Pankow hat ein neues Bezirksoberhaupt. Auf ihrer konstituierende Sitzung wählte die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am Donnerstag den 48jährigen Sören Benn (Die Linke) zum Bezirksbürgermeister. Er tritt die Nachfolge von Matthias Köhne (SPD) (links im Bild) an, der bei den Wahlen vom 18. September nicht mehr angetreten war. Die Linke war als Siegerin bei den Bezirkswahlen hervorgegangen und hatte damit das Vorschlagsrecht für einen Bezirkbürgermeisterkandidaten.
Zum stellvertretenden Bezirksbürgermeister wählten die Bezirksverordneten Jens-Holger Kirchner (Bündnis 90/ Die Grünen), der als Stadtrat die Bereiche Stadtentwicklung und Bürgerservice leiten wird.
Rona Tietje (SPD) übernimmt die Ressorts Soziales, Jugend Wirtschaftsförderung.
Nicolas Seifert, der Stadtrats-Kandidat der Partei Alternative für Deutschland (AfD) fiel durch, er konnte lediglich die acht Stimmen seiner eigenen Fraktion für sich verbuchen. Auf einen zweiten Wahlgang hatte die AfD-Fraktion verzichtet.
Zur Überraschung aller Anwesenden ließ auch die CDU-Fraktion die Wahl ihres Stadtratskandidaten verschieben, so dass das neue Bezirksamt voerst nur aus drei statt fünf Amtsträgern besteht.
Strittige Vorsteher-Frage vorab geklärt
Während die Wahl des Bürgermeisters und der drei Stadträte als sicher galt, hatte eine andere Personalie zuvor die Gemüter erhitzt und die zuvor ausgehandelt Zählgemeinschaft von Linken, Grünen und Sozialdemokraten in Frage gestellt.
Wie berichtet, hatte die Kreisdelegiertenversammlung (KDV) der Pankower SPD am Montagabend den Beschluss gefasst, den von der Linkspartei für das Amt des BVV-Vorstehers nominierten Michael van der Meer nicht zu akzeptieren und die Partei Die Linke aufgefordert einen anderen Kandidaten zu benennen.
Als Grund wurde eine Verstrickung van der Meers mit dem DDR-Ministerium für Staatssicherheit genannt.Allerdings wurden die Vorwürfe bereits vor 25 Jahren aufgearbeitet.
Die damals von der Stasiunterlagenbehörde an die Überprüfungskommission der Bezirksverordnetenversammlung übermittelten Informationen wiesen nur auf eine unerhebliche Verstrickung van der Meers hin. Seitdem gab es nach jeder Wahl eine neue Überprüfung – insgesamt sechs – ohne dass neue Erkenntnisse zu Tage gefördert worden wären.
Warum nun plötzlich dieser vehemente Widerstand gegen van der Meer, der seit einem Vierteljahrhundert Mitglied der BVV ist und dort – auch unter rot-roter Ägide – in zahlreichen Funktionen tätig war, ist nicht ganz klar. Einige Vertreter der SPD-Fraktion vermuteten, dass damit das von einigen in der Pankower SPD nicht goutierte rot-grün-rote Projekt zu Fall gebracht werden sollte.
Zählgemeinschaft ohne offizielle Vereinbarung
Tatsächlich wurde der Antrag, mit dem rot-grün-roten Zählgemeinschaftsvereinbarung die Zustimmung gegeben werden sollte (und in der auch van der Meers Kandidatur festgeschrieben war) von der Kreisdelegiertenkonferenz der SPD in Fassung nicht bestätigt. Das hätte theoretisch das Aus der rot-grün-roten Zählgemeinschaft bedeuten können, bevor sie überhaupt begonnen hatte.
Die BVV-Fraktion der SPD sah jedoch an diesen Beschluss nicht als Hindernis an, da, wie ein Fraktionsmitglied gegenüber der Prenzlberger Stimme erklärte, von der KDV ja keine Aufforderung an die sozialdemokratische Fraktion ergangen sei, in dieser Hinsicht auf die Linke einzuwirken.
Also trafen sich am Mittwochabend SPD-Fraktion und Linkspartei-Kandidat zu einem Gespräch, um die Lage abzuklären.
Das Ergebnis des Gesprächs wurde dann bei der gestrigen Wahl des BVV-Vorstehers sichtbar: 29 Ja-Stimmen für Michael van der Meer bei fünf Nein-Stimmen und 20 Enthaltungen.
