Was beim ersten Teil der 42. Tagung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) im Mai nicht geklappt hatte, scheiterte auch bei deren Fortsetzung im Juni: Ein Antrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen, mit dem sie die Debatte über die Zukunft des Geländes des ehemaligen Güter- und Rangierbahnhofs offen halten wollte (siehe Download unten), scheiterte gestern (Mittwoch) an der Ablehnung aller anderen Fraktionen des Bezirksparlaments.
Die Grünen sind in der Pankower BVV die einzige Fraktion, die die Pläne des Möbelhausunternehmers Kurt Krieger, auf der Bahn-Brache zwei Möbelhäuser und ein Einkaufszentrum von der Größe des ALEXA am Alexanderplatz zu errichten, ablehnt.
In seiner Antragsbegründung erklärte der grüne Bezirks-
verordnete Cornelius Bechtler sein Unverständnis über die Entscheidung der Mehrheit der BVV bezüglich der Krieger-Pläne.
Er berichtete von Unternehmern, die ihm gegenüber auf dem Wirtschaftstag Pankow einen Mangel an Gewerbe-
flächen beklagt hätten und sich vorstellen könnten, auf dem Rangierbahnhofsgelände zu expandieren. Außerdem kritisierte er die aus seiner Sicht ungenügende öffentliche Information und Bürgerbeteiligung in der Causa Krieger: „Bürgerbeteiligung darf man nicht dem Investor überlassen.“
SPD-Fraktionsvorsitzende Sabine Röhrbein gab sich gelassen ob der Tatsache, dass die SPD-geführte Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Kriegers Pläne bezüglich des Einkaufscenters für nicht genehmigungsfähig hält: „Das muss man auch mal aushalten können. Der Senat hat eben eine andere Perspektive.“ Sie kritisierte die sogenannte Flashmob-Aktion der Grünen bei der Eröffnung der „Infobox“ am Bahnhof Pankow: „Mit Ihren Aktionen bringen sie die BVV in Misskredit!“
Wolfram Kempe (Linksfraktion) warf den Bündnisgrünen vor, mit ihrer Gegnerschaft zu den Kriegerplänen Wahlkampf machen zu wollen. Außerdem wandte er sich gegen die Darstellung, in Pankow herrsche ein Mangel an freien Gewerbeflächen: In Heinersdorf versuche gerade ein Investor „krampfhaft“ ein Gewerbegebiet zu entwickeln, es fehle aber an Ansiedlungswilligen.
Auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Johannes Kraft wies sah keonnte keinen Gewebeflächenmangel in Pankow erkennen: „Es gibt in der nördlichen Berliner Allee freie Gewerbeflächen, wir haben an der Prenzlauer Promenade Flächen freigehalten, in Pankow Nord und in Buchholz.“ Kraft wies auch den Vorwurf einer mangelnde Öffentlich-
keit und Bürgerbeteiligung zurück: „Was tun wir denn die ganze Zeit. Reden sie doch mal mit den Bürgern in der Damerowstraße, gehen sie zur Infobox – da sind ständig mehrere hundert Bürger, um sich zu informieren. Reden sie mit ihnen!“
Die der Aussprache folgende Abstimmung war deutlich: Alle Bezirksverordnete mit Ausnahme der Grünen stimmten gegen den Antrag.
Die im Zuschauerraum befindlichen Vertreter des Investors nahmen es zufrieden zur Kenntnis.
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Marco Rau
Jun 09. 2011
Schönen guten Abend,
ich habe an der Infobox noch nie hunderte Leute gesehen (Abgesehen von der Eröffnungsparty mit Freibrause und -Würstchen) und ich komme dort jeden Tag mehrfach vorbei, insofern ist die Behauptung von Herrn Kraft eine – vorsichtig gesagt – Investorenfreundliche Übertreibung.
Das Krieger-Projekt liegt bei einer Investitionssumme von rund 400 Mio. Euro. Das ist beinahe die Summe eines Bezirksdoppeljahreshaushalts. Sie sollten als verantwortliche BVV’ler drüber nachdenken, ob Sie es den Pankower Anwohnern wirklich zumuten wollen, solch ein riesiges Projekt ohne tatsächliche Diskussion und Bürgerbeteiligung einfach umzusetzen. Sie tun sich und ihrem Ehrenamt hiermit keinen Gefallen, oder um mit den Worten von Frau Röhrbein zu sprechen: Sie bringen die BVV in Misskredit. Inwieweit Sie damit politisch durchkommen, bleibt abzuwarten.
Und bezüglich Herrn Kempes Aussage zum „Wahlkampf“ möchte ich gern fragen, ob es Wahlkampf ist, wenn man eigene politische Kernanliegen darstellt? Vielleicht gibt es auch einfach noch politisch aktive, die auch jenseits von Wahlkampfanliegen ihre politischen Interessen konsequent vertreten, aber wenn ich mir Versprechen und tatsächliche Politik der Linkspartei (Niedrige und soziale Mieten etc.) anschaue, habe ich den Eindruck, als ob das in Übereinstimmung bringen von Versprechen und Taten bei den Linken schon gar kein Anspruch mehr ist.
Und um es noch einmal zu betonen: eine Werbeveranstaltung des Investors ist keine Bürgerbeteiligung.
Herzliche Grüße von einem der vielen übergangenen Anwohner des Geländes,
Marco Rau