Bereits sechs Mal ist Nicolas Seifert, der AfD-Kandidat für das Amt eines Bezirkstadtrates in der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV) mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Das sture Beharren der AfD auf den offenbar nicht wählbaren Kandidaten könnte Folgen haben.
Bereits nach der fünften erfolglose Abstimmung im November hatte sich BVV-Vorsteher Michael van der Meer an die Bezirksaufsicht der Senatsinnenverwaltung mit der Bitte um rechtliche Bewertung des Vorganges gewandt.
In der Antwort auf das Schreiben, die der Prenzlberger Stimme vorliegt, weist die Bezirksaufsicht darauf hin, dass das Vorschlagsrecht für einen Stadtrat grundsätzlich nach der Fraktionsstärke vergeben wird. Allerdings könne in in besonderen Fällen auch davon abgewichen werden. Weiter heißt es: Die im Bezirksverwaltungsgesetz verankerte diesbezüglich „Soll“-Vorschrift räume der BVV
„jedoch nur Ermessen in seiner schwächsten Form ein und ernöglicht ein Abweichen in diesem Verfahren lediglich in äußerst restriktiv anzunehmenden Fällen.“
In der rechtlichen Einschätzung wird darauf hingewiesen, dass das Vorschlagsrecht einer Fraktion die Bezirksverordneten jedoch nicht zwinge, dem Vorschlag auch zu folgen:
„Die BVV hat nach der Vorstellung der/des Kandidatin/Kandidaten das Recht, eine/n Bezirksamtsbewerberin/Bezirksamtsbewerber, zu der/dem aus sachlichen Gründen ein Vertrauensverhältnis nicht herstellbar ist und deren/dessen allgemeine Eignung nicht feststeht, ihre Zustimmung durch ein entsprechendes Wahlverhalten zu versagen.“
Das Schreiben der Bezirksaufsicht weist auf die kollidierenden Rechtsgüter – Vorschlagsrecht auf der einen, freie Wahlentscheidung der BVV auf der anderen Seite – hin und empfiehlt dem BVV-Vorsteher zu beobachten, welche der beiden Seiten bis zur Grenze desjenigen agiert, was als bewusste Verhinderung oder Verschleppung der Bildung des Bezirksamtes anzusehen ist.
„Eine solche „Obstruktion“ wäre geeignet, einen besonders begründeten außerordentlichen und damit atypischen Fall anzunehmen, von der Anwendung der „Soll-Vorschrift“ abzuweichen (…)“
Das heißt, wenn die Fraktion der AfD weiter an dem Kandidaten festhält, dessen allgemeine Eignung nicht feststeht und zu dem die BVV aus sachlichen Gründen kein Vertrauensverhätnis herstellen kann, besteht die Möglichkeit, von dem vorgeschriebenen Vorschlagsrecht der betreffenden Fraktion abzuweichen.
Allerdings sieht die Bezirksaufsicht bisher noch keinen Grund dafür, entsprechend zu verfahren.
„Angesichts dieses Spannungsfeldes (zwischen Wahlfreiheit der BVV und Vorschlagsrecht der Fraktion – ODK) erscheinen bislang fünf durchgeführte Wahlgänge als nicht zu hoch bzw. außergewöhnlich
(…)
Allerdings dürfte das nahezu gleichbleibende Wahlergebnis (…) als Indiz dafür gewertet werden, dass der vorgeschlagene Kandidat auch künftig nicht das Vertrauen der BVV erhalten wird. Schon aus praktischen Gründen wird sich die vorschlagsberechtigte Fraktion deshalb die Frage stellen, ob sie an ihrem Kandidaten festhält oder der BVV eine/n andere/n Kandidatin/Kandidaten vorschlägt.“
In dem Schreiben der Bezirksaufsicht wird dem BVV-Vorsteher angeraten, den Verlauf der BVV-Tagungen und Sitzungen des Ältestenrates der BVV in den Protokollen „ausführlich und detailreich“ zu dokumentieren, damit bei einer möglichen gerichtlichen Auseinandersetzung um das Vorschlagsrecht der AfD-Fraktion das Gericht
„…über eine ausreichenden Entscheidungsgrundlage verfügt, um beurteilen zu können, welcher der beiden Seiten (entweder vorschlagsberechtigte Fraktion oder BVV-Mehrheit) ein ‚obstruktives Verhalten‘ vorzuwerfen ist.“
Der AfD-Fraktion ist das Schreiben mit der rechtlichen Einschätzung der Situation bekannt. Dennoch verkündete AfD-Sprecher Ronald Gläser nach der sechsten Niederlage des Kandidaten Seifert: „Es gibt keinen Plan B – wir werden an Nicolas Seifert festhalten“.
Sollte die AfD-Fraktion bei dieser Haltung bleiben, will sich BVV-Vorsteher Michael van der Meer spätestens nach der Februar-Tagung des Pankower Bezirksparlaments erneut an die Bezirksaufsicht der Senatsverwaltung für Inneres wenden.
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Karin Persike via Facebook
Dez. 16. 2016
Dummheit wird bestraft.