Die Entscheidung zum zumindest teilweisen Abriss des Eisenbahndenkmals am S-Bahnhof Pankow-Heinersdorf – Rundlokschuppen, Ringlokschuppen, Sozialgebäude – scheint so gut wie gefallen zu sein. Zugunsten eines Schulneubaus. Und zu Gunsten des Eigentümers Kurt Krieger, der dieses technische Denkmal mit Vorsatz verfallen ließ. Der Möbelhaustycoon erntete mit seiner Forderung, die Denkmäler zu schleifen, kaum Widerspruch
Eine „Aktuelle Stunde“ zum Thema „Pankower Tor“ stand zum Beginn der gestrigen Tagung der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV) auf dem Programm. Beantragt wurde sie von der Zählgemeinschaft aus Linkspartei, Bündnisgrünen und SPD, doch eröffnet wurde die Diskussion nicht von einem der Initiatoren, sondern von Möbelhaustycoon Kurt Krieger, dem Eigentümer des ehemaligen Rangierbahnhofsgelände zwischen den S-Bahnstationen Pankow und Heinersdorf.
Und der zog kräftig vom Leder.
„Machen Sie Dampf!“ rief er mehrfach in den Saal und meinte damit zuvorderst den Abriss des historischen, unter Denkmalschutz stehenden Gebäudeensembles des ehemaligen Bahnbetrebswerkes Pankow am S-Bahnhof Heinersdorf.
Grundstücke als Tauschobjekt erworben
Krieger hatte das Grundstück an der Heinersdorfer Brücke im Wissen um die denkmalgeschützten Gebäude vor acht Jahren erworben, in der Hoffnung, es im Ausgleich für die Erfüllung seiner Wünsche – dem Bau einer Shopping-Mall und mehreren Möbelhäusern auf dem alten Rangierbahnhofsareal – dem Bezirk für die Errichtung einer Schule zu überlassen.
Doch eine Machbarkeitsstudie hatte ergeben, dass er Platz dort wegen der geschützten Gebäude für eine Oberschule nicht groß genug ist. Auch das lauschige Plätzchen am Bahnhof Pankow, auf dem heute die rote Infobox steht und das Krieger der Kommune für einen Grundschulbau überlassen wollte, erwies sich als ungeeignet.
Daher favorisierte der Bezirk eine Gemeinschaftsschule, die in der Mitte des künftigen Wohngebietes Pankower Tor ihren Platz finden sollte.
Doch die einzige Fläche, die Krieger auf seinem Hauptgrundstück dafür hergeben wollte, war nur eingeschränkt bis gar nicht nutzbar: Dort verläuft eine Kabeltrasse, die nicht bebaut werden darf.
Wiederherstellung der verfallenen Gebäude würde Millionen kosten
Krieger ließ derweilen die historischen Gebäude bewusst verfallen – wohl auch in der Hoffnung, dass ihm – wenn er erst einmal Ruinen geschaffen hat, eine Abrissgenehmigung nicht verwehrt werden würde.
Tatsächlich aber wurde der Antrag auf Abriss des Denkmalensembles abschlägig entschieden. Stattdessen wurde Krieger auf Antrag des Bezirks gerichtlich verpflichtet, den Rundlokschuppen und das Sozialgebäude zumindest erst einmal zu sichern. Beim Ringlokschuppen sah das Gericht davon ab, weil das Gebäude mit nur einem Meter Abstand an die dort vorbeiführende Ferngleise grenzt und eine Sicherung wegen der Gefährdung der Bauarbeiter dort nicht zumutbar sei.
Auf das – noch nicht rechtskräftige – Urteil bezog sich Krieger nun auch in seiner Rede: Er sei ja nur verpflichtet worden, die Gebäude zu sichern, nicht aber instand zu halten.
Was er nicht sagte: Da das Gericht ausdrücklich darauf hinwies, dass Krieger selbst den Verfall zu verantworten hat, dürfte auch ein Verfahren zu Wiederherstellung der unter Schutz stehenden historischen Gebäude nicht ganz ohne Erfolgsaussichten sein. Das könnte für Krieger Kosten in einer kleinen zweistelligen Millionenhöhe bedeuten.
