
Im zweiten Teil des Interviews mit dem Pankower Bezirksbürgermeister Sören Bann (Die LINKE) geht um das akut bleibende Problem der belegten Sporthallen, um das umstrittene Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Greifswalder Straße, um mehr Transparenz in der Verwaltung und um die Frage, wann im Keller wieder Bier getrunken werden kann.
Vergangene Woche kam die Nachricht, dass die bereits fertiggestellten – oder wie jene in der Elisabethaue vor der Fertigstellung stehenden – Containerunterkünfte für Flüchtlinge wegen juristischer Probleme vorerst nicht genutzt werden können und deshalb auch die drei in Pankow noch als Notunterkünfte dienenden Sporthallen wohl in diesem Jahr nicht mehr freigezogen werden. Sie hatten daraufhin von der zuständigen Senatsverwaltung gefordert, „kreative Lösungen“ zu finden, um die Sporthallen endlich freizuziehen. Wie sollte denn so eine kreative Lösung aussehen?
 | Bei der Sitzung des Rats der Bürgermeister hatten alle zwölf Bezirksbürgermeisterinnen und -bürgermeister eine ganze Reihe von Vorschlägen unterbreitet, wie man der Situation abhelfen könnte. Die finden sich auch alle in der Presse wieder. Doch das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten erklärte, dass all diese Optionen, die in den Köpfen der Bürgermeister drin waren, nicht umsetzbar seien.
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Zum Beispiel?
 | Zum Beispiel, dass das Land Berlin selbst als Betreiber eintritt. Darauf kam das Argument, es würde Monate dauern, bis man das erforderliche Personal eingestellt hätte.
Dann gab es den Vorschlag, den Betrieb der fertiggestellten Unterkünfte erst einmal mit Interimsverträgen zu sichern – also durch eine zeitweilige Direktvergabe für jenen Zeitraum, in der die Ausschreibungen noch am Laufen sind. Auch da wurde seitens der Landesebene gesagt, das ginge nicht. Eine ganze Reihe weiterer Vorschläge wurde ebenfalls verworfen.
Ich hatte dann gefragt, was denn nun die Konsequenz daraus sei, dass es keine Lösung gibt. Die Antwort war, man werde in den Notunterkünften mehr Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter einstellen.
Da bleibt einem als Bezirksbürgermeister am Ende eben auch nichts mehr weiter übrig, als zu sagen, findet bitte irgend eine kreative Lösung – aber findet eine. Ihr seid in die Verantwortlichen. |
Die Senatsverwaltung nimmt das Problem nicht ernst genug?

| Ich sehe durchaus, dass ein Problembewusstsein da ist, habe aber starke Zweifel, ob eine zusätzliche Einstellung von Sozialarbeitern das Problem löst. |
Die Elisabethaue kam ja nicht nur wegen der dort geplanten Flüchtlingsunterkünfte in die Schlagzeilen, sondern auch wegen des Vorhabens des alten Senates, dort einen Stadtteil mit 5.000 Wohnungen aus dem Boden zu stampfen. Die Proteste dagegen waren erheblich, die Bezirksverordnetenversammlung sprach sich gegen das Projekt aus. Nun steht in der Koalitionsvereinbarung des neuen Landesregierung, dass das Bauvorhaben in den kommenden fünf Jahren nicht weiter verfolgt wird. Ist das Bezirksamt glücklich über diesen Planungsstopp?
 | Dazu habe ich das Bezirksamt noch nicht befragt...
