Ist es an der Zeit, Arbeitsgruppen zu bilden? Oder besser doch in großer Runde weiterdiskutieren? Sollen Vertreter der Betroffenengruppen gewählt werden, die dann sondieren und Vorschläge erarbeiten? Eine halbe Stunde geht das hin und her. Sebastian Mücke hält sich für nicht legitimiert: „Ich kann mich doch nicht selbst zum Sprecher aller Geschäftsleute machen.“
Stadtrat Jens-Holger Kirchner hält dagegen: „Beim letzten Mal hatten Sie uns hier die Haltung von über dreißig Gewerbetrei-
benden der Kastanienallee übermittelt. Ich war beeindruckt. Und jetzt können Sie nur für sich selbst sprechen?“ Moderator Heiner Funken: „Wir brauchen Strukturen, ein Gerüst“.
Nachdem beim vorangegangenen Treffen die Diskussion zerfaserte und praktisch ergebnislos beendet wurde, sollte nun schon im Vorfeld für eine Gesprächsstruktur gesorgt werden: Jedem Beteiligten wurde vorab eine „Tagesord-
nung“ übermittelt.
Nach der Eröffnung durch Heiner Funken erhält Ordnungs-
stadtrat Jens-Holger Kirchner das Wort. Er stellt eine Annäherung zwischen Bezirksamt und AG Carambolage fest. Kirchner: „Wir sind nicht mehr weit auseinander.“ Was letztlich bedeutet, dass die durchgehende Struktur der Bordsteinkanten erhalten werden kann, und nicht mehr durch die als „Parktaschen“ bezeichneten Einbuchtungen als Zickzack-Linie geführt werden soll.
Die sieht unter anderem vor, mit einer Absenkung der Bord-
steine das Parken auf bestimmten Plätzen eines verbreiter-
ten Bürgersteiges zu ermöglichen.
Auch bei einem weiteren Kritikpunkt an der Bezirksamtspla-
nung signalisiert er Entgegenkommen: Auf dem sogenann-
ten Fahrrad-Angebotsstreifen könnte ein Halteverbot aus-
gesprochen werden, so dass ein Blockieren des Streifens durch haltende Autos ausgeschlossen wird.
Darüber hinaus wäre er bereit, einen zweiten Radstreifen auf den Gleisen zu markieren: „Es wäre ein Experiment zur Entschleunigung der Straße, wenn die Tram die Radler nicht mehr einfach ‚wegbimmeln‘ kann.“
Sebastian Mücke zeigt sich „überrascht darüber, was nun alles möglich ist“, macht aber klar: „Der Knackpunkt sind die Bürgersteige.“ Die müssten autofrei bleiben – gäbe es da eine Zusage, könne man über alles andere reden. Stell-
plätze könnten in einem in der Kastanienallee geplanten Wohn- und Geschäftshaus geschaffen werden. Mücke: „Man muss den Investor eben verpflichten, eine Tiefgarage zu bauen.“
Kirchner entgegnet, er hätte nichts dagegen, allerdings seien wegen der Grundstückspreise die Kosten für Garagenplätze enorm. Er könne keine Zusage darüber machen, ob man einen Investor tatsächlich zu einer solchen Baumaßnahme verpflichten könne. Mücke: „Mir würde eine politische Willensbekundung reichen.“
Carambolage-Aktivist Frank Möller, erneut via Internet aus Australien zugeschaltet, beschreibt die Vorteile seines Kon-
zeptes: Keine Parktaschen zu bauen, halte ja die Möglich-
keit offen, „in drei, fünf oder sieben Jahren sagen zu können, wir schaffen die Parkplätze ganz ab“. Und der durch den Umbau breiter gewordene Bürgersteig stünde dann vollständig den Fußgängern und Gewerbetreibenden zur Verfügung.