Also rief er die Bezirksverordneten erneut zu: Machen Sie Dampf!“, Und malte dann in düsteren Bildern aus, was seiner meinung nach passieren würde, wenn der „Dampf“ ausbliebe. Die Denkmäler würden Ruinen bleiben, die dann dort, wo das geplante Wohnungsbaugroßprojekt „Blankenburger Süden“ auf das Pankower Tor treffe, einen „Schandfleck“ bildeten. Krieger: „Wollen Sie in Berlins größtem Wohnungsbaugebiet eine Ruine haben?“
Und er vergaß auch nicht, eine seiner während der vergangenen Jahre immer mal wieder hervorgeholten Lieblingsdrohung vom Ende des Projekts zu variieren:
„Wir müssen dann halt nach zehn Jahren sagen, wir haben es nicht gepackt. Ich bin da auch nicht blauäugig, man kann nicht alles packen.“
CDU-Fraktionschef Johannes Kraft: Krieger hat dem Bezirk viele Wünsche erfüllt
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Roland Schröder zeigte im Anschluss an Kriegers Philippika demonstrative Abrissbereitschaft: Das Sozialgebäude aus dem Jahr 1961 könne weg. Auch der Ringlokschuppen (erbaut 1901- 1906) sei entbehrlich, denn davon gebe es in Deutschland noch einige. Einzig der aus dem Jahr stammende 1893 Rundlokschuppen sei erhaltenswert, davon gäbe es außer jenem in Heinerdorf keinen mehr in Deutschland.
Schröder wie darauf hin, dass beim Abriss des Denkmals die Schule direkt an der S-Bahn-Station läge – was für die Schüler von Vorteil wäre. Wäre die Schulstandortfrage gelöst, könnte man noch Ende dieses Jahres diese Jahres den Aufstellungsbeschluss für die Bauplanung fassen.
Auch der CDU-Fraktionschef Johannes Kraft plädierte für den Denkmalabriss zugunsten eines dortigen Schulstandortes.
Er habe sich, so Kraft, mal die Mühe gemacht, zu recherchieren, wie oft und wie lange sich die Bezirkspolitik bereits mit dem ehemaligen Rangier- und Güterbahnhof befasst habe. Er habe dabei 21 Drucksachen gefunden, die älteste stamme aus dem Jahr 2006.
Kraft erinnerte daran, dass es in der langen Geschichte des Projekts immer wieder Wünsche an Immobilieneigentümer Krieger gegeben habe, deren Erfüllung dann auch in die Planungsdiskussion mit aufgenommenen wurde. Als Beispiele nannte er massiven Wohnungsbau anstelle eines eigentlich vom Eigentümer angedachten Kurt-Krieger-Gedenk-Park, die nachträgliche Implementierung eines breiten Radwanderweges („Panke-Trail“) oder die Reduzierung der von Krieger ursprünglich geforderten Einzelhandelsfläche.
Wolfram Kempe (Linksfraktion): „Sogenannte Denkmäler“
Wolfram Kempe, Verkehrsexperte der Linksfraktion, der zusammen mit SPD-Mann Schröder seit nunmehr neun Jahren einer der politischen Hauptakteure in Sachen Pankower Tor ist, schloss sich der Argumentation seines christdemokratischen Vorredners ausdrücklich an. Auch er plädierte für einen Schulbau anstelle der – wie er es formulierte – „sogenannten Denkmäler“.
Zugleich räumte Kempe Fehler im Vorgehen der vergangenen neun Jahre ein: Man habe zu unkoordiniert gehandelt, oft den fünften vor dem dritten Schritt in Angriff genommen. So hätten bei den – letztlich erfolglosen – Werkstattgesprächen zwischen Eigentümern, Bezirk und Senatsverwaltung Mitte des Jahrzehnts lange Zeit architektonische Fragen eine Rolle gespielt – ohne, dass alle anderen Dinge bereits klar gewesen wären.
Kempe sprach sich dafür aus, nun unverzüglich mit der Bauleitplanung zu beginnen. „„Ein weiterer Aufschub ist nicht mehr tragbar.“ Im Prozess der Bauleitplanung könne man dann immer noch über die Architektur diskutieren.
Einzig die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen wandte sich explizit gegen einen Abriss des Denkmalensembles.