Zur stellvertretenden Vorsteherin wurde Ute Schnur (Bündnis 90/ Die Grünen) wiedergewählt.
„Dienst am Vaterland“
Die Vorstellung von Nicolas Seifert, Kandidat der der Partei Alternative für Deutschland (AfD), geriet zu einem mittleren Desaster.
Die AfD hatte seinen Namen am Montagabend preisgegeben, er selbst erschien jedoch erst zur konstituierenden BVV-Tagung. Grund: Er mochte seinen Urlaub nicht vorzeitig abbrechen, um sich – wie alle anderen Bezirksamtskandidaten – den Fraktionen der BVV vorzustellen.
Er sei ein guter Projektmanager, ließ er die Bezirksverordneten wissen, und werde innerhalb von acht Wochen die Arbeit eines Bezirksstadtrates voll beherrschen. Zwar würde ein Amtsantritt für ihn erhebliche finanzielle Einbußen bedeuten, aber er verstehe die Aufgabe als Dienst am Vaterland. Dennoch erwarte er „Gegenwind von Antifa, ein paar Parteien und Behördenmitarbeiter“, aber „einer muss es ja machen“.
Die Quittung kam prompt: Mit lediglich acht Ja-Stimmen – genauso viel, wie die AfD-Fraktion Mitglieder hat – fiel Seifert bei den Bezirksverordneten glatt durch.
Auf einen zweiten Wahlgang mochte es die AfD nicht ankommen lassen und beantragte stattdessen die Verschiebung der Wahl auf nächste BVV-Sitzung. In der Zwischenzeit soll Seifert seine Vorstellungstour durch BVV-Fraktionen nachholen.
CDU schickt ihren Kandidaten in die Arbeitslosigkeit
Überraschend hatte danach auch die CDU die Wahl ihres Kandidaten verschieben lassen.
Der Antrag mit dem Wahlvorschlag Torsten Kühne, dem bisherigen Stadtrat für Bürgerdienste, Kultur und öffentliche Ordnung, war erst eineinhalb Stunden vor Beginn der konstituierenden Sitzung im BVV-Büro eingegangen.Über den Grund des plötzlichen Rückziehers mochte am Donnerstag niemand von der CDU-Fraktion Auskunft geben.
Für das neugewählte Bezirksamt – das auch mit drei Mitgliedern Handlungs- und beschlussfähig ist – bedeutet die Rückstellung der beiden Wahlgänge erst einmal Mehrarbeit, denn die bereits gewählten Bezirksstadträte müssen in der Zeit der Vakanz der beiden Stadtratsstellen die Ämter mit übernehmen.
Auch für den bisherigen Bezirksstadtrat Torsten Kühne hat die Verschiebung Konsequenzen. Da mit der Amtseinführung des neuen Bezirksamts die bisherigen Stadträte entlassen werden, gilt Kühne also erst einmal offiziell als arbeitslos.
Proteste gegen die AfD – Resolution der BVV
Bereits vor Beginn der Sitzung protestierten rund fünfzig Menschen vor dem Eingang des Bezirksamtsgelände an der Prenzlauer Allee gegen AfD, da sie in ihrem Programm fremdenfeindlich und antisozial sei.
Auch während der BVV-Tagung wurden immer wieder lautstarke Proteste gegen die AfD-Vertreter artikuliert – etwa bei der Abstimmung für die Beisitzer des BVV-Vorstandes.
Dass die Vorbehalte gegen die AfD wohl nicht grundlos sind, belegten die AfD-Verordneten schon kurz nach der Eröffnung der BVV-Tagung
Da stand eine Resolution auf der Tagesordnung (siehe unten), in der die Bezirksverordnetenversammlung kundtun sollte, dass sie sich der gelebten Vielfalt in Pankow und der Wertschätzung dieser Vielfalt verpflichtet fühlt. Linke, Grüne, SPD, CDU und FDP stimmten dem Papier zu.
Nur die AfD mochte das Engagement „für Rechtsstaatlichkeit, soziale Gerechtigkeit und Toleranz, für Geschlechtergerechtigkeit und gegen Fremdenfeindlichkeit, gegen Rassismus und gegen alle Formen von Diskriminierung und Gewalt“ nicht mittragen. Sie enthielt sich der Stimme.
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