Er hätte ja mal für einen Tag den Zerknirschten geben können. Oder für eine Stunde. Etwa so: „Oh, sorry, hier ist aber mächtig was daneben gelaufen. Da hatte offenbar irgend jemand nicht aufgepasst. Selbstverständlich lasse ich mir meinen Wahlkampf nicht von jemand finanzieren, der auf Grund meiner Entscheidungen Millionen scheffelt. Und dessen Ruf dazu auch noch alles andere als makellos ist. Mein Kreisverband Lichtenberg wird das Geld unverzüglich an den Absender zurückschicken.“
Stattdessen spielt Bausenator Andreas Geisel (SPD) das Stück von der beleidigten Leberwurst.
In Medienberichten werde „Eindruck erweckt“, ließ er per Pressemitteilung verbreiten „ich würde bestimmte Projekte befördern. Diese Vorwürfe sind falsch und entbehren jeder Grundlage“ (voller Wortlaut unten).
Nein, der Eindruck wurde nicht durch die Medien vermittelt, sondern durch Geisels Handeln.
Das „bestimmte Projekt“, um das es geht, ist das Areal nördlich des Gleimtunnels, das der verdiente Filzberliner Klaus Groth gegen den großen Widerstand von Bürgern aus Mitte, Pankow und anderen Bezirken mit 700 Wohnungen – die Mehrzahl im Hochpreissegment – nun zubetoniert. Wohnungen, die an dieser Stelle niemand braucht und deren Existenz möglicherweise dafür sorgen wird, dass nicht nur der Kinderbauernhof von sich durch Tiergeruch- und -geräusch belästigt fühlenden Wohnungsbesitzern weggeklagt wird, sondern sich auch die Mieten auf Weddinger Seite mittelfristig auf Prenzlauer Berger Niveau hocharbeiten.
Es war Andreas Geisel, der das befördert hatte, in dem er dem Bezirk Mitte das Bauplan-Verfahren entzog und damit ein – mit großer Wahrscheinlichkeit – erfolgreiches Bürgerbegehren abgewürgte.
Proteste und Gegenargumente (rund 40.000 Einwendungen gab es im Rahmen des B-Plan-Verfahrens) sind für Geisel dagegen „Planungshemmnisse“.
Wenn von 700 Wohnungen gerade einmal 200 „Sozialwohnungen“ gebaut werden, für die mindestens 6,50 Euro Kaltmiete zu berappen sind, nennt das der Senator ohne rot zu werden eine „soziale Mischung, die wir uns überall in Berlin wünschen.“
Was nur heißen kann, dass er sich künftig eine Stadt ohne Wohnmöglichkeiten für Sozialhilfe- und ALG-II-Empfänger wünscht – denn die am Mauerpark dann aufgerufenen „Sozialmieten“ liegen um einiges höher, als das, was Sozialämter und und Jobcenter an Mietkosten übernehmen dürfen.
Groths Spenden kommen aus dem Berliner Haushalt
Klaus Groth ist seit jeher bekannt für schräge Geschäfte, bei denen die öffentliche Hand kräftig mit Steuergeldern draufzahlt.
So zum Beispiel, als er 1992 mit seiner damaligen Firma Firma Groth + Graalfs ein Bürogebäude für überteuerte 97,75 Mark pro Quadratmeter und Monat für zehn Jahre an die öffentlich-rechtlichen WBK vermietet, obwohl die meisten WBK-Mitarbeiter schon nach vier Jahren Umbauzeit in ihr altes Gebäude zurückkehren konnten. Laut Rechnungshof betrug der Schaden für das Land Berlin mindestens 54 Millionen Mark.
Das Wohngebiet Karow-Nord galt bei seinem Bau als das größte nach der deutschen Vereinigung entstandene Neubaugebiet Deutschlands. Errichtet wurde es von einem Konsortium („Arge“), an dem Groth mit über 85 Prozent beteiligt war. 1,4 Milliarden DM Baukostenzuschuss zahlte der Senat – bei einem Gesamtvolumen von 2,5 Milliarden. Auch das dürfte schon nicht ganz ohne besondere Beziehungen zu bewerkstelligen gewesen sein.
