Mit Gondeln über Pankow gondeln?


 

Ein große Raunen ging in den vergangenen Tagen durch Blättrerwald und Netz, als Bezirksbürgermeister Sören Benn (Die Linke) Medienvertreter zu einem von ihm initiierten Fachvortrag des Verkehrswissenschaftlers Heiner Monheim einlud und auch gleich den Grund der Einladung kommunizierte:

„Ziel des Termins ist es, sich einer Antwort auf die Frage zu nähern, ob und unter welchen Voraussetzungen in welchem zeitlichen Horizont Seilbahnsysteme im Nordostraum, z. B. im Blankenburger Süden, in Karow und Buch oder auch als Tangentiale geeignet sein können, diese Stadträume mit dem ÖPNV vergleichsweise zügig und platzsparend, emissions- und fahrplanfrei zu versorgen. Angesichts der hinreichend bekannten Hürden zur Erschließung des Berliner Nordostens ist aus Sicht des Bezirksbürgermeisters eine nähere Betrachtung dieses Verkehrsmittels durchaus angemessen.“

 

Kein Wohnungsbau ohne Verkehrslösung

Der Pankower Norden ächzt jetzt schon unter der Verkehrslast, Staus sind in den Hauptverkehrszeiten sind die Regel. Das allein wäre Grund, sich über eine gründliche Verkehrslösung Gedanken zu machen.

Dazu kommt der geplante Wohnungsneubau in erheblichem Umfang. Gerade erst hatte der BVV-Ausschuss für Stadtentwicklung die aktuellen und ferneren Wohnungsbauprojekte Revue passieren lassen: Michelangelostraße, Pankower Tor, Blankenburger Süden, Karow, „Buch IV“… Mehr als 20.000 Wohnungen für mindestens 40.000 Menschen sollen im Bezirk entstehen, ein Großteil im Norden des Bezirks.

Doch von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz unter Senatorin Regine Günther (Bündnis 90/ Die Grünen) war bisher wenig Konkretes zu hören: Für eine Straßenbahnverlängerung zur Erschließung des Blankenburger Südens ist gerade mal eine „Vorzugstrasse“ kartiert, eine mögliche S-Bahn-Verbindung Wartenberg-Karow nicht in Sicht und auch der Straßenneu- und Ausbau ist noch nicht einmal in konkreter Planung. Dabei ist klar: Solange es keine Verkehrslösungen für den Pankower Norden gibt, ist ein Wohnungsbau in Größenordnungen nicht realisierbar.
 

Anlieger wollen U-bahn bis nach Buch

Im Sommer vergangenen Jahres fanden sich daher 17 Vereine und Initiativgruppen unter Federführung des CDU-Abgeordneten Dirk Stettner und des CDU-Fraktionsvorsitzenden in der Pankower bezirksverordnetenversammlung Johannes Kraft zusammengefunden, um nicht nur ihrem Unmut Luft zu machen, sondern auch Vorschläge zu unterbreiten.

Das Ergebnis, das im Oktober vorgestellt wurde, bekam den Namen „Vision 2030“. Die Vorschläge gingen von der Verlängerung von Straßenbahn- und S-Bahnlinien, den Ausbau des S-Bahnhofs Buch zu einem Regionalbahnhof und den Straßenneubau bis hin zu einer Verlängerung der U-Bahnlinie U2 über den Blankenburger Süden über Karow bis nach Buch.

Manches, wie die Erweiterung des Straßenbahnnetzes, erscheint dabei naheliegend, anderes – wie zum Beispiel ein U-Bahn-Bau bis an die nördliche Grenze Pankows – dürfte eher eine eine Vision bleiben. Erstens wegen der Kosten: Ein Kilometer U-Bahn kostet bis zu 300 Millionen Euro, ein Kilometer Straßenbahn ist ab zehn Millionen Euro zu haben. Zweitens aber auch wegen der bedeutend längeren Bauzeiten, die so ein Tunnelbauwerk benötigt.
Doch auch die Planungen von Straßenbahntrassen ziehen sich hin – und es steht zu befürchten, dass ein Wohnungsbau-Großprojekt wie der Blankenburger Süden wegen des Fehlens einer überzeugenden Verkehrslösung weiter ausgebremst wird.
 

Beispiel New York

Wie zumindest dieses Problem relativ schnell, kostengünstig und energiesparend gelöst werden könnte, zeigt ein Blick über den Großen Teich.

„The Tram“

Roosevelt Island ist eine schmale, rund 60 Hektar große Insel im East River in New York City zwischen den Stadtteilen Manhattan und Queens. Ursprünglich befanden sich hier einmal Haft- und Krankenanstalten. Im Jahr 1968 beschloss die Stadtverwaltung, die Insel in ein verkehrsfreies Wohngebiet umzuwandeln, ein Jahr später begann der groß angelegte Wohnungsbau.

