Als die grüne Bürgerdeputierte Patrizia Flores bei Sitzung des BVV-Ausschusses für Verkehr und öffentliche Ordnung am 14. Mai einen Antrag auf den Tisch packte, in dem das Bezirksamt aufgefordert werden sollte, zugunsten der gebeutelten Gastronomie schnell, unbürokratisch und entgeltfrei zusätzliche Tische auf Bürgersteigen und (zu räumenden) Parkplätzen zur Verfügung zu stellen, verbunden mit der Forderung, der Bezirk möge für die kommende Zeit auf alle Einnahmen verzichten, die aus der Nutzung des öffentlichen Straßenlandes entstehen, ging eine gewisse Unruhe durch den Sitzungssaal. Denn der Antrag stand überhaupt nicht auf der Tagesordnung.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Johannes Kraft zeigte sich gar empört: Hatte doch seine Fraktion nur einen Tag zuvor auf der Mai-Tagung der Bezirksverordnetenversammlung einen Antrag mit den selben Intentionen eingebracht, der von dort aber zur weiteren Beratung in gleich drei Ausschüsse überwiesen wurde – und an diesem Sitzungstag noch längst nicht auf der Tagesordnung stand.
Auch die Vertreter der Linksfraktion zeigten sich nicht eben erfreut. Das Gesicht des von ihr gestellten Ausschussvorsitzenden Wolfram Kempe legte sich von Minute zu Minute mehr in Falten. Erstens, weil der Überraschungscoup die Tagesordnung durcheinander brachte. Zweitens, weil der Antrag in seiner Formulierung nicht immer in sich schlüssig war. Und drittens, weil die Einnahmen für die Nutzung öffentlichen Straßenlandes einen nicht unerheblichen Teil des frei verfügbaren Budgets des Bezirkes darstellen.
Bezirksamt soll „wohlwollend prüfen“
Dafür sprang der SPD-Fraktionsvorsitzende Roland Schröder der Antragstellerin bei. Er befürwortete das grundsätzliche Anliegen des Ersuchens und schlug vor, den Antrag mit einigen Änderungen zu versehen.
Die Diskussion ging noch ein wenig hin und her und schließlich nahm sich der Ausschuss eine fünfzehnminütige Auszeit. Als Ergebnis wurde eine arg eingedampfte Fassung beschlossen, die dann als Beschlussempfehlung des Ausschusses in die Juni-Tagung der BVV zur Abstimmung gereicht wurde.
In dem Antrag wird das Bezirksamt ersucht, “zur Unterstützung der Pankower Gastronomie und zum Schutz der Bevölkerung vor SARS-CoV-2-Infektionen mit Eröffnung der Gastronomiebetriebe deren gastronomisch genutzte Außenbereiche der Pandemie angepasst zu gestalten“.
Wo aufgrund schmaler Gehwege entsprechende Abstände in der Außenbestuhlung der Gaststätten nicht möglich sind, sollen danach Straßen und Parkplätze in der Umgebung temporär für Gastronomie oder/und Fußverkehr genutzt werden können. Das heißt, so direkt wurde das dann eben auch nicht formuliert. Sondern: Das Bezirksamt soll entsprechende Anträge „wohlwollend und im Einklang mit den Interessen von konkret Betroffenen die Freigabe von Flächen für die Außengastronomie über die aktuell vorgegebenen Bereiche hinaus prüfen.“
Rund eine Woche später beschloss der Senat auf Vorlage von Senatorin Regine Günther Gleiches – und damit hätte sich der Vorgang in Pankow eigentlich erledigt. Doch Geschäftsordnung ist Geschäftsordnung – und so stand auch dieser Antrag am vergangenen Mittwoch zur Beschlussfassung.
CDU für die Aussetzung der Verwaltungsgebühren
Die Wunden bei der CDU waren da noch immer nicht verheilt und so sprach die christdemokratische Bezirksverordnete Denise Bittner von Antrags-Diebstahl und bekundete ihre Enttäuschung über den Umgang miteinander.
SPD-Fraktionschef Roland Schröder hingegen lobte den zur Abstimmung stehenden Antrag, der inhaltlich der Senatsempfehlung gleichkam.Ohne einen solchen BVV-Beschluss, so Schröder, hätte man gar keine Regelung gehabt, wie mit der gegenwärtigen Gaststättensituation umzugehen sei. Es sei wichtig, ein geordnetes Verfahren zu haben, damit nicht jeder seine Tische wahllos auf die Straße stellt.
