Gutachten zum Karree Belforter Straße veröffentlicht

Das am vergangenen Donnerstag auf der Sitzung des BVV vorgestellte städtebauliche zur Untersuchung der Schutzwürdigkeit der städtebaulichen Eigenart des Bausensembles an der Belforter Straße ist nun veröffentlicht worden.
Gleich zu Beginn der Studie, die durch die Planungsgruppe WERKSTADT im Auftrag des Bezirksamtes erarbeitet wurde, wird festgestellt: „Die städtebauliche Bedeutung der 1959/60 errichteten Wohnanlage besteht in der Neu-Definition des überlieferten, aber zerstörten Stadtraumes, und damit der baulich-räumlichen sowie funktionellen Aneignung des Raumes in Überwindung der städtebaulichen Prinzipien des 19. Jahrhunderts.“ Es folgt ein „Abriss zur Stadtentwicklung zwischen 1920 und 1960“, in dem die an den Anfang gestellte These belegt werden soll. Jener Teil ist auch für den stadtgeschichtlich interessierten Laien lesenswert, weil hier, zwar komprimiert, aber leicht verständlich, ein wichtiger Teil Berliner Baugeschichte dargestellt wird.

Belforter Straße: Offene Grünhöfe zwischen den Bauzeilen

Der Bogen wird von den zwanziger Jahren, in denen eine radikale Abkehr von den städtebaulichen Maximen (größtmöglichen Flächennutzung für die Wohnbebauung, Hinterhöfe etc.), hin zu einer Architektur, die, als Zeilen- bzw. die Blockrandbebauung ausgeführt, großzügige Freiräume mit zusammenhängenden Grünfläche in Innenhöfen oder zwischen den Bauzeilen bot.

Das Gutachten vermerkt, dass „Städtebau im Berlin der Weimarer Republik (…) vorrangig durch einheitliche Planungskonzepte mit Ansätzen von typisierten Grundrissen“ stattfand und verweist auf die Wieder-
aufnahme jener architektonischen Grundsätze in der Nachkriegszeit.

Das Gutachten stellt fest:

Mit der politischen Teilung Deutschlands und Berlins wurden auch die Grundlagen
der Stadtentwicklung in Ost und West unterschiedlich gestaltet. Die Beispiele
der städtebaulichen Gestaltung von Wohnanlagen folgten jedoch in den ersten
15 Jahren einer vergleichbaren Grundidee:

– Auflockerung der bestehenden Baustruktur,
– Anwendung von Zeilenbebauung oder offenen Blockrändern,
– Erhöhung der wohnungsbezogenen Freiflächen.

Dies geschah in der DDR auf der Grundlage des 1950 erlassenen Aufbaugesetzes
in Verbindung mit den „16 Grundsätzen des Städtebaus“.
Ab Mitte der 50er Jahre trat die Zielstellung der Typisierung von Wohnbauten in
den Vordergrund. Die ersten realisierten Beispiele konzentrierten sich auf Vereinheitlichung
der Grundrisse in Segmenten, die je nach Baufläche addiert werden
konnten.
Die Wohnanlage Belforter Straße ist eine der wenigen vollständig erhaltenen
Wohnbauprojekte der Entwicklungsphase zwischen 1950 und 1960 und die einzige
Wohnanlage in Zeilenbauweise im Ortsteil Prenzlauer Berg.

Die Studie weist auch auf die engen Grenzen der Nöglichkeit baulicher Veränderungen hin, die im Falle in Kraft getretenen Erhaltungsverordnung beachtet werden sollten:

Gebietsbezogene Kriterien

Der Erhalt der Grundstruktur des Gebietes/ der Wohnanlage (Stadtgestalt) in
seiner städtebaulichen Gliederung wird bezogen auf:
– Erhalt der Baustruktur und Bauweise
– Erhalt der Freiraumstruktur und der Freiraumgliederung (Grün- und Aufenthaltsflächen
zwischen den Wohnzeilen, Vorgärten, Baumpflanzungen und
einzelne Vegetationselemente),
– Erhaltung der typischen Funktionselemente wie gemeinsam nutzbare Aufenthaltsbereiche
und Wegeverbindungen
– keine Unterbauung des Freiraumes.

Gebäudebezogene gestalterische Kriterien

Dach

– Erhalt des historischen Erscheinungsbildes bzgl. der Dachform: hier flachgeneigtes
Satteldach mit Ziegeldeckung und schlichtem Dachgesims.

