Wiederholungswahl. Gewinner, Verlierer – und: Was lernt uns das?


 

Das erwartete spannende Duell zwischen der CDU-Kandidatin Manuela Anders-Granitzki und dem Pankower Mandatsinhaber Stefan Gelbhaar von den Grünen blieb aus.

Nanuela Anders-Granitzki (CDU): Kein Kopf-an-Kopf-Rennen

Zwar hatte die Pankower Bezirksstadträtin Manuela Anders-Granitzki im Vergleich zu 2021 um freundliche 4,8 Prozentpunkte zulegen können, doch die von ihr eingefahrenen 17,5 Prozent reichten bei weitem nicht aus, um dem grünen Lokalmatador Gelbhaar (26,8 %) in einem Kopf-an-Kopf-Rennen gefährlich werden zu können.

Auffällig auch: Manuela Anders-Granitzkis Zuwachs an Stimmenprozente reicht nicht ganz an den Zuwachs heran, den die CDU für sich verbuchen konnte (+5). Was bedeutet, dass Anders-Granitzki nicht von ihrer gestiegenen Bekanntheit als Pankower Bezirksstadträtin profitieren konnte und nicht jeder, der die CDU auf dem Wahlzettel ankreuzte, auch die Kandidatin der Union favorisierte.

Stefan Gelbhaar (Bü90/Grüne): Mandat souverän verteidigt

Anders beim Bündnisgrünen Stefan Gelbhaar, der sein Mandat locker verteidigte und seinen Vorsprung zu den Mitbewerbern ausbaute. Während seine Partei in Pankow leicht verlor (-0,5), konnte er sich um 1,3 Prozentpunkte verbessern. Hier scheint sich etwas anzubahnen, was bereits bei Gelbhaars Direktmandats-Vorgänger Stefan Liebich zu beobachten war: Leute, die eigentlich eine bestimmte Partei bevorzugen, wählen dennoch den Kandidaten einer anderen Partei, weil sie ihn für überzeugender (oder vielleicht auch nur sympathischer) halten, als den ihrer Lieblingspartei.

Klaus Mindrup (SPD): Auch beim zweiten Versuch gescheitert

Abgeschlagen auf Platz 3 Klaus Mindrup von der SPD mit nur noch 15,9 Prozent (-5,5). Auch seine Partei verlor heftig: Von den 22,1 Prozent im Jahr 2021 blieben nur noch 15,1 Prozent (-7,0) der SPD-Wähler bei der Stange
Mindrup, der zweimal über die Landesliste in den Bundestag einzog, wurde 2021 vom Landesparteitag ein erneuter sicherer Listenplatz verwehrt. Sein Versuch, den Wahlkreis Pankow als Direktkandidat zu gewinnen, scheiterte bereits da an seinem bündnisgrünen Konkurrenten Stefan Gelbhaar. Mit der jetzigen, bedeutend gravierender ausgefallenen Niederlage, dürfte die politische Karriere des 59jährigen beendet sein.

Dagegen hat die AfD im Vergleich zu 2021 deutlich zugelegt (14,5 /+ 5,7). Damit holten die Rechtsextremen bei den Zweitstimmen 0,2 Prozentpunkte mehr, als die Linkspartei.
Direktkandidat Götz Frömming liegt dagegen prozentual mit dem wegen gesundheitlicher Probleme nicht zum Wahlkampf angetretenen Kandidaten der Linkspartei Udo Wolf gleichauf (beide 14,2 Prozent), wobai Wolf allerdings genau dreißig Stimmen mehr verbuchen konnte, als Frömming.

Überhaupt, Die Linke: Nach der Abspaltung der Wagenknecht-Anhänger schon halb tot gesagt, zeigte sie sich mit einem Plus von 0,5 Prozent im Vergleich zu 2021 überraschend stabil.

Noch was? Ja, die FDP. Die fiel von 8,1 Prozent auf 3,7 (Direktkandidatin Daniela Kluckert: 3,0) und wird damit wohl künftig unter „Sonstige“ gelistet.
 

Prenzlauer Berg Ost/Xhain nun ohne Linken im Bundestag

Pascal Meiser (Linke): Listenplatzverlust trotz Zugewinn

Im Nachbarbezirk, Friedrichshain-Kreuzberg, zu dem wahltechnisch auch der Bereich Prenzlauer Berg Ost gehört, machte erwartungsgemäß die linke grüne Abgeordnete Canan Bayram das Rennen. Danach kam dann eine ganze Weile gar nicht und bei Prozentpunkt 18,1 dann der Linkspolitiker Pascal Meiser auf Platz 2.
Meiser, der 2017 und 2021 über die Landesliste in den Bundestag einzog, muss sich trotz eines verbesserten Ergebnis von Erst- (18,1/ +0,4h) und Zweitstimme (18,6/ +0,5) im Vergleich zu 2021 den Bundestag von außen ansehen, der Grund dafür ist die sind die wahlrechtstechnischen Berechnung bei der Vergabe von Listenplätzen – hier spielt die Wahlbeteiligung eine Rolle. Für die Linken im Bundestag ändert sich dadurch nichts, statt Meiser zieht ein Linksparteigenosse aus Hessen in das Hohe Haus ein.
 

Ubd was lernt uns das jetzt?

Wenigstens drei Erkenntnisse kann man aus der Wiederholungswahl zum Deutschen Bundestag gewinnen.

