Thälmann im Park - eine Zusammenfassung | Prenzlberger Stimme

Thälmann im Park – eine Zusammenfassung


 

Vieles wäre einfacher, wenn man Straßen, Plätze und auch Wohngebiete nach Menschen benennen würde, die in der Gegend, in der ihr Name verewigt wird, gelebt haben und irgend einer ebenso alltäglichen wie nützlichen Tätigkeit nachgegangen wären. Also völlig unpolitisch. Dann müsste man nicht nach jedem politischen Systemwechsel all die öffentlichen Plätze und Institutionen umbenennen, oder dort, wo die Neu-Benamsung aus welchen Gründen auch immer unterblieben war, großartige Erklärungsverrenkungen unternehmen.

Wie zum Beispiel bei Thälmann.

So belieferte ein laut glaubwürdiger Zeitzeugenaussage in der Prenzlauer Berger Grellstraße 31 ansässiger Kohlenhändler namens Thälmann bis Ende der 1940er Jahre die Anwohner – so gut es die Zeiten eben zuließen – mit Heizmaterial und sorgte durch sein alltägliches Tun dafür, dass die Menschen der Umgegend die Winter weitgehend ohne Frostbeulen überstanden.

Als nun in den 1980er Jahren die nur wenige hundert Meter entfernt befindliche Gasanstalt nebst Kokerei geschleift wurde, auf dass auf dem Gelände eine parkähnliche Wohnsiedlung entstehe, hätte man sich des wackeren Kohlenmannes erinnern und das Wohngebiet bedenkenlos „Thälmannpark“ nennen können. Die Verbindung zu Kohle, Heizen und Wärme war ja durchaus gegeben. Auch eine Bronzeskulptur hätte man ihm widmen können: Kohlenhändler Thälmann leicht gebeugt, mit einer Kiepe Koks auf dem Rücken – der Sockel in Brikettform gehalten.
Weder am Namen, noch an der Profession hätte sich nach dem politischen Systemwechsel jemand gestört.

Aber so…
 

Hilfloser Umgang

Bereits kurz nach der Berliner Wiedervereinigung schien das Schicksal des vom sowjetischen Monumentalkünstler Lew Kerbel geschaffene Denkmal des einstigen Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Deutschlands Ernst Thälmann besiegelt zu sein: Abriss. Das nämlich hatte zu Beginn der 1990er Jahre eine im Auftrag des Berliner Senats gebildeten Historiker-Kommission empfohlen. Was die hochwohllöbliche Kommission allerdings übersehen hatte: Die (West)Berliner Denkmalbehörde hatte den Bronze-Thälmann Eins zu Eins von der Denkmalliste der DDR übernommen. Er stand also damals schon längst unter Denkmalschutz.

Weggeschafft wurden nur die einst daneben stehenden bronzene Texttafeln mit Honecker- und Thälmannzitaten – das allerdings geschah ganz ohne Kommission schon im Juli 1990.

Schlagzeilen gab es Anfang Mai 1992, als ausgerechnet die Nazipartei FAP einen bundesweiten Aufmarsch am Thälmann-Denkmal plante. Ernst Thälmann wurde 1944 von den Nazis im KZ Buchenwald ermordet. Eine nicht unerhebliche Anzahl von Gegendemonstranten protestierten so heftig gegen diese Verhöhnung, dass das nicht mal hundert Mann starke braune Häuflein unter Polizeischutz das Weite suchte.

Ein Jahr später wurde eine eine vom Kulturamt initiierte Tagung zu einer Suche für die Zukunft des Denkmals alternativ zum Abriss veranstaltet, die allerdings ergebnislos endete. Der Tagesspiegel schrieb damals: „Derzeit ist der Umgang mit diesem ungeliebten Geschichtsdenkmal weniger von Souveränität gekennzeichnet als von Hilfslosigkeit.“

So blieb Skulptur auf dem zugigen Platz zwar erhalten, verkam aber immer mehr: Vogeldreck von oben und Graffiti von unten waren die einzigen Veränderungen, die das Denkmal erfuhr.
 

Kein „Kulturpark“, keine Fälschung, kein Rücktritt

Dafür machte sich die CDU-Fraktion in der damaligen Prenzlauer Berger Bezirksverordnetenversammlung am Wohngebietsnamen zu schaffen. In einem im Oktober 1996 eingebrachten Antrag forderten sie die Umbenennung des Ernst-Thälmann-Parks in „Kulturpark“. Was schon lustig war, weil der große, später „Spreepark“ geheißene Rummelplatz im Plänterwald zu DDR-Zeiten ganz offiziell „Kulturpark“ hieß.

Wie auf einem Rummel ging es dann auch mit dem Antrag weiter.

Obwohl der damalige Bezirksbürgermeister Reinhardt Kraetzer (SPD) von der Umbenennungs-Idee nicht überzeugt war, rief er im Januar 1997 die Prenzlauer Berger dazu auf, ihre Meinung dazu kund zu tun. Die Linkspartei-Vorgängerin PDS reagierte blitzesschnell und ließ tausende Postkarten drucken und an ihre Mitglieder versenden– mit der Bitte, pro Thälmann zu stimmen.

