Altlasten mit Beton zugegossen

Es stinkt. Es stinkt ziemlich heftig. Auf dem Grundstück der Stargarder Straße 34 – 36 steigen Gerüche auf, die zuweilen an eine Petrolraffinerie erinnern. Oder an eine Tankstelle.
Und damit liegt man gar nicht so falsch.
Denn bis zum vergangenen Sommer befand sich tatsächlich eine Tankstelle auf dem Gelände, es soll die älteste von ganz Berlin gewesen sein. Rund einhundert Jahre lang wurde hier Benzin und Diesel gezapft, wurde auf dem angrenzenden Garagenhof gebastelt, gebaut, Öl gewechselt. Viel Kraftstoff und andere petrolchemische Stoffe sind in in den letzten hundert Jahren im Erdreich versickert.
Im vergangenen Jahr war dann Schluss: Der Grundstücks-

Die älteste Tankstelle Berlins. Altlasten aus 100 Jahren
© Foto: Dirk Grabowski

eigentümer ging in Insolvenz, das Grundstück wurde von einem Luxuswohnungsbauinvestor erworben, die Tankstelle musste schließen.
Es folgte der Abriss, die alten Tanks wurden aus dem Erd-
reich geholt, es wurden Bodenproben entnommen, ver-
seuchtes Erdreich abgetragen und entsorgt.

All das hat André Nagel mitangesehen – und gerochen. Der Elektrotechnikmeister hat sein Büro direkt gegenüber der Baustelle. Er sah, wie alte Tanks regelrecht aufgerissen wurden, so dass möglicherweise darin verbliebene Kraft-
stoffreste in den Boden gelangen konnten. Auch der Um-
gang mit dem kontaminierten Erdaushub erschien ihm nicht sachgerecht.

André Nagel: Sorgt sich um mögliche Umweltbelastungen

Also wandte sich André Nagel an das Bezirksamt. Nachdem erste Kontaktversuche erfolglos blieben, erreicht ihn schließlich eine Nachricht von Christiane Martens, Leiterin des Bereiches Umweltschutz beim Amt für Umwelt und Natur: „Die Bodenkontaminationen,“, teilte sie ihm mit, „wurden / werden unter behördliche Überwachung (…) korrekt entsorgt. Erst wenn eine saubere Bausohle erreicht ist, kann die Verfüllung bzw. die Betonierung erfolgen“. Und: „Es kann natürlich bei dem Aushub der Tanks als auch des kontaminierten Bodens zeitweise zu Geruchsbelastungen kommen.“
Die Bodensanierung war offiziell abgeschlossen, doch sauber war Bausohle nicht. Der helle Kies war durchsetzt mit grauen Ablagerungen, die auf eine Bodenverseuchung

Unten Altlast - oben Beton

hinwiesen. Geblieben war auch der Gestank – und zwar nicht nur „zeitweise“.
André Nagel kontaktierte erneut bezirkliche Umweltbehörde, erneut wird er beruhigt: Alles sei korrekt verlaufen, kein Grund zur Besorgnis. Er sorgt sich dennoch – ist doch der Gestank auch durch ein erneutes behördliches Schreiben nicht verflogen.
Am Freitag kam nun die Pankower Umweltschutzchefin persönlich vorbei. Von einer „sauberen Bausohle“ spricht sie nicht mehr, sondern von einer zu „tolerierenden Restkonta-
mination“, deren Beseitigung „unverhältnismäßig“ wäre. Die bietet André Nagel an, in ihre Unterlagen zuschauen – alle von staatlich anerkannten Gutachtern bestätigt. Elektromeister Nagel winkte ab: Viel zu oft schon hat er elektrische Installationen mit staatlichem Prüfsiegel gesehen, die in natura für die Nutzer lebensgefährlich waren. Papier ist geduldig.

Fünf Meter tief waren die Analysebohrungen, sagt Christiane Martens, keine Gefahr für das Grundwasser. Die Bausohle ist fünf Meter tief, doch auch in den Ausschachtungen, die tiefer als die Sohle sind, ist der verseuchte Boden zu erkennen.

Noch.

Dann ein „Flupppsch“, und die Betonpumpe gießt flüssiges Zementgemisch darüber.

Christiane Martens wird nun ungeduldig, das Wochenende naht, irgendwann muss auch mal Schluss sein. Sie verabschiedet sich und geht. Zurück bleibt ein ratloser André Nagel – und ein Geruch, der an eine Petrolraffinerie erinnert. Oder an eine Tankstelle.

 

 

Update: In der ursprünglichen Version des Artikels wurde Christiane Martens vom Bezirksamt Pankow zitiert, bei den im Boden verbleibenden Schadstoffen handle es sich um eine zu tolerierende „Testkontamination“. Diese sinnentstellende Aussage war das Werk des Tippfehlerteufels. Richtig muss es heißen: Restkontamination.

 

 



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