Fraktionsvorsitzende Cordelia Koch lobte erst einmal Kurt Krieger dafür, dass er der Streckenführung des Radwanderwegs des „Panketrail“ über das „Pankower Tor zugestimmt hat und würdigte darüber hinaus, dass er gemeinsam mit dem Bezirk ein innovatives Gewerbe- und Wohnkonzept umsetzen wolle.
Sie erinnerte aber auch daran, dass Kurt Krieger sich ja ursprünglich mit dem Pankower Tor ein Denkmal setzen wollte. Und, so Koch, vielleicht wird jenes Wohnviertel später ja tatsächlich einmal auf der Denkmalliste stehen. Doch dazu gehörten eben auch die heutigen Denkmäler.
Letztes Wort hat die Denkmalschutzbehörde
Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn (Bündnis 90/ Die Grünen) stellte einen Aufstellungsbeschluss für die Bauleitplanung für Februar in Aussicht. Noch kurz vor Beginn der BVV-Tagung habe er dem Büro von Kurt Krieger eine umfängliche Stellungnahme des Bezirksamtes übermittelt. Auch der Standort der Schule sei dort aufgeführt – allerdings vermied es Kuhn, dabei genauer zu werden. Er erwähnte lediglich, dass er froh sei, dass die Schule nicht mehr auf der Kabeltrasse innerhalb des Kriegergrundstücks verortet werde.
Am Rande der Tagung war zu hören, dass im Bezirksamt tatsächlich ein Abriss zumindest des ehemaligen Sozialgebäudes und des Ringlokschuppen erwägt. Nötig wäre dafür allerdings mehr als nur ein Bezirksamtsbeschluss. Denn die Aufhebung des Denkmalschutzes obliegt allein der Denkmalschutzbehörde – und die ist in ihrer Entscheidung unabhängig. Weder Bezirksamt, noch eine Senatsverwaltung haben ihr gegenüber eine Weisungsbefugnis. Und die Pankower Leiterin der Denkmalschutzbehörde ist bisher nicht dafür bekannt geworden, sich politischem Druck zu beugen.
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Stephan Mops via Facebook
Okt 31. 2019
Beeindruckende Gebäude ! Verlieren wir nicht eine Chance, wie wir schon eine einzigartig-artige, mit dem Errichten des sogn. Stadt-Schloss verloren haben. Mitten in der Stadt – eine Lächerlichkeit ! Stephan Kutsch 🇪🇺😎🏳️🌈
Fritz Bocks
Nov 01. 2019
Ich weiß nicht, was Hr. Schröder mit „einige“ meint, wenn er von Ringlokschuppen spricht. Google Map weist 4 Standorte in ganz Deutschland aus. Einer davon ist der Pankower. Das ist ziemlich wenig.
Roland Wolf via Facebook
Nov 01. 2019
Ihr habt doch nicht mehr alle, kein Stück DENKMAL ist sicher und denkt nur ans PLATT MACHEN, TRAURIG 😢 Ich hoffe stark das die DENKMALSCHUTZ- BEHÖRDE euch und den Kurt Krieger ein Strich durch die Rechnung machen.!!
Roland Wolf via Facebook
Nov 01. 2019
Vielleicht sollte ich eine Demo anmelden und eine Menschenkette um die DENKMÄLER machen.! 😅👌
Jens Müller via Facebook
Nov 04. 2019
Ja, machensemal.
Ulf Teichert
Nov 12. 2019
„Und die Pankower Leiterin der Denkmalschutzbehörde ist bisher nicht dafür bekannt geworden, sich politischem Druck zu beugen…“ Nein, diese Frau ist viel eher dafür bekannt, sich in Sachen Denkmalschutz wegzuducken und sich der „Argumente“ zahlungskräftiger Bauherren (z.B. Gesobau) zu beugen. Beste Beispiele dafür sind die vollkommen aus dem Ruder gelaufene Sanierung des Denkmalschutz-Ensembles zwischen Lauterbach- und Lohmestraße im Kissingenviertel sowie die Ruinierung des ebenfalls unter Denkmalschutz stehenden Pistoriusplatzes in Weißensee durch eine außer Rand und Band geratene Baugruppe. Übrigens: An beiden Katastrophen waren/sind die zuständigen Bezirksstadträte Kirchner (ehemals) und Kuhn (aktuell) aktiv beteiligt.