Doch der Bau der vorgesehenen U-Bahnstrecke unter dem East River, der das Wohngebiet verkehrlich erschließen sollte, ließ auf sich warten. Um das neu entstehende Wohngebiet auch von Manhattan aus zu erschließen, entschied man sich wegen der kurzen Bauzeit für eine Luftseilbahn als provisorische Transportlösung.
Parallel mit der Fertigstellung der ersten Wohnkomplexes auf Roosevelt Island wurde 1976 auch die Seilbahn eröffnet. Als am 9. Oktober 1989 endlich die U-Bahn in Betrieb ging, war „The Tram“ längst zu einer festen New Yorker Einrichtung geworden.

 

Ganze Streckennetze in Medellin und La Paz

Und die us-amerikanische Metropole ist nicht die einzige Großstadt, dies sich dieses Verkehrsmittel, das man sonst vorrangig an Skipisten und bei Gartenschauen sehen kann, zu Nutze gemacht hat.

Medellin

So wurde in der einstigen kolumbianischen Kokain-Metropole Medellin 2004 nach nur 14 Monaten Bauzeit eine erste Seilbahnlinie im Stadtteil Santo Domingo Savio fertig gestellt, die auch direkt mit der zentralen Metrolinie Medellíns verbunden ist.
Bis 2010 folgten drei weitere Linien.

In der bolivianischen Hauptstadt La Paz schwebt man seit 2014 mit Gondeln von A nach B.
Das dortige Seilbahnnetz besteht derzeit aus zehn Linien und ist damit das größte städtische Seilbahnnetz der Welt.

La Paz

Die Vorteile gegenüber anderen Verkehrsmitteln scheinen zumindest auf einer Strecke von fünf, sechs Kilometern klar auf der Hand zu liegen: Bei einer entsprechenden Kabinengröße können fünf- bis siebentausend Personen in der Stunde befördert werden, die Bahnen sind nicht laut, der Energiebedarf ist – weil die Kabinen keinen Motor mitschleppen müssen – geringer als bei einer Straßenbahn, und der Platzverbrauch ist ebenfalls minimal: Neben den barrierefrei zu gestaltenden Ein- und Ausstiegen braucht eine solche Seilbahn nur wenig Platz zur Aufstellung der Masten.

 

Auch deutsche Städte planen Seilbahn-Linien

Diese Vorteile scheinen sich langsam auch in Deutschland herumzusprechen. Die Stadt Kempten möchte mit einer Seilbahn den Bahnhof mit der Innenstadt verbinden, Dachau will den Bahnhof an die U-Bahn mit einer Seilbahn anbinden und in München soll eine Seilbahn die Verbindung zwischen dem Nordosten und dem Nordwesten der Stadt verbessern. In Stuttgart wird gar über den Bau von vier Trassen nachgedacht.

Gärten der Welt, Marzahn – Foto: A.Savin

Auch in Berlin gibt es bereits eine Seilbahn: Seit 2017 pendelt sie vom U-Bahnhof Kienberg (U5) über das Wuhletal und die Zwischenstation „Wolkenhain“ zu den Gärten der Welt am Blumberger Damm und wieder zurück. Allerdings war ihr Bestand lange nicht gesichert. Die BVG wollte sie nicht, nun hat der Senat sie immerhin in den Nahverkehrsplan 2019 bis 2023 aufgenommen. Was bedeutet, dass geprüft wird, ob und wie sie sich in das ÖPNV-Angebot des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB) einbinden lässt.

 

Nicht die erste Pankower „Eigenmächtigkeit“

Dass nun über den Bau einer regulären „Linienseilbahn“ nachgedacht werden soll, erscheint zwar an sich schon erstaunlich. Das tatsächliche Novum ist aber, dass der Vorstoß aus dem Bezirksamt Pankow kommt. Denn für die Planung des öffentlichen Nahverkehrs ist der Senat zuständig. Doch dort kommt man nicht erst seit dem Amtsantritt der grünen Senatorin Regine Günther nicht aus dem Knick.

So hatte der Bezirk Pankow nach jahrelangem nicht erhörten Flehens in Richtung – damals noch sozialdemokratisch geführter – Senatsverkehrsverwaltung, für die Erschließung des Pankower Tors doch bitte, bitte, eine Straßenbahntrasse zu planen, schließlich das Heft des Handelns selbst in die Hand genommen und auf eigene Kosten ein Gutachten erarbeiten lassen.
Dann dauerte es aber immerhin noch einmal ein bis zwei Jahre, bis sich die Erkenntnis, dass eine Tram besser ist, als eine Schnellstraße, auch wirklich durchgesetzt hatte.

Mal sehen, wie lange es dauert, bis die nun grüne Senatsverwaltung auf die Seilbahn abfährt.

 



3 Kommentare zu “Mit Gondeln über Pankow gondeln?”

  1. Beamen. Da geht die nächsten Jahre noch was. Gleich vom Bett auf die Arbeit und zurück…..?

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  2. Der Wahnsinn kennt mal wieder keine Grenzen ????

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  3. heiner funken

    Jan 17. 2020

    quer denken, sprich lösungen jenseits der standartds suchen ist ein erprobtes mittel um verkrustungen aufzulösen und fortschritt zu generieren.

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