Er hob hervor, dass den Gastwirten durch das zusätzliche Aufstellen von Tischen und Stühlen keine zusätzlichen Kosten entstünden. Dem widersprach CDU-Fraktionsvorsitzender Johannes Kraft. Zwar stimme es, dass für die Erweiterung des Außenbereiches von den Gaststätteninhabern keine zusätzlichen Nutzungsgebühren erhoben werden – Verwaltungsgebühren hingegen aber schon.
Bei zusätzlichen 15 m², so Kraft, seien bereits 100 Euro fällig, und bei mehr als 20 m² kämen 20 Euro je zusätzlichen Quadratmeter obendrauf. Das Problem sei, dass die Gaststätten, gar nicht den Umsatz hätten, um das zu Schultern, da die Auslastung der Lokale immer noch viel zu gering sei.
Die CDU-Fraktion hatte daher einen weiteren Antrag eingebracht, in dem das Bezirksamt ersucht werden sollte, bis zum Ende dieses Jahres auch auf die Verwaltungsgebühren für die Bearbeitung von Anträgen auf Sondernutzung des Straßenlandes für gastronomische Betriebe zu verzichten.
Linke sorgen sich um die Bezirksfinanzen
Das nun erzürnte wiederum Wolfram Kempe von der Linksfraktion. Er sei doch sehr verwundert, wie die CDU mit den beschränkten finanziellen Mitteln des Bezirkes umzugehen gedenke. Offenbar sei sich die CDU nicht über die haushälterischen Folgen ihres Ansinnen bewusst.
Bemerkenswerterweise signalisierte der Linksfraktionär aber zumindest rhetorisch die Bereitschaft, noch größere Risiken einzugehen. Kempe: „Wenn Sie mal einen Antrag einbrächten, in dem gefordert wird, für das gesamte Kleingewerbe, das allesamt unter den Belastungen ächzt, ein halbes Jahr die Miete auszusetzen, da wären wir auf Ihrer Seite. Aber ein solcher Antrag wird von Ihnen nicht kommen.“So verfehlte der CDU-Antrag auf Verwaltungsgebührenerlass am Ende eine Mehrheit erheblich, während das Ersuchen zur „wohlwollenden Prüfung“ der Freigabe von Flächen für die Außengastronomie die Zustimmung des Hohen Hauses fand.
Antragsmöglichkeit noch nicht veröffentlicht
Allerdings haben von dieser Möglichkeit bisher nur ganz, ganz wenige Lokale Gebrauch gemacht. Laut Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen) gibt es „bis jetzt (Stand Montagabend – ODK) 5 – 6 Anfragen ohne Antragstellung und nur 1 Antrag (noch in Prüfung).“ Was daran liegen könnte, dass die Pankower Gastwirte noch nichts davon erfahren haben, dass sie die Freigabe von Flächen für die Außengastronomie auf Parkplätzen und Straßen beantragen können – und wohin der Antrag in welcher Form zu richten ist.
Denn der zuständige Bezirksstadtrat hat nach dem am vergangenen Mittwoch ergangenen BVV-Beschluss öffentlich noch nichts darüber verlauten lassen und das erste digitale Pankower Amtsblatt soll laut Bürgermeister Sören Benn erst in ein paar Wochen das Licht der Öffentlichkeit erblicken.
Zumindest in einem Teil von Prenzlauer Berg hat der grüne Abgeordnete Andreas Otto die Info-Initiative ergriffen. Einen Tag nach dem BVV-Beschluss ging er durch seinen Kiez und verteilte ein entsprechendes Hinweisblatt.
Tische auf die Parkplätze. Haben wir heute mit den Worten am Helmholtzplatz geklärt. @otto_direkt @GrueneBVVPankow @GrueneFraktionB @VollradKuhn #Corona pic.twitter.com/E4AVpcn33v
— Mathias Kraatz (@MathiasKraatz) June 18, 2020
Im Prinzip ist die Beantragung ganz einfach. Man klickt diesen Link an…
…und füllt dann das auf dem Bildschirm erscheinende Formular aus.
Paul Huebener via Facebook
Jun 24. 2020
Antragsdiebstahl🤔