Es schien eine kleine (Mobilitäts-)Revolution zu sein, als im Oktober des vergangenen Jahres die Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV) das Bezirksamt per Beschluss aufforderte „gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (SenUVK) der BVG und der Polizei die Abkopplung von Wohnquartieren in Pankow vom Durchgangsverkehr mittels eines Systems von Einbahnstraßen (sog. ‚Superblocks‘) zu prüfen und im Rahmen eines Modellprojekts durchzuführen.“
Der Beschluss, der von der SPD-Fraktion initiiert wurde, nahm auf das im katalonischen Barcelona umgesetzte „Superrilles“(Superblock)-Konzept Bezug, bei dem mehrere Häuserblöcke zu einem sogenannten Superblock zusammengefasst werden, in dem nur noch Anwohner- sowie Ver- und Entsorgungsautos hineinfahren dürfen. Der übrige motorisierte Verkehr wird um die Superblöcke herumgeleitet. Dabei dürfen auch jene Autofahrer, die Einfahrt in einen Superblock hinein gestattet ist, nicht durch den ganzen Block fahren, sondern immer nur durch einzelne Teilblöcke.
Das Anliegen traf auf große Resonanz. Anfang dieses Jahres trafen sich „Superilles“-Interessierte aus ganz Pankow zu einem Workshop. Dort wurde wohl auch der neue Begriff geprägt: Kiezblocks.
Für neunzehn Kieze wurden Pläne für diese Art der Verkehrsberuhigung entworfen, überarbeitet und schließlich im Februar dem Bezirksamt übergeben.
Seitdem herrschte Stille.
Verwirrende „Hitliste“ des Bezirksamtes
Daher kam es etwas überraschend, als die Abteilung Stadtentwicklung des Bezirksamtes auf der jüngsten Sitzung des BVV-Verkehrsausschusses das Thema „Kiezblock“ auf die Tagesordnung setzen ließ. Der Vortrag war lang – das Ergebnis des bisherigen Tuns der Pankower Verwaltung eher mager.
So hatte die Verwaltung von Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn (Bündnis 90/ Die Grünen) achtzehn Vorschläge (der 19. vom kam irgendwie abhanden, wie eine Aktive aus dem Kiez um den Selma-und -Paul-Latte-Platz in Niederschönhausen monierte) nach einem nicht wirklich nachvollziehbaren Punktesystem bewertet, mit dem offenbar eine Reihenfolge der Umsetzungsmöglichkeit suggeriert werden sollte.
Die ersten fünf Plätze entfielen danach auf die Pläne für die Langhansstraße, das Winsviertel, den Kollwitz- und den Helmholtzkiez sowie die Grüne Stadt.
Von den „Top 5“ sollen nach Ansicht von Kuhn drei für einen „Feldversuch“ ausgewählt werden. Allerdings, so schränkte der Stadtrat ein, müssten die drei Versuchskieze gar nicht zwingend aus den fünf Spitzenreitern kommen. Entscheidend sei die Finanzierung – vorrangig durch außerbezirkliche Fördertöpfe.
Warum dann also diese Hitliste?
„Politisch“ statt „technokratisch“ handeln
Schon die Art der Bewertung stieß im Verkehrsausschuss auf Kritik: Dass die Frage, in welchem der Gebiete am ehesten Fördergelder locker zu machen sind, das entscheidende Kriterium für die Einrichtung eines Kiezblocks sein soll, wollte CDU-Fraktionschef Johannes Kraft nicht in den Kopf. Wichtigstes Kriterium, so Kraft, sei nicht das Geld, sondern die verkehrliche Wirksamkeit. Als Beispiel nannte er das Weißenseer Komponistenviertel, bei dem die BVV schon seit geraumer eine Verkehrsberuhigung angemahnt hat. Doch dieser Kiez taucht bei den von der Stadtentwicklungsverwaltung gekürten Favoriten gar nicht auf.
Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Roland Schröder konnte dem Punktesystem nichts abgewinnen. Er fand ein solches Vorgehen „technokratisch“ und plädierte stattdessen dafür, „politisch“ vorzugehen. Deshalb sollte der Verkehrsausschuss der BVV die einzelnen Konzepte prüfen und gegebenenfalls auf deren Umsetzung drängen. Das bedeute auch, nicht auf Fördertöpfe zu schauen, sondern für die Kiezblocks selbst Geld in den Haushalt einzustellen.
Wolfram Kempe von der Linksfraktion machte sich derweilen Sorgen um die rechtliche Seite. Der „Knackpunkt“ sei die Frage, ob Kiezblocks verkehrsrechtlich überhaupt machbar sind. Das wäre zuvorderst zu prüfen.
„Changing Cities“: Alle Blocks zugleich realisieren
Hans Hagedorn von der Verkehrsinitiative „Changing Cities“, die auch die Entwicklung der Kiezblockpläne begleitete, forderte dagegen von der Politik mehr Mut. Vor eventuellen Klagen von Verkehrsberuhigungsgegnern solle man sich nicht abschrecken lassen – wichtig sei vielmehr, dass die BVV deutlich mache, dass sie hinter dem Konzept steht. Schließlich sei Verkehrsberuhigung ein Instrument, um auf den von der BVV festgestellten Klimanotstand zu reagieren.
Im Gegensatz zur Vorstellung des SPD-Mannes Schröder plädierte Hagedorn für eine zeitgleiche Umsetzung aller Kiezblockprojekte. Nur so könnten sie ihren vollen Effekt entfalten.
Ob und wie die Kiezblocks nun umgesetzt werden, bleibt also erst einmal ungewiss. Immerhin verabredete sich der Verkehrsausschuss darauf, das Thema unmittelbar nach den Herbstferien erneut auf die Tagesordnung zu setzen. Um dann erst einmal über die Kriterien zu beraten, nach denen die ersten Kiezblocks eingerichtet werden könnten.
Was Anlass zur Hoffnung gibt, dass sich nun tatsächlich etwas bewegt.
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radpankow.de
Udo Götsche via Facebook
Sep 22. 2020
das Problem liegt sehr tief…
https://www.salonkolumnisten.com/hier-wird-nicht-mehr-berlinert/
von ODK
Sep 23. 2020
Ick muss Ihnen enttäuschen, ich bin Prenzlauaberjer inn dierten Jenerazion
Udo Götsche via Facebook
Sep 23. 2020
wenn de so liest wie de schreebst, versteh ick die Uffrejung…
Frank Möller via Facebook
Sep 22. 2020
Die Vergreisungstendenzen in der BVV sind ernüchternd. Immer noch die selben, damals schon alten, Bremsklötze im Ausschuss… Berlin bleibt die Hauptstadt der Provinz Deutschland…