddinger Teil ist nach wie vor das Eigentum des Immobilienunternehmens CA Immo. Laut Senator Geisel liegt das daran, dass vor der Überschreibung des Areals noch der Status des Gleimtunnels geklärt werden muss.

Nach Informationen der Prenzlberger Stimme gibt es zwischen den Eigentümern, den Bezirken Mitte und Pankow sowie dem Land Berlin Meinungsverschiedenheiten darüber, wer den nun künftig die Verantwortung für den Gleimtunnel tragen soll.
Das ist kein Streit um des Kaisers Bart, sondern eine handfeste, millionenschwere Angelegenheit. Denn das denkmalgeschützte Brückenbauwerk ist desolat, die Sanierungskosten wären erheblich.
Schon vor Jahresfrist erklärte Pankows Stadtentwicklungsstadtrat Jens-Holger Kirchner gegenüber der Prenzlberger Stimme: „Das ist eine Zeitbombe, die da tickt und ein Millionengrab, das dort schlummert.“

Das Problem ist also seit langen bekannt. Auf die Frage, warum die Zuordnung des Gleimtunnels nicht rechtzeitig geklärt wurde, beantwortete Geisels Sprecher Martin Pallgen so: „Die Gespräche der Gebietsübertragung laufen noch, deswegen kann ich mich zurzeit nicht öffentlich dazu äußern.“

 

 



Kommentar zu “Berliner Landesrecht für San Francisco? Senator Geisel gab einen Jahresausblick”

  1. Christian Strahl

    Jan 19. 2016

    Das Land Berlin und die Bezirksämter müssen gar nicht nach Sam Francisco fliegen, um Eigentümer von Wohnungen in Pankow zu ermitteln. Jeder Bezirk hat ein Vermessungsamt, das für alle Grundstücke (und jede einzelne Eigentumswohnung) über die Eigentümerdaten verfügt. Bei Veränderungen erfolgt eine Information durch das Grundbuchamt direkt an das Vermessungsamt. Auch beim Grundbuchamt beim zuständigen Amtsgericht direkt könnte die Behörde natürlich recherchieren.
    Welche Wohnung genau jeweils angeboten wird, kann man einfach zweifelsfrei über entsprechende Buchungen ermitteln.

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