Während der Tagungen der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV) gibt es so ab und zu Momente … tja.
Am vergangenen Mittwoch war es mal wieder soweit.Tobias Thieme, der aus noch immer nicht bekannten Gründen im Juni aus der Fraktion der AfD ausgeschlossen wurde, aber nach wie vor Mitglied der Partei ist, setzte an, die Grundfeste des Pankower Gemeinwesens zu erschüttern: Den Pankower Bezirkshaushalt.
Wäre Tobias Thieme noch Teil der AfD-Fraktion, hätte sie in ihm wohl ihr aktivstes Mitglied. Fleißig schreibt er Anträge über Anträge.
Denen allerdings ist vor allem Dreierlei eigen: Zum einen eine tiefsitzende Fremdenfeindlichkeit, zum zweiten eine – dezent ausgedrückt – nicht gerade überbordende Sachkenntnis, die – drittens – folgerichtig einen Hang zu ellenlangen, mit vielerlei Belehrungen versehenen Begründungstexten erkennen lassen.
Aufm Klo…“IT-Neandertalern Vorschub leisten“
So hatte Thieme erst bei der letzten 2017er Tagung Ende November einen Antrag eingebracht, mit dem er erreichen wollte, dass der Bezirks Pankow den Senat veranlasst, sein Konzept für die öffentlichen Toiletten zu ändern.
Offenbar hatte er einen Tagesspiegel-Artikel zum Thema entdeckt, doch statt des Inhalts nur die etwas irreführende die Überschrift gelesen. Die allerdings reichte, um seiner Phantasie freien Lauf zu lassen.
„Das Begehren nach WLAN auf den Örtchen schlägt dem Ganzen den Boden aus. Normalerweise gibt es bei den heutigen Internet-Tarifen gar keinen Bedarf für unterwegs mehr. Sie werden damit nur einigen IT-Neandertalern Vorschub leisten, indem derer sich dann aufs Örtchen einschließen und den Verkehr und Umsatz behindern. Und Gruppen von Jugendlichen belagern die Anstalten des öffentlichen Bedürfnisses und schränken so eine gewisse Privatsphäre ein, strapazieren noch zuzüglich das Terrain.“
„Dezidiert“
In der vergangenen Woche nun der ganz große Schlag: In herrlich verquastem Deutsch forderte Thieme die BVV und das Bezirksamt auf, den Pankower Haushalt zu kürzen. Warum? Offenbar hatte er auch diesmal wieder irgendwo nur die Hälfte gelesen.
Schon der Eingangssatz seines Antrages war schlicht sachlich falsch:
„Der Doppelhaushaltsplan Pankows steht unter Vorbehalt des Senates.“
Darauf aufbauend, forderte er, den (längst verabschiedeten) Haushalt wieder aufzuschnüren und einzudampfen:
„Auf einige hundert Titel verteilt sind für jeden Empfänger die Kürzungen erkennbar demokratisch aufgeteilt und verschmerzbar, um das Allgemeinwohl des Bezirkes sicherstellen zu können. Partikularinteressen haben hier zurückzutreten.“
Jawoll!
Und damit auch keine Missverständnisse aufkommen:
„Dezidierte Vorschläge dazu erwarte ich von allen Fraktionen, meine diesbezüglichen Vorschläge entnehmen Sie bitte der mündlichen Begründung.“
Einen hatte er dann aber doch gleich schriftlich fixiert:
„Sollten die ungeplanten Mehrausgaben in der Jugendhilfe durch die enormen Kosten der Betreuung MuFl (Minderjährige unbegleitete Flüchtlinge – ODK) zurückzuführen sein, so sollten in erster Linie alle zur Verfügung stehenden Rechtsmittel zur nachträglichen medizinischen Altersbestimmung ausgeschöpft werden. Die Kosten für einen fälschlich eingestuften Scheinminderjährigen belaufen sich auf 5000-8000 € /mtl., welche dann eingespart werden könnten.“
Und weiter:
„Um Klarheit in die drei aufgeführten Defizitbereiche zu bekommen, fordere ich das BA auf, die falsch bzw. zu hoch angesetzten Finanztitel dezidiert den Verordneten zur Verfügung zu stellen als Ausgangsbasis zur effizienten Korrektor des Haushaltsplanes 18/19.“
Dass der Haushaltsplan des Bezirks mit allen seinen „Finanztiteln“ öffentlich auf den Webseiten des Bezirksamtes einzusehen ist, schien Thieme auch nach über einem Jahr als Bezirksverordneter noch nicht in Erfahrung gebracht zu haben.
Kein „Ja“. Nirgends.
Nachdem Tobias Thieme seinen Antrag vor der BVV noch einmal in ähnlicher Weise mündlich begründet hatte, trat Oliver Jütting, der Vorsitzendes des Finanzausschusses ans Rednerpult. Er klärte den fraktionslosen AfD-Mann darüber auf, dass der der Pankower Haushalt keinesfalls unter Vorbehalt des Senats steht, sondern nicht nur von der BVV, sondern auch – als Teil des Berliner Landeshaushaltes – vom Abgeordnetenhaus abgesegnet und beschlossen wurde.
Jeder andere hätte nun den Antrag – in der Einsicht, dass ihm jegliche Grundlage fehlt – zurückgezogen.
Nicht so Tobias Thieme.
Also kam es zur Abstimmung. Das Ergebnis: Abgelehnt. Ohne eine einzige Ja-Stimme.
Denn Tobias Thieme hatte sich beim Votum über seinen eigenen Antrag der Stimme enthalten.