Der Coup gelang, über 3.000 Zuschriften kamen binnen kurzer Zeit auf Bürgermeister Kraetzers Tisch, nur 66 davon votierten für eine Namensänderung.

Bei soviel Einigkeit witterte Kraetzer Manipulation und übergab den Berg Post der Polizei mit der Bitte um graphologische Untersuchung. Denn er habe, so Kraetzer, den Verdacht, dass die Absender gar nicht echt und die Adressen bloß aus dem Telefonbuch abgeschrieben wurden. Daraufhin bekamen einige Einsender Besuch von der Polizei, die ihnen Schriftproben abnahmen und sie nach dem Motiv für ihre Stimmabgabe befragte.

Das wiederum brachte die PDS auf die Palme: Kraetzer habe in eklatanter Weise gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Bezirksbewohner verstoßen, und müsse seinen Stuhl räumen.
Am Ende blieb der Bürgermeister auf seinem Posten und der Wohnpark behielt seinen Namen.
 

Putzen oder sprengen?

Der Bronzekoloss und das ihn umgebene Areal aber verlotterten mehr und mehr. Um dem Einhalt zu gebieten, wurde im Jahr 2000 ein Aktionsbündnis Thälmann-Denkmal aus linken Parteien und Vereinen gegründet, die das sich zum Ziel setzten, „einen würdigen Umgang mit dem Denkmal“ zu ermöglichen. Das Bündnis veranstaltete jährlich zwei Kundgebungen und putzte bei dieser Gelegenheit das Denkmal auch.

Ab 2006 übernahm der Senat die Reinigung, allerdings mit bescheidenem Erfolg.

Im Sommer 2013 dann der Versuch einer symbolischen Sprengung durch die Jugendorganisiation der FDP. Dummerweise waren aber mindestens viermal soviele Denkmalsverteidiger vor Ort erschienen, von denen jeder mindestens dreimal so alt war, wie jeder der Jungliberalen. Am Ende mussten die sprengungswütigen Jungspunde – geschützt von der Polizei – zum naheliegenden S-Bahnhof Greifswalder Straße fliehen. Die Gefahr, von einem empörten Senior vorsätzlich mit dem Rollator angefahren zu, schien doch zu groß.
 

Wettlauf mit dem Rost

Ende des selben Jahres beschloss die BVV von Pankow, dass das Denkmal mit einer Kommentierung versehen werden sollte, bei der die Biographie Thälmanns und die Geschichte seines Denkmals „historisch kritisch aufgearbeitet, kommentiert und anschaulich gemacht werden“. Ein Kolloquium mit Denkmalschützern, Historikern, Kunsthistorikern, Stadtplanern und Anwohnern sollte sich mit dem Thema auseinandersetzen und Empfehlungen geben.

Als im Februar 2014 das Landesdenkmalamt für alle vor Ort überraschend das gesamte Bauensemble unter Denkmalschutz stellte, galt dieser Schutz auch für den Bronze-Thälmann, der nun praktisch doppelt geschützt war.
Dann war wieder Ruhe, denn dem Bezirk fehlte das Geld, den BVV-Beschluss umzusetzen.

Im Sommer 2018 schien es kritisch zu werden. Bei einer Inspektion des Landesdenkmalamtes wurden schwere Rostschäden an der stählern Stützkonstruktion im Innern des Kommunistenführers festgestellt. Die Senatskulturverwaltung sagte eine Stabilisierung des KPD-Chefs zu. Die Bewahrer kämpferischen Liedgutes waren erleichtert: Hätte doch sonst die Zeile „Thälmann ist niemals gefallen“ in einem einst sehr populären Kampfsong in „Thälmann ist in sich zusammengefallen“ umgeschrieben werden müssen.
 

Wieviel Kritik, wieviel Kunst?

Im November 2018 fand dann endlich das lange geplante Kolloquium statt. Im Juni 2019 lobte das Bezirksamt einen deutschlandweiten Kunstwettbewerb aus. Aufgabe: Eine kritische Auseinandersetzung mit Geschichte und Gegenwart des Ernst-Thälmann-Denkmals.
Die künstlerische Kommentierung sollte dazu dienen, „Fragen aufzuwerfen, zu irritieren und zur Diskussion anzuregen.“ Gewünscht waren „innovative künstlerische Konzepte, die zu einer Belebung des Ortes beitragen sowie das Denkmal und den Platzraum innerhalb des städtischen Kontextes erlebbar machen.“

Wieviel Kritik, wieviel Kunst? – an dieser Fragen schieden sich bis in diese Tage immer wieder die Geister. Bündnisgrüne und SPD fürchteten, dass die Kunst die kritische Aufklärung in den Hintergrund drängen könnte und brachte dies mehrfach in Anfragen und Schlüssen zum Ausdruck. Das Bezirksamt hingegen vertrat die Ansicht, dass eine künstlerische Kommentierung eine historische Kommentierung mit einschließt.

Nun endlich ist der Wettbewerb entschieden und das Ergebnis… naja.

Zusammengefasst: Ein paar steinerne Sitzquader, zwei Stelen mit Informationen und eine Webseite, auf der einige Filmbeiträge zur Geschichte des Wohnparks, des Denkmals und der Person Ernst Thälmanns zu sehen sind.

Das hätte man auch schneller haben können.

 



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