
Es war schon beinahe ein Ritual: Fast immer, wenn Mieter in eine Sitzung des BVV-Ausschusses für Stadtentwicklung kamen, um ein Eingreifen des Bezirksamtes bei rüden und kostenträchtigen „Modernisierungen“ durch private Immobilieneigner zu erbitten, wurde ihnen von Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn oder dessen Fachbereichsleiter Christoph Speckmann die Belehrung zuteil, dass das soziale Erhaltungsrecht kein Mieterschutzrecht ist.
Vielmehr sei es ein Instrument, das auf den Erhalt der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in den festgelegten Gebieten zielt, um so Folgekosten zur Anpassung städtischer Infrastrukturen, die aus einem Bevölkerungsstrukturwechsel entstehen, zu vermeiden. Die positiven Effekte des sozialen Erhaltungsrechts für einzelne Mieter seien daher lediglich ein begrüßenswerter Kollateralnutzen, können aber nicht der Grund für ein Eingreifen sein.
Das klingt hart, ist aber rechtlich korrekt.
Kein Hilfsinstrument für einzelne Mieter oder Hausgemeinschaften
Das kommunale Vorkaufsrecht, mit dem in den sogenannten Millieuschutzgebieten in privatwirtschaftliche Transaktionen eingegriffen wird, ist Teil des Instrumentariums des sozialen Erhaltungsrechts. Es ist nur mit dem Erhalt der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung, nicht aber mit der Hilfe einzelner Mieter oder Hausgemeinschaften rechtlich zu begründen.
Da erscheint es mehr als nur befremdlich wenn – wie Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn nun verkündete – die Ausübung des Vorkaufsrechts von der Bereitschaft der Mieter des betroffenen Hauses, „freiwillige“ Mieterhöhungen zu akzeptieren, abhängig gemacht wurde. Denn damit wurde eine Gegenleistung für eine vermeintliche Leistung verlangt, die rechtlich gar nicht möglich ist: Die Ausübung des Vorkaufsrechts zum Vorteil einzelner Mieter oder einer einzelnen Hausgemeinschaft.
Entweder die Ziehung des Vorkaufsrechts ist aus stadtentwicklungspolitischen Gründen notwendig – dann hat sie unabhängig von der Bereitschaft der Bewohner zur „freiwilligen“ Mieterhöhung zu erfolgen. Oder aber sie erfolgt zu Gunsten der betroffenen Mieter – dann fehlt für den Eingriff in eine privatwirtschaftliche Transaktion die rechtliche Grundlage.
Kein wirtschaftliches, sondern ein politisches Instrument
Das kommunalen Vorkaufsrechts in sozialen Erhaltungsgebieten ist auch kein wirtschaftliches Instrument zur Erhöhung des Wohnungsbestands der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist eine politische Maßnahme zur – es sei hier noch einmal wiederholt – Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung, um Folgekosten für die Kommune zu vermeiden, die sich aus einer Veränderung der Bevölkerungsstruktur ergeben können.
Nimmt man dies ernst, dürfen kurzfristige wirtschaftliche Erwägungen beim Einstieg in einen Kaufvertrag keine Rolle spielen. Es sind dann „nur“ jene langfristigen Kosten abzuwägen, die der Kommune durch eine Änderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung drohen – zum Beispiel durch die notwendige Schaffung einer neuen, der veränderten Bewohnerstruktur anzupassenden sozialen Infrastruktur.
Politik kostet Geld – zuweilen sogar sehr viel Geld. Erst recht, wenn es sich um die Begrenzung der Auswüchse einer fünfzehn Jahre lang verfehlten Wohnungspolitik handelt.
Nicht jedes Haus, das in den Fokus des kommunalen Vorkaufsrechts gerät, muss auch vom Land Berlin – oder seinen Wohnungsbaugesellschaften – übernommen werden. Unbedingt notwendig ist es aber, dass der finanzielle Rahmen für die Umsetzung des Vorkaufsrechts so beschaffen ist, dass jeder potenzielle Käufer weiß: Verpflichte ich mich nicht zur Einhaltung der geforderten Erhaltungsbedingungen, kann ich den Kauf vergessen – egal, wie hoch der Preis für die jeweilige Immobilie getrieben wurde.
Nicht noch einmal „Sparen, koste es was es wolle“
Dass Instrumente wie das Soziale Erhaltungsrecht invclusive der Anwendung des kommunalen Vorkaufsrechts notwendig wurden, ist einer Politik zu verdanken, die von dem damals verantwortlichen Dream-Team Wowereit/Sarrazin mit den Worten „Sparen bis es quietscht“ charakterisiert wurde. Heute wissen wir: „Sparen, koste es was es wolle“, wäre der treffendere Slogan gewesen.
Die Kosten der damaligen Politik betragen schon heute ein Vielfaches des damals Eingesparten. Sei wurden und werden von allen getragen. Für den Einsatz von Instrumenten, die die Folgen der verheerenden Wowereit-Sarrazin-Politik für die Allgemeinheit dämpfen sollen, nun von einzelnen Betroffenen einen „freiwilligen“ Beitrag zu verlangen, ist nicht nur – wie beschrieben – rechtlich fragwürdig, es ist auch politisch unverschämt. Zumal der Zugewinn durch die Mietzinserhöhung bei den derzeit aufgerufenen Immobilienpreisen kaum ins Gewicht fallen dürfte.
Wenn die heute für die Berliner Politik Verantwortlichen trotz der Notwendigkeit, ausreichend hohe Geldsummen – die derzeit ja auch vorhanden sind! – in die Hand zu nehmen, um die vorhandenen Instrumente des sozialen Erhaltungsrechts auch scharf zu halten, wiederum auf Sparsamkeit und vermeintliche „Wirtschaftlichkeit“ pochen, wird in weiteren fünfzehn Jahren kein Geld der Welt mehr ausreichen, um die heutigen Versäumnisse zu korrigieren.
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