Die Vertragskonstruktion, die der Senat für das Projekt wählte, befreite die Bauherren davon, Bauaufträge für öffentliche Vorhaben, wie zum Beispiel den Straßenbau, öffentlich auszuschreiben. Kein Wettbewerb also – und damit auch keine Kontrolle über die Kosten. Dazu kam, dass die nach dem Baugesetzbuch zu erhebenden Erschließungsbeiträge durch Verrechnungen mit Abschöpfungsbeträgen oder Grundstückspreisen ersetzt wurden.
Kurzum: Auch hier eine Goldgrube für Groth – und ein Schwarzes Loch für die Landeskasse.:
Offenbar schien ihm das nicht zu reichen. So gab es Unstimmigkeiten bei der Abrechnung von Infrastrukturmaßnahmen: Straßenbeläge für Kreuzungen etwa sollten doppelt berechnet worden sein – es ging um etliche Millionen Mark. Groth wies alle Schuld von sich: Es gäbe keine falschen Abrechnungen und die in dieser Sache gestellte Strafanzeige der grünen Abgeordneten Ida Schillen beruhe auf Missverständnissen.
Nach eineinhalb Jahren wurde der letzte Teil des Ermittlungsverfahrens gegen „Groth & Graalfs“ eingestellt – nachdem ein Mitarbeiter eine Geldbuße in Höhe von 300.000 Mark gezahlt hatte. Eine Menge Holz für ein Missverständnis.
Dabnn lief die Vermietung der Wohnungen nicht so, wie Groth sich das vorstellte und seine Fonds kamen in Schieflage – aber auch hier hatte er vorgesorgt. Die Welt schrieb dazu am 31. Juli 2008::
Aufgrund einer ungewöhnlichen Rechtskonstruktion der Fonds als GmbH & Co OHG gehen die landeseigene Investitionsbank Berlin als auch der Senat davon aus, dass sie die Fondszeichner nicht heranziehen können. Ein „Durchgriffsrecht“, schreibt Baustaatssekretärin Hella Dunger-Löper (SPD), sei „nicht gegeben“. Denn die Anleger bei den in Rede stehenden Aquis-Fonds haben sich anders als üblich über einen Treuhänder beteiligt. Insofern hafte der Zeichner im Außenverhältnis nicht für die Gesamtschulden. Die Opposition versteht das nicht: „Warum hat man einen solchen Vertrag gemacht“, fragt etwa der Grünen-Haushälter Oliver Schruoffeneger.
Fast 40 Millionen Mark (20 Millionen Euro) kostete der Spaß schließlich das Land Berlin.
Peinlich, peinlicher, SPD
Von so einem Geschäftsmann, der die öffentlichen Kassen derart geschröpft hat, sollte eigentlich keine Partei Geld nehmen – und schon gar nicht den Wahlkampf ausgerechnet eines Bausenators finanzieren lassen.
Doch Schamgrenzen gibt es bei der SPD offensichtlich nicht mehr.
„SPD Lichtenberg will umstrittene Parteispende behalten“, titelte gestern (Donnerstag) Abend die Berliner Zeitung.
Die Pointe setzte dabei der Lichtenberger SPD-Vorsitzende Ole Kreins, den das Blatt so zitiert: Die Spende sei nicht illegal, und es gebe seines Wissens auch keine Groth-Projekte im Bezirk.
Alles klar. Andreas Geisel war also entgegen bisher anders lautenden Vermutungen nur Senator von Lichtenberg. hätt er doch gleich sagen können…
Weitere Artikel zum Thema:
Baufilz-Veteran Groth finanziert Senator Geisels Wahlkampf. Nein! Doch! Ohh…
Carsten Spallek: B-Plan Mauerpark wird geteilt, Gleimtunnel wird angesägt
Mauerpark: Will Groth dem Gleimtunnel an den Kragen?
Groth rodet – Aufregung am Mauerpark
Mauerpark: Unruhe wegen Informationspanne
Mauerpark: Mehrsprachiger Protest gegen Nordbebauung
Mauerpark: Groth heiser – Spallek sprachlos
„Bürgerwerkstatt Mauerpark “ will gegen Nord-Bebauung mobilisieren
Mauerpark: Groth-Gruppe kaufte Nordgelände bereits im Juli 2012