Die immer wieder aufkommende Option einer „Nulllösung“, also den Umbau der Kastanienallee lediglich auf eine Reparatur der Gehwege zu beschränken, lehnt er kate-
gorisch ab: „Eine Nulllösung wäre eine Kapitulation.“
Die Vorstellungen der Anlieger sind das eine, jene des Be-
zirksamtes das andere. Ein Kompromiss zwischen den zwei Seiten allein würde aber noch keine Lösung bringen. Denn: Die Kastanienallee gilt als Hauptstraße – und somit bedür-
fen Änderungen in den Planungen stets der Zustimmung durch das Land Berlin.
Das Hauptproblem bleibt dabei die BVG – sie stemmt sich gegen eine Geschwindigkeitsbegrenzung, die sowohl von den Anrainern, als auch vom Bezirksamt explizit gewollt ist. Volker Ratzmann, Fraktionschef der Grünen im Abgeordne-
tenhaus, berichtet: „Ich habe die Verkehrssenatorin auf das Problem angesprochen. Sie hat zugesagt, mit mir darüber zu reden.“ Das Ergebnis der Unterredung sei naturgemäß offen. Man werde sehen.
Eine Straße lässt sich planen. Ein Gespräch über die Pla-
nung einer Straße wohl eher nicht. Denn die „Tagesord-
nung“ ist längst passé – und es tauchen Dinge auf, an die wohl vorher niemand wirklich dachte.
Zum Beispiel bei der ins Auge gefasste Anwohnerbefra-
gung. Alle wollen sie – aber wie sollen die Fragen lauten?
„Am besten wäre es“, so Volker Ratzmann, „man hätte einen Alternativplan, den man gegen die Bezirksamtspla-
nung stellen könnte. Aber den haben wir ja hier noch nicht.“ Eigentlich sollten die Gegenvorschläge ja erst zur BVV-
gungskraft hätten sie natürlich, wenn sie mit einem nach-
prüfbaren Votum der Anwohner versehen wären.
Eine Befragung der Anwohner müsste allerdings alsbald erfolgen. Und so kommt man dann zum Schluss doch wieder zur fast schon vergessenen Tagesordnung zurück: „Benennen der Sprecherinnen und Sprecher“. Das Ergeb-
nis: Sebastian Mücke wird für die Gewerbetreibenden, André Nunes für die Anwohner, Frank Möller für „Carambo-
lage“ und Daniela Billig für die Grünen abgeordnet. Diese Vier werden nun einen Kompromissvorschlag erarbeiten, der dann einer erneuten Versammlung und danach den Anwohnern zur Abstimmung gestellt werden soll.
Das nächste Treffen findet am 13. Januar 2011 statt.
dirk schmitz
Dez 23. 2010
was da zu lesen ist gefällt, der stein rollt, und das ist sichtbar. wenn jetzt nicht noch querschläger auftauchen habt ihr das bald in trockenen tüchern und es sieht dann auf der kastanienallee ganz ordentlich aus wenn dit mal allet feddich is ! 🙂
schöne weihnachten, juten rutsch
lg dirk schmitz
Porhtnasim
Jan 05. 2011
Was für eine Farce und was für ein Haufen an Wichtigtuern. Nein, die Straßen einer Stadt gehören nicht nur den Anwohnern und „Geschäftsleuten“, die Zeit haben sich auf sinnlosen, stundenlangen meetings als „Volksvertreter“ aufzuführen. Eine Straße gehört auch denen, die dort wohnen aber nur Zeit haben an demokratischen Wahlen teilzunehmen, sowie denen die nur hindurch reisen wollen oder müssen. Man kann nur darauf hoffen, dass das Land Berlin wenn nötig Gebrauch von seinem Vetorecht macht (obwohl ich mir bei den Idioten nicht sicher bin). Für Tramfahrer ist der Weinbergsweg und die Kastanienallee jetzt schon ein Nadelöhr in dem die Tram renitenten Radlern hinterher trotten muss und somit schon einmal 15 statt 5 Minuten braucht – oder gar komplett stecken bleibt Dank falsch parkender/haltender KfZ. Mag sein, dass eine Tram mit 30 bis 50 kmh beim Cappucino-Schlürfen in der neuen Eigentumswohnung im „Derelict Design“ (is ja sooo schick) stört. Aber das tat sie schon bei Kauf/Einzug.
