Schleichwege durch den Arnimkiez bleiben – Bezirksamt cancelt eigenen Vorschlag

 

Seit die Bösebrücke an der Bornholmer Straße saniert wird und das Viadukt von LKW und PKW nur in eine Richtung überquert werden kann, gibt es rund um die Seelower Straße ein Problem.

Umleitung wird nicht wahrgenommen

Die vorgesehene Baustellen-Umleitung über die Malmöer Straße, so klagen Anwohner, werde von der Mehrheit der Autofahrer nicht wahrgenommen – genausowenig die Empfehlung an LKWs, die Baustelle großräumig zu umfahren. Und weil der von der Schivelbeinerstraße kommende Verkehr an der Ampel-Kreuzung an der Schönhauser Allee nur sehr stockend abfließt, bildet sich auf der Schivelbeinerstraße regelmäßig ein nicht unerhebliche Rückstau.
Deshalb versuchten viele Pendler und Lieferverkehrfahrzeuge mittels Abkürzung durch die Wohnstraßen im Kiez das Nadelöhr zu umfahren. Besonders betroffen sei die Seelower Straße.

Im Sommer vergangenen Jahres wurde von der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV) einem Antrag der SPD-Fraktion zugestimmt, in das Bezirksamt ersucht wurde, sich bei der Verkehrslenkung Berlin dafür einzusetzen, „die bisherigen Umleitungsverkehre zu analysieren und daraus kurzfristig Maßnahmen abzuleiten, um die Wohnstraßen rund um den Arnimplatz verkehrlich zu beruhigen.“

 

“Nicht steuer- und beeinflussbar“

Die Bezirksverwaltung tat, was ihr aufgetragen wurde – und musste den Bezirksverordneten im November schließlich mitteilen, dass die für die Umleitungsverkehre zuständige Verkehrslenkung Berlin (VLB) kein Problem erkennen kann. Die Senatsbehörde teilte dem Bezirk mit:

„Grundsätzliche Konflikte traten bisher in der ersten Bauphase nicht auf. Die Umleitungsstrecke wurde gut angenommen (…).
Das beanstandete Abweichen der Autofahrer in Höhe des Knotenpunktes Behmstraße/Malmöer Straße von der eigentlich ausgeschilderten und hinsichtlich des Verkehrsablaufs funktionierenden Umleitungsstrecke in die Schivelbeinerstraße und damit in das angrenzende Wohngebiet hinein, war hingegen von vornherein nicht steuer- und beeinflussbar, da die Wahl und Inanspruchnahme des Fahrweges immer eine eigenständige Entscheidung des Autofahrers bleibt.“

Betroffene Anwohner wandten sich daraufhin mit einem Offenen Brief an das Bezirksamt und die Bezirksverordnetenversammlung mit der Bitte, eine Lösung zu finden.

Im Januar setzte der BVV-Verkehrsausschuss die Angelegenheit auf seine Tagesordnung und beriet verschiedene Varianten, wie die Verkehrsströme wieder in ihre eigentlich vorgesehenen Bahnen gelenkt werden könnten.
 

Verkehrsbehörde plädierte für Fahrbahnverengung

Doch weder die Einrichtung von Einbahnstraßenregelungen noch Abbiegeverbote stießen beim Vertreter der bezirklichen Verkehrsbehörde auf Gegenliebe: Für solcherlei Einschränkungen des freien Autoverkehrs sei der Nachweis einer „qualifizierte Gefahrenlage“ nötig. Anderenfalls hätte eine solche Beschränkung bei einer möglichen Klage bei Gericht keinen Bestand.

Aber er hatte eine andere Idee: Man könnte die Attraktivität des „Schleichverkehrs“ drastisch senken, in dem man die Fahrbahn verenge. Das könnte beispielsweise mit einer Änderung der Parkordnung geschehen: Quer- statt Längsparken. Und wenn dann noch die Parksplätze mal links und mal rechts ausgewiesen werden, sollte dies zusätzliche Unlust an dieser „Abkürzung“ bewirken.

Die Bezirksverordneten stimmten de Vorschlag zu und baten die Verkehrsbehörde, die Kosten abschätzen – die Bezirksverordnetenversammlung würde dann einen entsprechenden Beschluss fassen.

Vier Monate später fragte Verkehrsausschussvorsitzender Wolfram Kempe (Linksfraktion) beim zuständigen Bezirksstadtrat Daniel Krüger (parteilos, für die AfD) nach dem Stand der Dinge.

Es gebe, berichtete Krüger, bereits eine Entscheidung. Allerdings eine, „die den Bürgern nicht gefallen werde.“ Es habe sich herausgestellt, so der Stadtrat, dass bei einer Verschmalerung der Fahrbahn nicht mehr ausreichend Platz für den Einsatz von Rettungs und Feuerwehrfahrzeugen vorhanden sei. Daher sei die von der bezirklichen Verkehrsbehörde vorgeschlagene Lösung zur Eindämmung des Schleichverkehrs verworfen worden.

 

Stickoxidkonzentration in gesundheitsgefährdender Höhe

Die Arbeiten an der Bösebrücke sollen nach Aussage der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Ende Juli, Anfang August beendet sein. Dann ist die Überführung wieder in beide Richtung befahrbar und die Umleitung kann aufgehoben werden.

Vor der Kita Schivelbeinerstraße:
Stickoxidgrenzwerte um 50 Prozent überschritten

Doch längst ist ein neues Problem akut geworden, dass auch mit dem Ende des Umleitungsverkehrs nicht behoben sein wird: Die extreme Belastung der Luft in der Schivelbeiner Straße mit Stickoxiden. Derartige chemischen Verbindungen entstehen in Feuerungsanlagen oder Verbrennungsmotoren – in Städten sind Diesel-Autos die Hauptquelle.

Nach Aussage des Bundesumweltministeriums kann eine „lang andauernde Exposition zu Beeinträchtigung der Lungenfunktion und zu chronischen Herz-Kreislauferkrankungen führen.“ Kinder gelten als besonders gefährdet.
Nach Nach einer Greenpeace-Studie erhöht sich das Asthmarisiko von Kindern schon bei zehn Mikrogramm je Kubikmeter Luft um 15 Prozent.

Wie der rbb kürzlich berichtete, wurde vor der Kita in der Schivelbeiner Straße bei einer Messung 60,8 Mikrogramm festgestellt.

 

 



2 Kommentare zu “Schleichwege durch den Arnimkiez bleiben – Bezirksamt cancelt eigenen Vorschlag”

  1. Wer braucht schon eine Bezirksverwaltung, wenn er eine Zentrale Verkehrslenkung beim Senat haben kann – oder umgekehrt? Das Ganze ist leider ein gutes Beispiel für organisierte Verantwortungsverweigerung.

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  2. Und was die hohen Stickoxidwerte vor den Kitas und Spielplätzen auf der Schivelbeiner Straße angeht, da hat nun wiederum der grüne Umweltsenat eine Meinung dazu: Die Messungen von Greenpeace mit 50 % über EU-Grenzwert seien ja punktuell gewesen (war Mittelwert aus 14 Tagen), eigene Hochrechnungen auf Basis des Verkehrsaufkommens (wann wurde das zuletzt gezählt?) gehen von weit geringerer Belastung im Jahresmittel aus. Na dann, Eltern, geht halt nicht ausgerechnet dann auf den Spielplatz, wenn Greenpeace Stickoxid-Belastung misst!

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