Mehr als achtzig Anwohnerinnen und Anwohner demonstrierten am Sonntagabend durch das Gleimviertel für eine Anwendung des Kommunalen Vorkaufsrechts für das das Haus Gleimstraße 56.
Das Haus wurde in den vergangenen Wochen zum Preis von 7,9 Millionen Euro verkauft. Schon allein der irrwitzige Preis deutet darauf hin, dass der neue Eigentümer, so er denn zum Zuge kommt, mittels Modernisierung und anderen Preistreibereien die Miete in eine Höhe treiben könnte, die für die jetzigen Mieter nicht mehr zu tragen ist.
Der Demonstrationszug machte an mehreren Häusern Halt, vor denen Betroffene früherer Teuersanierungen berichteten.
Nur ein paar Meter entfernt, in der Gleimstraße 52, erzählte Oleg Myrzak seinen über Jahre währenden Kampf gegen die damaligen Eigentümer Christian Gérôme und Sascha Klupp – beziehungsweise deren Kampf gegen ihn.
Wie die Mieter des Hauses, das sie gewinnbringend sanieren wollten, erst durch einen sogenannten “Mietmanager” der Gérôme-Klupp-Gesellschaft psychologisch unter Druck gesetzt wurden (die Prenzlberger Stimme hatte darüber berichtet); wie die, die dann doch noch blieben, über Jahr und Tag ohne Wasser und Strom blieben und wie letztlich letztlich an seiner, Myrzaks, Wohnungstür ein Brandanschlag verübt wurde – der oder die Täter hatte man nie ermitteln können.
Doch nicht nur die damaligen Eigentümer, auch das Bezirksamt kam in seiner Erzählung nicht gut weg: Der damalige Bezirksstadtrat Kirchner habe nicht Gérôme, sondern ihm öffentlich die Schuld für die Eskalation gegeben – weil er sich angeblich nicht kooperativ gezeigt habe.
Später dann, so Oleg Myrzak weiter, habe man versucht, ihn mit Geld aus der Wohnung herauszukaufen. „Ich habe es abgelehnt. Ich habe alle Gerichtsverfahren gewonnen und bin immernoch hier.“
Die Zahl der Gerichtsverfahren, die Sven Fischer gegen den Eigentümer des Hauses Kopenhagener Straße 46 gewonnen hat, ist kaum noch zu zählen.
Auch die Mieter dieses Hauses wurden unter Druck aus ihren Wohnungen „heraussaniert“.
Fischer und seine Familie sind die letzten „Überlebenden“. Was sie alles erleben mussten – monatelang ohne Strom und Wasser, einen zugemauerten Schornstein, der fast zu einer Kohlenmonoxidvergiftung der letzten ´Bewohner geführt hätte – und nicht zuletzt Unzahl von Gerichtsprozessen, mit denen die Christmann-Gruppe Fischer aus der Wohnung herausklagen wollte, hat er auf einer Webseite dokumentiert. Sven Fischer Fazit: Ohne die Solidarität im Kiez hätte er die Sache nicht durchgestanden. Und:“Verlasst euch nicht auf die Politik!“ Die Mieter müssten die Dinge selbst in die Hand nehmen.
Ihren Abschluss fand die Demonstration an der Schwedter/ Ecke Korsöer Straße, wo ein Text der bewohner des Eckhauses Schwedter Straße 79 verlesen wurde, in dem auf die unhaltbaren Zustände in ihrem Wohnhaus hingewiesen wurde.
Der Umzug unter dem Motto „Kann denn Mieten Sünde sein“ war bereits der dritte „Protestspaziergang“ der Mieter aus der Gleimstraße 56. Weitere sollen folgen.
Impressionen
Anonym
Aug 23. 2018
Es ist wirklich unfassbar wie gewissen- und verantwortungslos einige Vermieter agieren. Es wird billigend in Kauf genommen, dass Bewohner ihr Leben verlieren und/oder deren Eigentum erheblichen Schaden nimmt. Ich könnte zu diesem Thema aus eigener leidvoller Erfahrung einiges beitragen.