Fällt den selbst-ernannten Volksvertretern eigentlich nicht auf, dass ihre Standpunkte sich nicht vereinen lassen. Dass Sie wohl selber nie einen Kompromiss finden werden in ihrer manchmal schon lächerlichen Verklärung und, dass sie kein Recht haben den (repräsentativ) demokratisch legitimen Weg der Entscheidungsfindung ständig aufzuhalten?
Bernd Willmer
Jan 13. 2011
Bin heute wieder mit dem Rad die Kastanienallee zum Zionskirchplatz Ecke Fehrbelliner runter. Zunächst zwischen parkenden Autos und Gleis. Fast hätte mich eine Autotür erwischt, als die Fahrerin ohne nach hinten zu schauen die Tür aufriss. Schrie mir noch hinterher, dass ich Abstand zu halten habe. Ich also zwischen die Schienen, das Fahrradsymbol ist ja dort noch zu sehen. Rast doch so ein Kleintransporter von DPD im Abstand von gefühlten 10 cm links an mir vorbei, schneidet mich und bremst voll ab. Ich fahre rechts an ihn ran, hab schon einen Spruch auf der Lippe, er ist aber schneller und schreit mich sinngemäß an: „Vollidiot, hast wohl die Straße für Dich gepachtet.“ Das ist die Realität, die ich als Radfahrer in der Kastanienallee täglich erlebe.
Ladenbeseitzer Mücke will, dass es so bleibt wie es ist. Nur die Gehwege sollen saniert werden, damit weiterhin die Touris in der „kultigen Castingallee“ auf und ab flanieren und bei ihm kaufen, wegen des Flairs (steht ja so in den Reiseführern unter Geheimtipp). Das aber auf Kosten der Verkehrssicherheit! Das ist nicht hinnehmbar.
Ich hoffe, dass die Vernunft siegt und nicht die egoistischen Bedürfnisse des zugegebener Maßen rhetorisch talentierten Ladenbesitzers. Die Kastanienallee braucht dringend die Fahrradangebotsstreifen! Finde es unfassbar, dass von einzelnen so Stimmung gemacht gegen die Umbaupläne des Bezirks, von wegen vierspuriger Ausbau oder wie es an der Kast 77 steht: Keine grüne Überholspur! Verkehrspolitisch ist irreführender Humbug, parteiplolitisch unter der Gürtellinie! Klar, der normale Bürger sieht das und wenn er sich nicht mit der Materie beschäftigt, ist er dagegen. Keine will eine vierspurige Autobahn durch seinen Kiez! Doch wer guckt aber schon genauer hin?
Die Pläne im Netz von Bezirk und Möller gleichen sich in vielem, so groß sind die Unterschiede eigentlich nicht. Der Unterschied woanders: Möllers Vorschlag sieht Shared Space vor. Keine schlechte Idee, kennt kaum jemand, aber ob die übernutzte Kastanie die richtige Straße ist, wage ich zu bezweifeln (enge Straßenflucht, 2 Tramlinien, ruhender und fließender Autoverkehr, Radverkehr und die vielen Fußgänger, Schankvorgärten usw. Schwierig schwierig. Die Bezirksamtspläne stellen in meinen Augen einen guten Kompromiss zwischen Verkehrssicherheit und dem Anspruch der Vielnutzung.
Wer gegen diese Pläne des Bezirksamtes ist, nimmt billigend eine absolute Unfallgefahr für besonders Radfahrer in Kauf. (Habe schon 1994 einen bösen Sturz einer Radfahrerin auf Höhe Kastanie 86 erlebt, die zwischen parkende Autos und überholende Tram geraten ist und schwer verletzt wurde.) Die parkenden Autos kriegt man (leider) nicht raus, da machen die Anwohner nicht mit, wette ich drauf. Shared Space basiert auf Sichtbeziehungen zwischen den Verkehrsteilnehmern, parkende Autos verhindern aber eben diese. Kannste also vergessen!