Essen durchs Fenster – Sozialcafé „Treffpunkt“ im Notbetrieb


 

Das Paket kam aus Hamburg-Eppendorf, adressiert an das von der Heilsarmee geführte Sozialcafé „Treffpunkt“ in der Kuglerstraße. Inhalt: Ein Packen Gesichtsmaske, wie wie sie derzeit überall getragen werden – und eine Karte mit der Aufschrift „Für die Helden der Straße“.

Der Name der Absenderin sagte Siegfried Fischer, der den Anlaufpunkt für Obdachlose und sozial Benachteiligte seit fast drei Jahrzehnten leitet, erstmal nichts. Woher die ihm unbekannte Hamburgerin das „Treffpunkt“ in Prenzlauer Berg kannte, weiß er nicht. Doch ist diese Gabe ein Beispiel dafür, wie sehr die Arbeit des kleinen Teams um „Treffpunkt“-Leiter Siegfried Fischer nicht nur in Prenzlauer Berg geschätzt wird.

 

Täglich hundert Essensportionen

Das Sozialcafé heißt nicht nur „Treffpunkt“, es ist auch einer. In „normalen“ Zeiten kommen hier täglich an die siebzig Menschen zusammen, die auf Grund ihrer sozialen Situation sich nicht immer etwas zu essen leisten können, Menschen, deren minimales oder wie bei Obdachlosen – zuweilen gar nicht vorhandenes – Einkommen, vorne und hinten nicht reicht, bekommen hier eine Mahlzeit. Auch eine Kleiderkammer ist vorhanden, duschen kann man sich hier ebenfalls.

Mahlzeiten durchs Fenster gereicht

Doch die Hilfe reicht über die physischen Bedürfnisse hinaus: So gibt es Sozialberatung, Unterstützung bei Behördengängen oder einfach auch mal nur ein ganz persönliches Gespräch, wenn einem der Gäste mal die Sorgen ganz besonders schwer auf der Seele lasten. Nicht zuletzt ist das tägliche Zusammensein von großem Wert, denn Armut macht auch einsam.

Als Mitte März das öffentliche Leben in Berlin wegen der Covid-19-Pandemie zum erliegen kam, musste auch das Sozialcafé in der Kuglerstraße schließen. Zumindest weitgehend. Denn die Essensausgabe wurde aufrecht erhalten.
Die erfolgt täglich von 12.30 bis 15 Uhr durch ein Fenster der im Parterre gelegenen Einrichtung. „Glücklicherweise ist über uns ein Balkon“, erzählt Siegfried Fischer lachend. „So werden die Gäste bei Regenwetter wenigstens nicht nass.“

 

Unterstützung funktioniert auch in der Krise

Die ersten Gäste sind bereits gegen zwölf, warten am Haus, plaudern, und halten, naja, meistens, auch den gebotenen Abstand ein.

Zwar erhält die Heilsarmee zur Unterstützung ihrer Arbeit finanzielle Zuwendungen vom Bezirk – doch die decken or allem die Fixkosten wie Raummiete und Gehälter der Mitarbeiter ab. Die Mahlzeiten – derzeit sind es rund 100 pro Tag – müssen durch Spenden von Unterstützern eingeworben werden. Dass das funktioniert, darauf kann sich Siegfried Fischer auch n der derzeitigen Krisenzeit verlassen.

Indische Spezialiäten durchs Febster gereicht

An dem Tag, an dem die Prenzlberger Stimme das Sozialcafé besuchte, wurde das Mittagessen von der in der Gleimstraße ansässigen indischen Spezialitätengaststätte GOA 2 geliefert.
Bereits seit 2004 – mithin seit 16 Jahren – kommt Lokalinhaber Muhamad Iqbal, der im Ehrenamt auch stellvertretender Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes Schönhauser Allee ist, mit einmal im Monat mit Gerichten seines Restaurants in die Kuglerstraße, die dann von Mitgliedern seines Ortsverbandes verteilt werden.

Obwohl natürlich auch das GOA 2 derzeit geschlossen ist und die Einbußen entsprechend sind, wurde die Tradition beibehalten. Weil ein gemeinsames Essen diesmal nicht möglich ist, schickte Muhamad Iqbal das Mittagsmahl in Aluassierten portioniert in die Kuglerstraße.

Auch die anderen Lieferanten, so erzählt Siegfried Fischer, sind dem Café Treffpunkt während der Corona-Krise treu geblieben.
So habe der REWE-Markt der trotz des enormen Warenabkaufs in den Supermärkten in den vergangenen Wochen auch weiterhin Lebensmittel abgibt und auch von der Berliner Tafel bekäme man reichlich – trotz der zuweilen in der Zeitung stehenden Berichte, dass die Tafelspenden rückläufig seien. „Vielleicht liegt das ja daran, vermutet Siegfried Fischer, „dass die Tafel derzeit nicht kaum Ausgabemöglichkeiten hat“.

 

Ostern ohne Ende

Ein solches Problem hat auch das Café Treffpunkt – und zwar mit der Kleiderkammer. Da das Café für die Besucher geschlossen ist, kann natürlich auch niemand in die Kammer, um sich neue Bekleidung auszusuchen und anzuprobieren. Andererseits kommen aber gerade jetzt nicht wenige Spendenangebote. Doch weil kein Platz zur Aufbewahrung vorhanden ist, muss Siegfried Fischer die Leute auf später vertrösten.

Auch die Beratungen sind weniger geworden, sagt Sozialpädagoge Carsten Dax – ganz einfach, weil der direkte Kontakt fehlt. Telefonisch sei man jedoch täglich erreichbar – und bei ganz schweren Fällen wäre dann auch schon mal ein persönliches Gespräch mit einem Hilfesuchenden möglich.

Kistenweise Schokolade

Während am Fenster die Essensausgabe weitergeht, hält am Straßenrand der Kombi eines Pfarrers einer Prenzlauer Berger Kirchengemeinde.
Im Stauraum des Wagens befinden bis zum Anschlag Kisten voller Osterschokolade. Die hat er von einer Rossmann-Filiale erhalten, die offenbar Platz für die bald aktuell werdenden Weihnachtsmänner braucht.
Weil es sich offenbar nicht lohnt, das Staniol von den Schokohasen zu lösen und die Schokolade auf Weihnachten umzupressen, wären eigentlich im Müll gelandet. Nun werden sie den Schokoladenbedarf des Cafés für das nächste halbe Jahr decken.
Die leibliche Versorgung der Gäste ist also Dank der Unterstützer gesichert. Die allerdings macht ja nur ein Teil des Café Treffpunkt. Was doch sehr fehlt, sagt Carsten Dax, ist das tägliche Zusammensein. Denn für viele Gäste ist das Café der soziale Mittelpunkt schlechthin.

 


 



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