Zwei Anträge sollten mit Hilfe der Grünen-Fraktion in die Bezirksverordnetenversammlung eingebracht werden – einer von der Initiative „Stoppt K21“ um Matthias Aberle und Till Harter, und ein zweiter von der Initiative NUrZu! um „Carambolagen“-Aktivist Frank Möller: Doch nun plötzlich noch ein dritter, ein Änderungsantrag gar? Der ebenfalls von den Grünen eingebracht wurde, noch bevor die anderen Anträge überhaupt erst aufgerufen waren? Was ja nichts anderes zu bedeuten hatte, als „hey, Leute, eure Anträge sind eh für die Tonne, aber wir versuchen mal, zu retten, was zu retten ist“. Die Verwirrung darüber war nicht nur bei den Antragstellern groß: Der BVV-Vorsteher unterbrach dann ersteinmal die Tagung, um mit dem Ältestenrat darüber zu beraten, wie denn nun was in welcher Reihenfolge abzustimmen sei.
Von den drei Vertretern der beiden antragstellenden Initiativen nahm als erster Till Harter von „Stoppt K21“ das Wort. Er erklärte, dass das offizielle Beteiligungsverfahren gescheitert sei. Die Ansichten, wie mit der Kastanienalle umgegangenen werden sollte, gingen weit auseinander: Bezirksamt, BI Wasserturm, Gewerbetreibenden. Er erinnerte daran, dass die SPD in vielen Landesteilen Bürgerbefragungen fordere und schlug vor, eine Anwohnerabstimmung über die zur Debatte stehenden Varianten in die Wege zu leiten. „Aber,“ so schloss Harter, an den zuständigen Stadtrat gewandt, „bis dahin muss Friedenspflicht gelten, Herr Kirchner!“
Frank Möller von „NUrZu!“ erinnerte an die im November vergangenen Jahres vom Bezirksamt einberufene Infor-
mationsveranstaltung zum Umbau der Kastanienallee. Als gefragt wurde, wer sich vom Bezirksamtsplan vetreten fühle, habe niemand die Hand gehoben. Die Bürger wollten mehr
Als gefragt wurde, wer sich vom Bezirksamtsplan vetreten fühle, habe niemand die Hand gehoben. Die Bürger wollten mehr, als nur alle vier Jahre ein Kreuzchen auf dem Wahlzettel machen. Die BVV sollte eine Abstimmung der Anwohner nicht scheuen.
„Stoppt K21!“-Aktivist Mattias Aberle schließlich kritisierte den überraschenden „Änderungsantrag“ der Grünen: „Jener Antrag der Grünen bringt niemandem einen Nutzen – außer den wahlkämpfenden Grünen.“ Auch er warb abschließend für eine Anwohnerbefragung. Dann trat eine sichtlich stark verunsicherte Stefanie Remlinger
ans Pult. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen begründete den von ihrer Fraktion eingebrachten Änderungsantrag, der für einige Verwirrung und viel Unmut gesorgt hatte, mit Zeitdruck. Schließlich sollten in kurzer Zeit die Bauarbeiten in der Kastanienallee beginnen. Dass die Versuche ihrer Partei, eine Lösung für das Problem Kastanienallee-Umbau gescheitert sind, stand für sie außer Frage: „Wir geben den Misserfolg zu.“ Sie beklagte, dass es keine „Strukturen unterhalb der Bezirksebene“ für eine Bürgerbeteiligung gäbe. Aber: „Kein Beteiligungsverfahren bietet die Gewähr dafür, dass dann, wenn ernst wird, die Debatten wieder aufflammen.“
Was dann folgte, war geradezu ein Gewitter, das über die Grünen, und vor allem über Stefanie Remlinger niederging. „So geht man mit der BVV und den Bürgern nicht um!“, wetterte Johannes Kraft ob des Antragswirrwarrs und legte nach: „Damit machen Sie sich und uns lächerlich.“ Die Grünen sagten sich offenbar, „wir haben den Antrag eingebracht und wenn es nicht klappt sind die anderen schuld“.
