Anderswo funktioniert das lockerer. In Chemnitz zum Beispiel wurde der riesige Karl-Marx-Kopf des sowjetischen Monumentalbildhauers Lew Kerbel von den Einheimischen umgehend als „dor Nischl“ vereinnahmt (was auf Hochdeutsch soviel wie „der Schädel“ bedeutet). Das heroisch gemeinte wurde umgehend und lässig zum Komischen umfunktioniert. So blieb auch nach dem Ende der DDR „dor Nischl“ erhalten und als solcher ein wirkliches Wahrzeichen der Stadt. Keine Kommentierung, keine Erklärung – einfach „dor Nischl“.
In Berlin ist das seltsamerweise anders. Da wurde die riesige Leninstatue von Kerbels Kollegen und Landsmann Nikolai Tomski auf dem Leninplatz – der kurzzeitig inoffiziell „Ritter-Runkel-Platz“ hieß und heute den Namen „Platz der Vereinten Nationen“ trägt – schnöde zersägt und irgendwo im märkischen Sand vergraben.
Dabei hatte kein normaler Mensch das aus rotem Stein geformte Monument je wirklich als Stätte zum innigen Gedenken des russischen Revolutionärs gesehen. Der in die Architektur des Platzes eingepasste Klotz stand einfach da und wurde vom Volksspott kommentiert:
– „Warum fasst sich Lenin da an die Jacke?“
– „Der fasst sich nicht an die Jacke. Der hält seine Brieftasche fest!“
– „Wieso denn das?“
– „Wegen der hohen Mieten hinter ihm.“
Würde heute wieder passen.
Wechselseitige Vereinnahmungsversuche – verunsicherte Politik
Das von Lew Kerbel geschaffene Denkmal des einstigen Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Deutschlands Ernst Thälmann an der Greifswalder Straße stand nach der deutschen Vereinigung ebenfalls in der Gefahr, abgerissen zu werden. Das hatte zu Beginn der 1990er Jahre eine im Auftrag des Berliner Senats gebildeten Historiker-Kommission empfohlen. Weggeschafft wurden aber nur die daneben stehenden bronzene Texttafeln.
Schlagzeilen gab es Anfang Mai 1992, als ausgerechnet die Nazipartei FAP einen bundesweiten Aufmarsch am Thälmann-Denkmal plante. Ernst Thälmann wurde 1944 von den Nazis im KZ Buchenwald ermordet.
Eine nicht unerhebliche Anzahl von Gegendemosntranten protestierten so heftig gegen diese Verhöhnung, dass das nicht mal hundert Mann starke braune Häuflein und Polizeischutz das weite suchte.
Ein Jahr später wurde eine eine vom Kulturamt initiierte Tagung zu einer Suche für die Zukunft des Denkmals alternativ zum Abriss veranstaltet, die allerdings ergebnislos endete. Der Tagesspiegel schrieb damals: „Derzeit ist der Umgang mit diesem ungeliebten Geschichtsdenkmal weniger von Souveränität gekennzeichnet als von Hilfslosigkeit.“
So blieb Skulptur auf dem zugigen Platz zwar erhalten, verkam aber immer mehr: Vogeldreck von oben und Graffiti von unten waren die einzigen Veränderungen, die das Denkmal erfuhr.
Im Jahr 2000 wurde ein Aktionsbündnis Thälmann-Denkmal aus linken Parteien und Vereinen gegründet, das sich zum Ziel setzte, „einen würdigen Umgang mit dem Denkmal“ zu ermöglichen. Das Bündnis veranstaltete jährlich zwei Kundgebungen und putzte bei dieser Gelegenheit das Denkmal auch. Ab 2006 übernahm der Senat die Reinigung, allerdings mit bescheidenem Erfolg.
Ein halbes Jahrzehnt vom Beschluss bis zur Umsetzung
Ende 2013 beschloss die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Pankow, dass das Denkmal mit einer Kommentierung versehen werden sollte, bei der die Biographie Thälmanns und die Geschichte seines Denkmals „historisch kritisch aufgearbeitet, kommentiert und anschaulich gemacht werden“. Ein Kolloquium mit Denkmalschützern, Historikern, Kunsthistorikern, Stadtplanern und Anwohnern sollte sich mit dem Thema auseinandersetzen und Empfehlungen geben.
Als im Februar 2014 das Landesdenkmalamt für alle vor Ort überraschend das gesamte Bauensemble unter Denkmalschutz stellte, galt dieser Schutz auch für den Bronzethälmann.
Dann war erstmal Ruhe, denn dem Bezirk fehlten die Mittel, den BVV-Beschluss umzusetzen.
Im November vergangenen Jahres fand dann endlich das lange geplante Kolloquium statt. Als nächsten Schritt hat das Bezirksamt Pankow nun einen deutschlandweit offenen, zweiphasigen Kunstwettbewerb zur Kommentierung des Ernst-Thälmann-Denkmals ausgelobt. Für die Realisierung der künstlerischen Kommentierung stehen insgesamt 180.000 Euro zur Verfügung.
Bis April 2020 soll das Wettbewerbsverfahren abgeschlossen sein. Insgesamt 180.000 Euro stehen für die Realisierung der künstlerischen Kommentierung zur Verfügung.
Im kommenden Jahr soll übrigens auch die Sanierung der Bronzeplastik in Angriff genommen werden. Denn im vergangenen Sommer wurde bei einer Inspektion erheblicher Rostfraß an den Stützstreben im Inneren des Monuments festgestellt, der auf Dauer die Statik der Skulptur gefährdet.
Und das wäre ja dann wirklich sehr berlinisch: Die Kommentierung ist endlich fertig – aber das Denkmal ist futsch.
Foto oben: Jan Künzel
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Jul. 05. 2019
Kann man den nicht einfach so stehen lassen, ohne wieder sinnlos Geld zu investieren für irgendeinen Mumpitz? Er gehört zu unserer Geschichte. Punkt aus
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Jul. 06. 2019
Ja, leider gehört er zu unserer Geschichte…Hätte auf ihn u seine Landsleute nach dem 2. WK gern verzichten können…Weg mit ihm sag ich nur…