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Ist der Bezirksbürgermeister glücklich über diese Entscheidung?
 | Ich bin erst einmal froh darüber, dass wir da nicht innerhalb kurzer Zeit eine Trabantenstadt aus dem Boden stampfen. Das verschafft für die Gestaltungsprozesse dort eine Menge Luft. Man kann dadurch in Ruhe und ohne hast noch einmal darüber nachdenken, was mit diesem Areal perspektivisch geschehen soll. Die dortige Bürgerinitiative hat ja auch schon angekündigt, dass sie sich da auch Gedanken machen will, wie man jenseits einer baulichen Nutzung dieses Areal stärker in Nutzung bringen kann. |
Aber die Stadt wächst, die Mieten steigen…
 | Dass Leute kommen, für die man Wohnungen braucht, ist ja nur die eine Schiene. Die andre Schiene ist die Frage, wie sich die Mieten im Bestand entwickeln. Dafür wäre die Elisabethaue sowieso keine Lösung gewesen. Und wir haben ja auch noch die anderen Bauprojekte, die noch in der Pipeline sind... |
Blankenburger Pflasterweg, Michelangelostraße, Pankower Tor…
 | ...die uns voll ausfüllen werden – sowohl in der politischen Debatte als auch in der Umsetzung. Insofern fehlt uns da jetzt nichts mit der Elisabethaue. |
Ein weiterer Problemfall ist das Areal des ehemaligen Güterbahnhofs Greifswalder Straße, auf dem das alte Bezirksamt 400 bis 600 Wohnungen errichten wollte. Ich erinnere mich daran, dass Sie und Ihre Partei im Wahlkampf dafür eingetreten sind, das Gelände zu einem Grünzug zu gestalten. In der Kooperationsvereinbarung von Linken, Grünen und SPD steht zwar noch etwas von Grün – aber auch, dass am Wohnungsbau festgehalten wird.
 | Da steht konkret: „Am Ziel der Errichtung von Wohnungen wird festgehalten. Die Herstellung eines Grünzugs von der Prenzlauer Allee bis zum Anton-Saefkow-Park wird in die Planungen integriert. Über Wege und Verfahren wird im weiteren entschieden.“ Das ist der Formelkompromiss, den die drei Parteien in der Zählgemeinschaftsvereinbarung in dieser Sache gefunden haben. |
Nun mangelt es ja im dichtbesiedelten Prenzlauer Berg ja nicht nur an Grün, sondern auch an sogenannter sozialer Infrastruktur wie Kitas, Schulen, Spiel- und Sportplätze. Jede Wohnung, die dort gebaut wird, zieht neue Bedarfe nach sich.
 | Klar
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Wie will das Bezirksamt diesen Widerspruch auflösen?
 | Wir müssen dafür sorgen, dass das gar nicht erst zum Widerspruch wird. Bevor man den Zuschlag für eine bestimmte Menge von Wohnungen erteilt, ist nachzuweisen, dass die soziale, verkehrliche und sonstige Infrastruktur den Zugewinn an Einwohnern und Wohnungen auch wegtragen kann. Bei der innerstädtischen Nachverdichtung ist allerdings das schwieriger, weil da Wohnungsbau generell genehmigt werden muss, wenn sich der Bau in das Umfeld einfügt. |
Nun gilt ehemaliges Bahngelände rein rechtlich ja als Außengebiet. Es ist sogenanntes unbeplantes Gebiet, auf dem nicht automatisch eine Wohnbebauung genehmigt werden muss. Behält das Bezirksamt im Auge, dass dieses Gelände neben der Errichtung eines Grünzuges vorrangig für den Auf- und Ausbau fehlender sozialer Infrastruktur genutzt werden könnte?
 | Das Bezirksamt behält mit Sicherheit im Auge, dass überall dort, wo Wohnungen entstehen, die soziale Infrastruktur mitwächst. Wobei „im Auge behalten“ noch untertrieben ist. Wir sehen uns die Lage an, und wenn sichergestellt ist, dass für einen bestimmten angestrebten Wohnungsbau die Infrastruktur auch vorgehalten werden kann, dann kann man über die Bebauung reden - und wenn das nicht sichergestellt ist, dann muss man eben reduzieren. |
Es war eine Bürgerinitiative, die sich – wie wir nun sehen: erfolgreich – gegen die Errichtung einer Satellitenstadt auf der Elisabethaue einsetzte. Engagierte Bürger trotzten dem Senat innerhalb von 25 Jahren einen Großteil jenes Mauerstreifens zwischen Wedding und Prenzlauer Berg ab, der heute als Mauerpark weltberühmt ist. Kastanienallee, Michelangelostraße, Thälmannpark – fast überall im Bezirks waren oder sind Bürgerinitiativen tätig, die mit den politischen Vorgaben in ihrem Kiez unzufrieden sind und die mitreden und mitgestalten wollen.