Dennoch war der CDU-Fraktionschef der einzige, der den vollständigen Eklat zu vermeiden suchte: Er schlug vor, die Anträge in die entsprechenden Ausschüsse zu überweisen, um dort in Ruhe darüber zu diskutieren. Eine Mehrheit fand er dafür nicht.
Wolfram Kempe von der Linksfraktion stellte vor allem Fragen: Wer, bitteschön, sollte denn Stimmrecht bei einer Anwohnerbefragung haben? Nur die rund 3.000 Anwohner und Geschäftsinhaber? Oder auch die 17.000 Straßenbahn-
benutzer, die nach Angaben der BVG in der Kastanienallee täglich ein- und aussteigen? Die Radfahrer, die die Allee passieren? Oder auch all die Fußgänger? Zählte man alle zusammen, käme man sicher leicht auf über 90.000 Betroffene. Er lehne daher aus „demokratiepraktischen“ Gründen eine Anwohnerbefragung ab.
Auch SPD-Fraktionschefin Sabine Röhrbein machte aus ihrer ablehnenden Haltung zu den Anträgen keinen Hehl: „Wir haben die Anträge nicht eingebracht, obwohl wir darum gebeten wurden“. Sie verwies darauf, dass ihre Fraktion 2008 für die Bürgerbeteiligung stark gemacht habe, die über die gesetzlichen Vorschriften hinausgingen.“ An die Grünen gewandt: „Ich sehe die gute Absicht, dass wir mit den Bürgern wieder in Gespräch gekommen sind. Aber was Sie hier Vorschlagen, ist Irrsinn und Unsinn.“
Gleichzeitig beklagte auch Sabine Röhrbein, wie zuvor schon Stefanie Remlinger, das Fehlen von Instrumenten zur Bürgerbeteiligung unterhalb der Bezirksebene. Als Lösung für den Konflikt um die Kastanienallee halte sie ein Bürgerbegehren für sinnvoll.
Alle Anträge wurden von der BVV nahezu einhellig abgelehnt.
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stephanie schürfeld
Mrz 04. 2011
Bürgerbeteiligung: Was spricht eigentlich dagegen, wenn direkte Anwohner/Gewerbetreibende bei der Planung mitreden dürften? In einigen Problemkiezen wären die Politiker froh, wenn sich die Bevölkerung in ihrem direkten Umfeld mehr engagieren würde. Es gibt sogar Extra-Geld dafür, das Quartiersräte im Kiez ausgeben dürfen. Man verspricht sich damit eine Verbesserung des Verantwortungsgefühls der Bürger für ihr direktes Umfeld: Wer mitentscheidet, fühlt sich verantwortlich.
Man könnte einwenden, dass Anwohner nur egoistische Ziele verfolgen würden. Wobei ich ein „sich-wohlfühlen-im-Kiez“ als egoistisches Ziel gar nicht so verwerflich finden kann, weder im Brunnenviertel noch an der Kastanienallee.
Eine politische Diskussion und Entscheidung übergeordneter Werte einer Planung ist wichtig. Und diese politisch gefundenen Werte dann so umzusetzen, dass auch die Anwohner damit einverstanden sein können, ist genauso wichtig. Diese Anwohner sind es nämlich, die durch ihre Identifilkation mit dem Kiez eben diesen lebenswert machen.
Also, wenn es eine Variante gibt, die für Anwohner/Gewerbe akzeptabel ist (Anwohnerbefragung!) und den politisch gefundenen übergeordneten Zielen nicht furchtbar widerspricht, was hält die BVV davon ab, dem zuzustimmen?
Ich kann da keine „demokratiepraktischen Gründe“ erkennen, die gegen eine Beteiligung von direkten Anwohnern spräche. Auch die Nutzer der Straßenbahn und der Radwege, Schulwege, Straßen, der Cafés und Läden müssen sich nicht davor fürchten, wenn Anwohner berücksichtigt werden.
keks
Mrz 04. 2011
Sehr treffend, was Sie sagen, Frau Schürfeld. Die „demokratiepraktischen Gründe“ gegen eine Bürgerbefragung sind vorgeschoben, weil die Pankower Politikmaschine unbeweglich ist und Angst hat, sich auf neue, progressive Verfahren einzulassen. Hier herrscht Stillstand, Sturheit und Stumpfheit.