Antrittsbesuch bei Neu-Pankowern

 

Als Bezirksbürgermeister Sören Benn vor knapp vier Wochen in der als Notunterkunft genutzten Sporthalle in der Wackenbergsrraße auftauchte, war das so eine Art Noteinsatz: Die Bewohner, die mehrheitlich seit über einem Jahr dort hausen mussten, hatten in einem Brief an Benn auf die unhaltbar gewordenen Zustände in der alten Halle hingewiesen. Nicht zuletzt auf Grund des Bemühens des Bezirksbürgermeisters konnte die Halle freigezogen werden.

Kurz vor dem vierten Advent dann ein „geordneter“, länger anngemelderter Besuch in zwei in diesem Jahr eingerichteten Gemeinschaftsunterkünften.

Stephan Aspe und Marco Schulze vom Betreiber STK 118 Immobilien GmbH im Gespräch mit Bürgermeister Sören Benn

Die Unterkunft in der Storkower Straße 118 ist seit Anfang September in Betrieb.
Vor der Eröffnung hatte es eine monatelange Auseinandersetzung zwischen der „Potsdam Shanghai Business Center GmbH“ – der Eigentümerin der Immobilie Storkower Straße 118/118a, die in Potsdam ein gleichnamiges Dienstleistungszentrum für chinesische Geschäftsleute betreibt – und der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales gegeben.

Denn obwohl die es seit längerem die Festlegung gab, dass ein Eigentümer nicht den Betreiber bestimmen sollte, hatte der chinesische Grundstückseigner explizit darauf bestanden, die STK 118 Immobilien GmbH als Betreiber einzusetzen. Die damalige Senatsverwaltung unter Senator Mario Czaja (CDU) hatte unter dem Druck fehlender Unterbringungsplätze schließlich klein beigegeben und den vom Eigentümer gewünschten Betreiber akzeptiert.

Das Haus hat nach Angaben des Unterkunftsleiters Marco Schulze eine Kapazität von 470 Plätzen – belegt sind derzeit 466. Hier wohnen vor allem Familien und besonders schutzbedürftige Personen.

Als der Tross von Bürgermeister, Bezirksamtsmitarbeitern, Unterkunftsangestellten und Journalisten sich durch die Gänge bewegt, wird er von Kindern umringt.

Im Haus wohnen zur Zeit allein 52 Kinder bis zu sechs Jahren.
Ein etwas karg erscheinendes Spielzimmer ist auch schon eingerichtet, es könnte so ewtas wie eine Art Behelfs-Kita werden.
Könnte, denn noch gibt es keine ausgebildeten Erzieher. Im Januar soll sich das geändert haben.

Eine „Willkommensklasse“ gibt es ebenfalls im Haus. Notgedrungen, weil, so Haus-Chef Schulze, die Schulen in der Umgebung kaum noch Plätze für solche Klassen zur Verfügung stellen können.
Das erscheint problematisch, denn in den sogenannten „Willkommensklassen“ sollen die Schüler schnellstmöglichst die deutsche Sprachen erlernen – was natürlich dann am besten klappt, wenn sie die Zeit mit gleichaltrigen deutschen Kindern verbringen.

Eine Familie aus Afghanistan lädt den Pankower Bezirksbürgermeister in ihr Zimmer: Zwei Betten, zwei auf dem Boden liegende Matratzen, ein Teppich, ein Tisch und ein paar Stühle – das ist dann auch schon die ganze Ausstattung.
Bürgermeister Benn will wissen, wie das Zusammenleben im Haus so funktioniert. Gibt es Probleme, Reibereien, Ärger? Nein, sagt der Familienvater, im Gegensatz zu der bisherigen Unterkunft – einer Sporthalle in Spandau – sei es hier unproblematisch. In der Sporthalle wäre das anders gewesen,

da gab es zuweilen schon Feindseligkeiten unter den Angehörigen verschiedener Nationen. Aber man habe sich die Zeit über dort ganz einfach still verhalten, war bemüht nicht aufzufallen.

Elf Monate hatte die Familie in der Sporthalle verbracht, seit gut vier Wochen lebt sie nun in der Storkower Straße.
Was sind seine derzeit größten Sorgen?, will Sören Benn wissen.
Die Ungewissheit antwortet der Mann. Vor rund vier Monaten hatten er und seine Familie eine Anhörung beim Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge eine Anhörung wegen ihres Asylantrages – seit dem war vom Amt nichts mehr zu hören. Die Unsicherheit darüber, wie es weitergehen könnte, sei sehr belastend.

Zum Schluss geht es in einen Gemeinschaftsraum, vierzig, fünfzig Bewohner warten bereits, auf den Tischen stehen Weihnachtsgebäck und Kaffee.

