„Ossietzkystraße wird noch 2019 zur Fahrradstraße…“- öhm… nö… doch noch nicht


 

Seit über sechs Jahren schon ist eine Verkehrsberuhigung des Karrees Ossietzkystraße – Majakowskiring – Stille Straße – Tschaikowskystraße im Gespräch. Denn diese Wohnstraßen sind längst zu einer veritablen Umgehungsstraße für die Grabbeallee geworden. Mit Verkehr, der an Wochentagen zum Teil dem einer Hauptstraße gleicht. In dem Wohngebiet befinden sich unter anderem sieben Kitas, ein Kinder- und Jugendfreizeithaus und die Pankower Bezirksmusikschule.
Die Gefährdung von Kindern durch den sich durch die kleinen Straßen drängenden Verkehr ist nicht nur abstrakt, es gab Unfälle, mehrfach wurden bereits Kinder angefahren.

Dennoch tat sich sechs Jahre lang nichts – mit den üblichen Begründungen: Keine Leute, kein Geld, und überhaupt…

 

Bezirksverordnetenversammlung beschließt einstimmig Verkehrsberuhigung

Im Frühsommer 2018 brachte der CDU-Fraktionsvorsitzende Johannes Kraft einen Bürgerantrag in die Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV) ein, in dem rigorose Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung gefordert wurden.

So unter anderem die Ausweisung einer Spielstraße in der Stille Straße mit wechselseitiger Anordnung von Aufstellflächen für Kraftfahrzeuge, die Einrichtung einer Fahrradstraße im Wohngebiet sowie Fahrbahnverschwenkungen und Gehwegvorstreckungen. Der Antrag wurde von der BVV im Oktober vergangenen Jahres einstimmig angenommen.

Im Februar 2019 teilte Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn (Bündnis 90/ Die Grünen) in einem 1. Zwischenbericht an die Bezirksverordneten mit: Eine Untersuchung, ob die gewünschten Verkehrsberuhigungsmaßnahmen durchgeführt werden können, kann derzeit nicht erfolgen, weil Baustellen rings um das Untersuchungsgebiet kein realistisches Ergebnis erwarten lassen. Außerdem wisse man nicht, aus welchem Budget die Untersuchung finanziert werden könnte.

Soviel Ungewissheit mochten die Anwohner nicht hinnehmen und machten im März mit einer Fahrraddemonstration auf die nach wie vor unerträgliche Situation aufmerksam.

 

Prognosen, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen…

Im Mai dann die Nachricht von Bezirksstadtrat Kuhn, dass trotz unklarer Finanzierung noch im laufenden Jahr ein Verkehrsgutachten in Auftrag gegeben werden und zudem mit einer Verkehrszählungen überprüft werden soll, ob für den “Streckenzug Ossietzkystraße/ Majakowskiring/ Stille Straße/ Güllweg die rechtliche Grundvoraussetzung zur Umwandlung in eine Fahrradstraße“ gegeben sind.

„Diese besteht darin“, lässt Kuhn da im schönsten Beamtendeutsch verlauten, „dass der prognostizierte Radverkehr nach der Realisierung der Maßnahme die überwiegende Verkehrsform sein wird. Die im vergangenen Jahr in diesem Gebiet von der Verkehrslenkung Berlin (VLB) durchgeführten Knotenstromzählungen sind für die Begründung einer Fahrradstraße nicht ausreichend, da diese keine Rückschlüsse über den Anteil des motorisierten Durchgangsverkehrs zulassen.“

Übersetzt heißt das wohl: „Man muss vorher zählen um zu wissen, ob hinterher viele Fahrrad- und wenige Autofahrer die Straße nutzen. Die vorangegangene Zählung konnte nicht ermitteln, ob hinterher weniger oder mehr Autos die Straße nutzen.“

Mit so viel Logik konfrontiert, rüsteten die Anwohner zur nächsten Aktion: Eine Straßenblockade.

 

Ein Rundschreiben, ein Rundschreiben! (frei nach Loriot)

Justament 48 Stunden vor der geplanten Straßenbesetzung am 23.Mai überraschte der Bezirksstadtrat die Anwohner mit der frohen Botschaft: „Ossietzkystraße wird noch 2019 zur Fahrradstraße“.
Bislang, so war in der die Nachricht verbreitenden Pressemitteilung zu lesen, war man in Kuhns Abteilung

„davon ausgegangen, dass der Einrichtung einer Fahrradstraße zwangsweise eine Verkehrszählung vorausgehen muss, eine kostenintensive Maßnahme, deren Finanzierung bislang noch ungeklärt war. Grundlage zur aktuellen Neubewertung der Situation ist unter anderem ein Rundschreiben der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. (…) Die rechtliche Grundvoraussetzung zur Umwandlung in eine Fahrradstraße besteht laut des Schreibens darin, dass der prognostizierte Radverkehr nach der Realisierung der Maßnahme die überwiegende Verkehrsform sein wird. Erst nach der Umsetzung muss dann regelmäßig überprüft werden, ob diese Prognose zutrifft.“

Man lernt: Für die Erkenntnis, dass man erst hinterher sehen kann, ob eine Prognose auch zutrifft, braucht es Rundschreiben von übergeordneter Stelle.
 

Überraschung: Es kostet und muss ausgeschrieben werden

Die Straßenbesetzung fand trotzdem statt – vorsichtshalber. Denn ob die Prognose, dass die Ossietzkystraße noch 2019 zur Fahrradstraße wird, auch tatsächlich zutrifft, weiß man erst, wenn die Fahrradstraße am 31. Dezember 2019 da ist – oder eben nicht da ist.

Um es kurz zu machen, sie wird nicht da sein.

Wie Stadtrat Kuhn nun mitteilen lässt, habe sich im Verlauf der Planungen gezeigt, dass die Umsetzung des Vorhabens nicht bis Ende des Jahres abgeschlossen sein werden.

„Nach Vorlage der verkehrlichen Anordnung Anfang Oktober“, heißt es in der dazu veröffentlichten Pressemitteilung des Bezirksamtes,

„wurde angesichts des Gesamtumfangs der Leistungen von ca. 210.000 Euro klar, dass diese nicht über vorhandene Rahmenverträge abgearbeitet werden können, sondern ausgeschrieben werden müssen. Es folgten umfangreiche Bemühungen, zumindest mit Markierung und Beschilderung noch eine Teilleistung in 2019 umzusetzen, was sich jedoch nach eingehender Prüfung als nicht machbar erwiesen hat. Denn nachträglich notwendige Bauleistungen wie z.B. Vorstreckungen würden dazu führen, dass die neuen Markierungen zeitnah wieder entfernt werden müssten. Die Gesamtausschreibung wird noch kurzfristig im November erfolgen, so früh, wie es die winterliche Witterung dann erlaubt, wird anschließend mit den Bauarbeiten begonnen.“

Eine Fertigstellung soll nun zum 2. Quartal 2020 erfolgen.

Unter Umständen.

Vielleicht.

Möglicherweise.

 

 



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