Erstens: Fast die Hälfte aller Pankower Wahlberechtigten hatte keine Lust zum Wählen.

Mit nur 58,2 Prozent waren gut zwanzig Prozent weniger Wähler in die Wahllokale geeilt, als 2021. Der Grund ist unklar, denn im Gegensatz zu anderen Bezirken, in denen nur vereinzelte Wahlbezirke neu bespielt wurden, hatte das Pankower Wahlamt die Bundestagswahl 2021 fast vollständig verkackt.

Götz Frömming (AfD): Mit 99 Stimmen zum Spitzenreiter

Dehalb war mit der beinahe flächendeckenden Wiederholungswahl – von rund 235.000 Wahlberechtigten im Wahlkreis Pankow gut 200.000 nochmal an die Urne – in Pankow tatsächlich etwas zu entscheiden.
So aber gab es zum Teil bizarre Ergebnisse: Dem Wahllokal 417 im Rathaus Weißensee zum Beispiel statteten von den 1.527 Wahlberechtigten des Wahlbezirks gerade mal 298 einen Besuch ab. Das sind schlappe 19,5 Prozent. Von denen wählten 99 den AfD-Kandidaten Frömming – was ihn mit 33,8 Prozent der abgegebenen Stimmen zum Spitzenreiter des Wahlbezirks 03417 machte.

Zweitens: Wahlkampf lohnt sich nicht.

Da ist zum einen der SPD-Kandidat Klaus Mindrup. Der schon 2021 einen Wahlkampf geführt hatte, als ginge es um sein Leben und nicht bloß um ein – zugegebenermaßen gut dotiertes – Abgeordnetenmandat. Wie kolportiert wurde, soll er dabei sogar tief in seine private Schatulle gegriffen haben, um zusätzliche Werbemittel zu finanzieren. Am Ende ging er leer aus.

Bei der Wiederholungswahl wiederholte sich das. Egal, ob an Laternenpfählen im Klein- oder an Bahndammwänden im Großformat: Dem Gesicht Mindrups entkam man dieser Tage in Pankow nicht.
Dazu Aufrufe honoriger Unterstützer, Präsenz in den Medien – bis hin zum linken “nd“, das geradezu ein Hochamt auf den Sozialdemokraten zelebrierte, und halblegale Guerillawerbung angeblich anonymer Unterstützer, mit der er aber – wie er versicherte – nichts zu tun hatte.

Am Ende aber war wieder alles für die Katz: Ein Stimmenverlust von fünfeinhalb Prozent und statt Platz Eins oder Zwei blieb ihm bloß die Bronzemedaille.

Wahlwerbung der LInken: Keinen Namen, kein Gesicht.

Auf der anderen Seite Udo Wolf von den Linken. Er konnte aus gesundheitlichen Gründen keinen Wahlkampf machen. Wolf gegen einen anderen Kandidaten auszuwechseln, war nicht möglich, da bei einer Wiederholungswahl dieselben Leute wie zuvor abtreten müssen.
So gab es dann eben auch keine schönen Presseberichte, kein ein einziges Plakat mit seinem Konterfei schmückte die Pankower Straßen und auch sein Name war auf den Werbematerialien nicht zu finden. Doch nach der Stimmenauszählung behielt er seinen vierten Platz bei lediglich zwei Prozent Verlust. Was also soll, so fragt man sich, da der ganze Wahlkampf-Aufwand?

Drittens: Die AfD ist noch da.

Wir erinnern uns: Nach den CORRECTIV-Enthüllungen über das Treffen von Rechtsextremisten, die die Möglichkeiten massenhafter Vertreibung von Menschen nichtdeutscher Herkunft besprachen und den darauf folgenden Massendemonstrationen gegen Rechtsextremismus, gingen bei den Umfrageinstituten die Zustimmungswerte für die AfD spürbar zurück.

Rückgang der AfD-Akzeptanz? Nicht in Pankow.

Messerscharf schlussfolgerten kluge Journalisten und nicht minder kluge Politiker, dies hätte seine Ursache in den millionenfachen Willenskundgebungen auf Deutschlands Straßen – die hätten so manche verirrte Seele zu Vernunft gebracht.
Und nun: Wiederholungswahl in Pankow mit einem signifikanten Anstieg der AfD-Stimmen. Wie geht das zusammen?

Möglicherweise hatten die klugen Leute ja etwas übersehen.

Denn zum Einen kommen in den Umfragestatistiken Nichtwähler gar nicht vor. Man geht von einer errechneten oder auf Erfahrungswerte beruhenden durchschnittlichen Wahlbeteiligung aus. Trifft die nicht die Realität, verschieben sich auch die hochgerechneten Werte.

Zum Anderen wird in den aktuellen Umfragen das neugegründete „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) mit aufgenommen und erreicht dort in der Regel bundestagsrelevante Werte. Auch das verschiebt die Relationen der anderen Parteien. Die AfD ist jedenfalls – wie das Wiederholungs-Wahlergebnis zeigt – keinesfalls auf dem absteigenden Ast.

 



Kommentar zu “Wiederholungswahl. Gewinner, Verlierer – und: Was lernt uns das?”

  1. Paul

    Feb 15. 2024

    Öhm, ob die AfD seit Jahresbeginn auf einem absteigenden Ast ist, kann man doch durch Vergleich der Wahlergebnisse von 2021 und 2023 gar nicht feststellen? Vielleicht waren es vor Correctiv und Demos noch ein paar Prozente mehr?

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