Das stößt nicht immer auf eine Gegenliebe der politisch Verantwortlichen. Nicht selten stottert die Kommunikation zwischen Bürgern und Verwaltung und es kommt zu Konflikten zwischen Regierenden und Regierten. Wird man künftig mehr auf die Bürger hören?
 | In der Zählgemeinschaftsvereinbarung haben wir festgeschrieben, Bürgerbeteiligungsstrukturen aufzubauen. Bis Ende 2017 wollen wir mit einer gemeinsamen Antragsinitiative in die Bezirksverordnetenversammlung gehen, um das auch in den Haushaltsplanaufstellungen auch berücksichtigen zu können.
Ich kann mir vorstellen, dass wir Strukturen aufbauen – beim Bezirksamt und aber auch noch mal gespiegelt bei einem unabhängigen freien Träger – die mit den Bürgerinitiativen professionell umgehen. Das heißt, dass man ihnen Know-how und Kapazitäten zur Verfügung stellt und solche Prozesse und Begehren in die Verwaltung spiegelt.
Das ist das eine.
Zum anderen muss es uns gelingen, das, was eigentlich in der Verwaltung vor sich geht, transparenter zu machen. So ist zum Beispiel angedacht, eine Art Amtsblatt zu herauszugeben, in dem die Bürger regelmäßig darüber informiert werden, was die Verwaltung plant, welche Vorhaben anstehen...
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Wird das ein Internetangebot oder kommt das als Papier in die Briefkästen der Pankower?
 | Diese Informationen sollen möglichst alle erreichen. Nun gibt es aber sicher gerade unter den Älteren nicht wenige, die nicht oder nur wenig im Internet unterwegs sind. Wie wir das genau machen, darüber müssen wir noch nachdenken. |
Zum Schluss: Ihr Büro ist ja ganz nett und auch der Sessel, auf dem ich hier sitze, ist bequem. Aber viel lieber hätte ich mich mit Ihnen zu diesem Interview zwei Etagen tiefer verabredet – im Ratskeller bei einem Kaffee oder einem Bier. Dass letzte Mal, dass man dort unten etwas Essen oder Trinken konnte, soll – historischen Überlieferungen zufolge – im Jahr 2000 der Fall gewesen sein. Wann kann man mit der Wiederöffnung rechnen?
 | Die Frage wird immer wieder mal gestellt. Erst kürzlich wieder bei einem Rundgang mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch das Rathaus, die ja hier keine Kantine haben. Im Moment wird gerade das Kühlhaus abgerissen... |
Abriss. Das klingt nicht gerade hoffnungsvoll.
 | Das Problem ist, dass sich der Ratskeller offenbar nicht wirtschaftlich betreiben lässt. Wenn allerdings jemand mit einem Konzept kommt, mit dem das möglich wäre, wird der Bürgermeister dem nicht entgegen stehen. |
Zum ersten Teil des Interviews mit Bezirksbürgermeister Sören Benn:
Karin Persike via Facebook
Nov. 30. 2016
Hab ich das richtig verstanden? Die SPD hat die Zusammenarbeit noch nicht bestätigt, unterschrieben?
Prenzlberger Stimme via Facebook
Nov. 30. 2016
Die Vertreter der SPD, die den Vertrag verhandelt hatten, haben den Vertrag auch unterschrieben – doch der Bezirksparteitag hatte dann Probleme… – und verweigerte die Zustimmung. Die Prenzlberger Stimme hatte darüber berichtet: http://www.prenzlberger-stimme.de/?p=106937
Karin Persike via Facebook
Nov. 30. 2016
danke für die prompte Auskunft