Wahlplakate und Wahrplakate

 

„Zumindest in meiner Filterbubble taucht immer mal wieder das Angebot von abgeordnetenwatch.de, Plakate für Abgeordnete zu erstellen, auf. Das ganze nennt sich „Wahrplakat“ und soll vermutlich die Wahrheit über die jeweiligen Abgeordneten verkünden. Am Ende tut es genau das Gegenteil. Es vermittelt ein falsches Bild von Abgeordneten, es ist -zugespitzt formuliert – vereinfachend und populistisch.“

Halina Wawzyniak, MdB (Die Linke): „Keine gute Idee oder: Warum das Wahrplakat ein Falschplakat ist“

 

Es gibt Begriffe, die bringen mich nicht selten dazu, die Lektüre eines Textes abzubrechen. Weil da jemand offensichtlich sonst nichts schlüssiges vorzubringen hat und sich deshalb irgendeines Totschlagwortes bedienen muss, das ihm über die Runden hilft.

„Populistisch“ ist so ein Terminus, der – inhaltsleer und deshalb beliebig einsetzbar – als Negierung für alles, aber wirklich alles herhalten muss.

Hugo Chavez war nach dem Dafürhalten seiner Gegner ein Populist und Salvador Allende wurde – weil, zu seinen Lebzeiten war das Wort noch nicht up to date – Jahrzehnte nach seinem Tod zu einem gemacht. Auch „Bernd“ Höcke wird des Populismus gezichtigt, ebenso wie Beppe Grillo oder die Berliner FDP mit ihrem Tegel-Quatsch.
Die Forderung nach Steuererhöhungen werden nicht selten ebenso als „populistisch“ bezeichnet, wie das Verlangen, die Steuern zu senken. Oskar Lafontaine ist ein Populist, auch Martin Schulz soll einer sein und Jörg Haider hieß man ebenso… . Und wenn die CDU die Asylregeln noch einmal verschärfen will, ist sogleich die SPD beifuß und wirft den Unionschristen „Populismus“ vor.
Eiserner Regel: Alles Populisten, alles Populismus – nur man selbst und die eigenen Handlungen und Aussagen nicht. Das hilft über die viele Unzulänglichkeiten der eigenen Argumentation hinweg.

Zur Sache.

Halina Wawzyniak, so schreibt die scheidende Bundestagsabgeordnete der Linken in ihrem Blog, findet Wahlplakate „verdummend“ und „populistisch“.
Naja, könnte man ob der geballten Inhaltsleere an Laternenpfählen und Straßenrändern meinen, Plakate sind eben – der Name sagt’s bereits – vor allem plakativ.

 

Beim Wort genommen

Doch halt! Die normalen Wahlplakate hatte Halina W. ja gar nicht gemeint. Nicht jene, die uns kurz und prägnant mit „Für eine bessere Zukunft – Am 24.09. beide Stimmen für XYZ!“ anbrüllen, sondern eine Plakatidee, die tatsächlich so etwas wie politische Informationen transportieren könnte.
Es geht – salopp formuliert – um die Überprüfung von Wahlversprechen.

Auf der Plattform „abgeordnetenwatch.de“ wurde ein Tool entwickelt, mit dem man auf einem virtuellen Plakat das Abstimmungsverhalten der einzelnen Abgeordneten des Bundestages projizieren kann und so in der Lage ist, zu überprüfen, ob das, was sie vor der Wahl versprochen haben, sich in ihren Voten wiederfindet.

Dass das für so manchen Akteur oder manche Akteuse peinlich werden könnte, muss nicht weiter erklärt werden.

Nehmen wir ein Beispiel aus dem hiesigen Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg /Prenzlauer Berg. Die wieder kandidierende sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe twitterte unlängst:
 

 

Da weiß man doch, woran man ist. Oder?

Nimmt man nun das Tool von abgeordnetenwatch.de zu Hilfe, muss man feststellen: Bei Frau Kiziltepe ist offenbar ein gewisses Wahrheitsdefizit zu verzeichnen.
Denn als im Bundestag Anträge über ein Verbot beziehungsweise gegen eine weitere Zulassung jenes umstrittenen Unkrautvertilgungsmittels eingebracht wurden, stimmte sie dagegen.

 

 
Gleiches ist bei ihrem Pankower SPD-Bundestagskollegen Klaus Mindrup zu verzeichnen.
 

Das Abstimmungsverhalten zeigt, was die Versprechen wert sind

Eigentlich toll, so eine konkreter Vergleich zwischen Wahlversprechen und Abgeordnetenhandeln.

Gar nicht toll, sagt dagegen die Bundestagsabgeordnete der Linken. Und schimpft: „Diese Plakatidee ist nichts anderes als eine Reduzierung der Arbeit von Abgeordneten auf namentliche Abstimmungen. Das ist tatsächlich ziemlich verdummend.“
Um dann etwas weitschweifig über die Mühen der parlamentarischen Arbeit im Allgemeinen und der dortigen Entscheidungsfindungen im Besonderen zu berichten.

Das erinnert ein wenig an den Klempner, der eine Dachrinne reparieren soll und dem verdutzten Hausbesitzer hinterher erklärt, warum die Rinne immer noch löchrig ist, auf dem Dach aber nun drei Schornsteine stehen.

Wenn ich mein Fahrrad zur Reparatur bringe, und der Monteur mir die Reparatur der Gangschaltung verspricht, dann erwarte ich, dass, wenn er liefert, die Gänge wieder schalten. Wie er das macht, ist mir herzlich egal. Man nennt so etwas Arbeitsteilung. Die gibt es innerhalb der menschlichen Gesellschaft seit rund 10.000 Jahren, Sie hat sich bewährt. Man sollte es dabei belassen.

 

Es geht um Transparenz

Die Abgeordneten sitzen im Auftrag der Bürger im Parlament. Sie werden nicht zuletzt deshalb gewählt, weil sie ihren Wählern versprechen, sich für dies oder jenes einzusetzen. Der Einsatzes dokumentiert sich final bei der Abstimmung: Steht der Abgeordnete zu dem, was er dem Bürger zugesagt hat oder nicht.

Dass Halina Wawzyniak mit ihrer Diskreditierung dieser vorzüglichen Plakatidee so en passant auch noch gegen das letzte bisschen Transparenz im bundestäglichen Parlamentsbetrieb polemisiert, scheint ihr dabei nicht einmal aufgegangen zu sein. Schließlich ist es der Sinn von namentlichen Abstimmungen, nachzuschauen, wer wie gestimmt hat.

Wawzyniaks Darlegung zu Ende zu denken, würde letztlich bedeuten, die namentlichen Abstimmungen ganz abschaffen zu wollen.

 

Links zum Thema:

 

Halina Wawzyniak, MdB (Die Linke): „Keine gute Idee oder: Warum das Wahrplakat ein Falschplakat ist“

„Wahrplakat“-Generator bei abgeordnetenwatch.de

 



Kommentar zu “Wahlplakate und Wahrplakate”

  1. Fritz Bocks

    Aug. 18. 2017

    Würde man die Vertreter der Linken daran messen, was sie einst versprochen und dann getan haben, so würde man schnell merken, daß es auch nur um hohle Phrasen von Populisten handelt.
    In diesem Sinne: Avanti Popolu!

    Reply to this comment

Kommentar schreiben

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmen Sie dem zu. Danke!

Datenschutzerklärung
Social Media Auto Publish Powered By : XYZScripts.com