Fassaden

– Erhalt der historischen Gliederung (Achsen, Öffnungen, Balkone) mit allen
gestalterischen Details,
– gemusterte Putze, glänzende Wandverkleidungen oder Werkstoffimitationen
sind auszuschließen,
– eine äußere Wärmedämmung ist nur zulässig, sofern weder der historische
Wert des Gebäudes noch das Erscheinungsbild negativ beeinflusst werden,
– geplante gestalterische Veränderungen müssen dem Gebäudetypus entsprechen.

Fenster/ Türen/ Hauseingänge

– Material: vorrangig Holz,
– Stehende und liegende Formate,
– Teilung durch Pfosten oder Stulp (glasteilend),
– Gliederung; bei stehenden Formaten Gliederung 1-flüglig bei den Fenstern
der Nebenräume und 2-flügelig mit Stulp oder Stulpsprosse; bei liegenden
Formaten 3/3-Gliederung, 3-flügelig mit Stulp (glasteilend),
– Innenliegende Rolladenkästen,
– Anordnung von Klingelanlagen, Namens- und Werbeschildern muss sich der
historischen Gestaltung des Eingangsbereiches unterordnen.

Sollte eine Erhaltungsverordnung mir den dargestellten Kriterien rechtswirksam werden, dürften die Umgestaltungspläne der Eingentümers des Areals Makulatur werden.

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2 Kommentare zu “Gutachten zum Karree Belforter Straße veröffentlicht”

  1. fly

    Mrz 03. 2011

    Das liest sich doch sehr stark wie ein Gefälligkeitsgutachten um den neuerdings herrschenden politischen Willen in der BVV wenigstens auf irgend etwas stützen zu können. Das geltende Baurecht wird in einem Verfahren nämlich an dieser Stelle nicht viel hergeben.
    Dass diese drei hässlichen Riegel so schützenswert sein sollen, nur weil sie eines der wenigen „Wohnbauprojekte der Entwicklungsphase zwischen 1950 und 1960 und die einzige Wohnanlage in Zeilenbauweise im Ortsteil Prenzlauer Berg“ sind, kann doch niemand ernsthaft behaupten. Nach derartigen Kriterien ist selbst das abartig hässliche Alexa am Alexanderplatz eines der wenigen „Einkaufszentrumsprojekte der Entwicklungsphase zwischen 2008 und 2015 und die einzige Einkaufsanlage in Albert Speer Bauweise in altrosa im Ortsteil Mitte“. Hier wird ja auch nach wirklich jedem noch so lächerlichen Strohhalm gegriffen. Ich freue mich jedenfalls, wenn mir der Blick auf diese Bausünden durch den zu errichtenden Riegel erspart bleibt.
    Für die an ästhetisch äußerst fragwürdiger DDR Architektur ach so interessierten Bürger wird sich in Absprache mit dem Investor sicherlich ein Weg finden lassen, den nicht abgerissenen Teil der 3 Schmuckstücke nach der Blockrandbebauung in den Hinterhöfen zu besichtigen.

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  2. Nils

    Mrz 18. 2011

    Ich geben Ihnen völlig recht, fly.
    Es ja typisch für die Politik im Prenzlauer Berg, dass mit abstrusen Begründungen ein vermeintlicher Zeitgeist aufgegriffen wird.
    Wie so oft hinkt man diesem aber hinterher oder hat ihn nicht verstanden.
    Die gezielte Missachtung städtebaulicher Tradition, welche aus ideologischen Gründen bei der Konzeption dieser Siedlung Anwendung fand, kann auch mit verschwurbelten Euphemismen nicht geadelt werden.
    Realsatire ist vor allem der Abschnitt ‚Fassaden‘:

    „mit allen gestalterischen Details,“ (Fenster, Regenrinnen?) , „geplante gestalterische Veränderungen müssen dem Gebäudetypus entsprechen“ (Sichtbeton-Imitat, Eternit-Verblendung?)

    Bei relevanten Objekten hat man den Denkmalschutz allzu häufig äußerst lässig gehandhabt, aber hier müssen es plötzlich 110% sein? Andernort lässt man die Entstuckung von Altbauten zugunsten von Wärmedämmung zu, hier soll die ‚außergewöhnliche‘ Fassade geschützt werden?

    Die Sache ist eine Farce! Wenn man den Erhalt aus politischen Prinzipien will, soll man das ordentlich und ehrlich kommunzieren, aber nicht mit derlei durchsichtigen Eselsbrücken tricksen. Diese Bausünde bedarf keines Denkmalschutzes.

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