Nachdem eine städtebauliche zur Untersuchung der „Planungsgruppe WERKSTADT“ dem Bauensemble im Karree Kollwitz-/, Belforter/, Straßburger,/Metzer Straße in Prenzlauer Berg “einmalig” und daher unbedingt in seiner jetzigen Form erhaltenswert sei, präsentierte KolleBelle-Investor Rainer Bahr, der Teile des Ensembles abreißen und das Areal mit einer Blockrandbebauung schließen will, alsbald schon eine Art Gegengutachten. Verfasser Professor Helmut Geisert, so Rainer Bahr zur Prenzlberger Stimme, sei der Schwiegersohn von Hermann Henselmann, und somit überaus kompetent in Sachen Baugeschichte der DDR. Was Bahr nicht erzählte: Zumindest sein Hausarchitekt Marc Kocher ist mit Helmut Geisert auch beruflich verbunden.
Doch so wenig bloße (angeheiratete) Verwandtschaft schon ein Kompetenzmerkmal an sich ist, so muss auch eine persönliche oder berufliche Verbandelung nicht zwangsläufig zu einer Parteilichkeit in einem Sachurteil führen.
Was aber Helmut Geisert in seinem „Gegengutachten“, in dem er erwartungsgemäß die „Einmaligkeit“ des Bausensembles für Prenzlauer Berg verneint, in seiner Argumentation anbietet, ist alles andere als stimmig. Vor allem aber: Er bietet zuweilen Antworten auf Fragen an, die gar nicht aufgeworfen wurden. So, wenn er leidenschaftlich die „Typologie des Mietshauses“ verteidigt – die eigentlich niemand angegriffen hatte. Dass er sich dabei lediglich auf die gründerzeitlichen „Mietskasernen“ bezieht, wird erst ein paar Sätze später klar – die aber muten einwenig kenntnisarm an.
Gegengutachter Geisert: „Mietskasernen“ gab es nicht
Nachdem er kurz zuvor dargelegt hatte, dass es typisch für die Bewohnerstruktur gewesen sei, „dass alle gesellschaftlichen Klassen in einem Haus gewohnt haben, die Bürger in der Beletage, die Proletarier in kleinen Zimmern und im Keller“, schreibt Geisert dann: „Es war vor allem der Hass der Kleinbürger, der diese Häuser als Mietkaserne diffamiert hat und mir ist es vollkommen unverständlich, wie man noch heute in bester Kenntnis der Geschichte der Arbeiterbewegung diese Wohnweise als Kasernierung bezeichnen kann. Das hieße ja, dass es gelungen sei, das Proletariat zu kasernieren. Mir scheint dieser Hass aber auch Ausdruck der Angst vor der Unübersichtlichkeit dieser Quartiere zu sein, die sie der Aufsicht des Staates weitgehend entzogen haben. Es ist ja bekannt, dass viele Verfolgte des Naziregimes sich dem Zugriff des Staates in den Miethausquartieren nicht nur wegen deren Unübersichtlichkeit, sondern auch durch die Solidarität der Bewohner entziehen konnten, obwohl man das Amt des Blockwartes aus eben diesen Gründen eingeführt hatte.“
Es ist schon atemberaubend, wie der „Schwiegersohn von Henselmann“ (Bahr), hier Dinge durcheinanderwirft und Zusammenhänge konstruiert, die dem Lesenden ein gewisses Fremdschämen aufzwingen. Denn natürlich wurden die Mietskasernen nicht zum Schutz vor Verfolgung errichtet, sondern um die Massen der nach Berlin strömenden Arbeitskräfte im ausgehenden 19. Jahrhundert unterzubringen und damit einen höchstmöglichen Profit zu generieren. Daher auch die enge Bebauung, die jenen Häusertypus, meist auch ohne Sanitäranlagen (die oft erst in der 1920er Jahren nachträglich eingebaut wurden), zur Mietskaserne werden ließ, (und nicht nur die Überbelegung der Wohnungen, wie Geisert behauptet).
Bergriffsverwirrte Argumente
Die Häuser waren mit vier, fünf oder mehr Hinterhöfen versehen, die nicht selten die baupolizeiliche Mindestgröße von 5,34 × 5,34 Meter kaum überschritt. Die Unterbringung dort war in der Tat eine Art Kasernierung. Auch sein Hinweis auf die „Arbeiterbewegung“ mutet wissensfrei an: Dass bei Sozialisten, Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschafter jener Zeit Terminus „Mietskaserne“ einhellig und aus guten Gründen zum Sprachgebrauch gehörte, hat ihm bis heute offenbar noch niemand verraten.
Die Realitätsverweigerung findet bei Geisert noch eine Steigerung, wenn er darlegt, dass jener Haustyp sich heute noch einer großen Nachfrage erfreut. Dass die heute als „Gründerzeitbauten“ bezeichneten Gebäude auf Grund von kriegsbedingter oder baulicher Entkernung und einer umfassenden Modernisierung mit den ursprünglichen Mietskasernen nun aber gar nichts mehr zu tun haben, sollte eigentlich augenfällig sein.
Darauf weist auch eine Stellungnahme zum „Gegengutachten“ hin, die von der angegriffenen Planungsgruppe WERKSTADT erstellt wurde. „Die heutige Nachfrage nach (sanierten !) Wohnungen in jenen Mietshäusern“, heißt es da, “ hat kaum etwas zu tun mit der ursprünglichen Typologie. Die Häuser bzw. die Wohnungen wurden inzwischen meist umfassend in neue Wohnformen und -grundrisse gewandelt. Bemerkenswert an der Baustruktur ist somit deren Flexibilität.“
In jener Stellungnahme werden auch weitere Begriffs-
verwirrungen aus dem Geisert-Papier zurechtgerückt. Hatte das ursprüngliche Gutachten dargelegt: „Die Wohnanlage Belforter Straße ist eine der wenigen vollständig erhaltenen Wohnbauprojekte der Entwick-
lungsphase zwischen 1950 und 1960 und die einzige Wohnanlage in Zeilenbauweise im Ortsteil Prenzlauer Berg“, so meinte Helmut Geisert dagegenzuhalten: Bei der Wohnbebauung in der Belforter Straße handelt es sich nicht um eine Zeilenbebauung, sie ist gänzlich anders zu bewerten, sie ist der erste Teil eines projek-
tierten Wohnkomplexes.“ Dass man Wohnkomplexe – wie in der DDR häufig geschehen – auch mit Zeilen-
bauten errichten kann, war dem mit verwandschaftlichen
Banden zum einstigen DDR-Stararchitekten Henselmann
geadelten Fachmann ganz offensichtlich entfallen.
Gutachten, Gegengutachten und Stellungnahme Gegengutachten stehen hier zum Download bereit
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Dr.Andreas Henselmmann
Apr 15. 2011
Belforter Karree, Prof.Helmut Geisert ist nicht der Schwiegersohn von Prof.Hermann Henselmann, Das Gutachten von Prof.Geisert ist doch offensichtlich ein „Privat- und damit Parteiengutachten“ und da kann man schondas schreiben was der Auftraggeber gerne hören möchte. Mit Gruß Dr.Andreas Henselmann, echter Sohn des alten Henselmann.