Bürgermeister Benn fragt auch hier noch einmal in die Runde, welche Probleme oder Sorgen die Menschen haben.
Eine Frau möchte einen Integrationskurs besuchen, wurde aber schon dreimal abgelehnt. Sören Benn weist auf die anwesende Pankower Integrationsbeauftragte Birgit Gust, sie wird sich darum kümmern.

Marco Schulze: „Wir sind leider nicht der Eigentümer“

Ein Mann beschwert sich über fehlendes Toilettenpapier, ein Problem, dass sich sicher relativ schnell zu lösen ist.

Dass es – im Gegensatz zu den Duschen – bei den Handwaschbecken bis heute kein Warmwasser gibt, wird sich dagegen nicht so schnell ändern.
Der Grund für diesen Mangel, so Unterkunftsleiter Marco Schulze, sind nicht vorhandene Warmwasserstränge. Da das Gebäude früher ein Bürohaus war, bei dessen Errichtung Warmwasser offenbar für ein entbehrlicher Luxus gehalten wurde, müssten nun erst einmal Techniker darüber tüfteln, wie auch die Waschbecken mit Warmwassersträngen versehen werden können.

Die Antwort verwundert ein wenig, denn schließlich wurde das Haus sowohl von Seiten des Betreibers, als auch des Eigentümers bereits im Frühjahr als bezugsfertig gemeldet.
Auch Schulzes Hinweis, dass man nur der Betreiber sei und es etwas dauert, bis der der Eigentümer reagiert, macht Staunen. Hatte der Immobilieneigner doch unbedingt auf eben diese Betreibergesellschaft beharrt – was auf eine große Nähe schließen lässt.

 

Treskowstraße, Heinersdorf

In der Gemeinschaftsunterkunft in der Treskowstraße wartet Heimleiterin Gaby Selig bereits im Foyer der im September eröffneten Gemeinschaftsunterkunft. Mit dabei ist auch der Geschäftsführer der Unionhilfswerk Sozialeinrichtungen gGmbH Robert Prochnow, die die Unterkunft betreibt.

Gaby Selig, die zuvor im Kita-Bereich der Dusmann-Stiftung tätig war, hatte die Unterkunft erst drei Wochen vor ihrer Eröffnung Anfang September übernommen und hatte dann gleich den Einzug der Bewohner von von vier Pankower Notunterkunfts-Sporthallen zu schultern.
Das Gebäude war vor ihren Ausbau zur Unterkunft eine mal als Bürohaus gedachte ehemalige Investruine, die im Auftrag des Unionhilfwerks zu einer Gemeinschaftsunterkunft um- und ausgebaut wurde..
Auf fünf Etagen stehen „Apartements“ genannte Wohngelegenheiten für jeweils vier bis fünf Personen zur Verfügung. Jedes Apartement verfügt über einen eigenen Badraum. Es gibt Gemeinschaftsküchen, Aufenthaltsräume und Kinderspielzimmer.

Zur Zeit wohnen hier 513 Menschen – ausgebucht.
Es gibt, so Gaby Selig, lange Wartelisten für Familienangehörige die hierher zu ihren Nächsten ziehen wollen. Denn nicht selten sind Familien getrennt auf der Flucht gewesen und somit später auch an unterschiedlichen Orten untergebracht worden.
Die Frau aus Syrien, die Sören Benn in einer der Gemeinschaftsküchen trifft, erzählt von ihrem Sohn, der in Frankfurt/Oder untergekommen ist.
Auch hier gibt es zum Abschluss des Rundgangs im großen Gemeinschaftsraum des Hauses ein Treffen des Bezirksbürgermeisters mit Bewohnern der Gemeinschaftsunterkunft.
Die Probleme hier: Es fehlen Dolmetscher für Farsi und es sind zu wenig Waschmaschinen für die über fünfhundert Bewohner vorhanden. ,
Jemand beklagt sich, dass es problematisch sei, Freunde einzuladen – spätestens um 22 Uhr müssen Hausfremde das Gebäude verlassen. Was aber, wenn der Besuch aus einer anderen Stadt kommt und des Nachtens kein Zug mehr zurückfährt?

Ein ganz großes Problem ist das Fehlen von Kita-Plätze. Während die Zusammenarbeit vor allem mit der Heinersdorfer

Schule am Wasserturm bestens klappt, gibt es für die Jüngsten nicht ausreichend Plätze.
Bürgermeister Sören Benn bittet um Verständnis: Die Situation bei den Kindertagesstätten sei im gesamten Bezirk angespannt. Da sei auf die Schnelle nicht zu ändern.

Am Ende des Besuchs bedankte sich Pankows Bürgermeister bei den Bewohnern dafür, dass sie ihm ihre Zeit gewidmet haben. Und gab angesichts mancher nicht immer zu behebender Unzulänglichkeiten zu bedenken: „Auch wir Deutsche sind nicht perfekt.“

 

 



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