Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) solidarisierte sich heute (Dienstag) Vormittag mit den von Abriss bedrohten Mietern in der Belforter Straße.
Dort hatte der KolleBelle-Investor econcept das Areal Belforter/, Straßburger/, Metzer Straße aufgekauft und angekündigt, für eine geplante Blockrandbebauung Teile der dort stehenden Häuser abzureißen.
Bereits im Vorfeld des Pressetermins in der Metzer Straße hatte Thierse herbe Kritik an der Haltung des Bezirksamtes und besonders des Baustadtrates Michail Nelken (Die Linke) geäußert: „Der zuständige Stadtrat hat jahrelang nichts zum Schutz der Wohnanlage unternommen – jetzt, wo das Quartier nicht mehr als Sanierungsgebiet geschützt ist, weint er
Krokodilstränen um die bezahlbaren Wohnungen, die zu sichern er selbst versäumt hat!“
Tatsächlich ist das Gebiet mit der 50er-Jahre-Bebauung und den offenen, grünen Zwischenhöfen im Bebauungsplan mit der Einstufung „Flächensicherung und Neuordnung“ versehen, was ein Untersagen von Abrissmaßnahmen seitens des Bezirks-
amtes unmöglich macht.
Warum Baustadtrat Nelken nach dem Auslaufen der Sanierungssatzung das Areal, bei dem spätestens nach dem wirtschaftlichen Erfolg des „Palais KolleBelle“ ein Zugriff von Investoren zu erwarten war, nicht unter Schutz stellte, ist nach wie vor unklar.
Die Frage, ob und wie man die Mieter dennoch vor den Abrissplänen schützen kann, führte bei der letzten Bezirksverordnetenversammlung im Juli zu tumultähnlichen Szenen.
Am 9. September wird die Angelegenheit erneut auf der Tagesordnung der Pankower Bezirksverordneten stehen. Dann wird sich der BVV-Ausschuss für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung mit den Plänen des Investors befassen. Soweit zu hören war, soll econcept-Geschäftsführer Rainer Bahr selbst anwesend sein, um den Abgeordneten sein Vorhaben zu erläutern.
TV-Bericht vom Tag
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marcko heinrich
Aug 24. 2010
Herr Thierse hat hier nicht seinen Wahlkreis, denn er ist nicht der Wahlkreisabgeordnete. Das ist Herr Liebich von der Linkspartei (der bereits vor Wochen mit uns Mietern Kontakt aufgenommen hat, ganz ohne das typische Thierse-Geheuele).
Die SPD-geführte Senatsverwaltung f. Stadtentwicklung und auch die SPD in der BVV des Bezirkes haben jahrelang alles dafür getan (zusammen mit dem GRÜNEN Filz bei S.T.E.R.N.), dass der Prenzlauer Berg durch Immobilienentwickler aufgewertet wurde und haben dazu z.B das Quartiersmanagement eingesetzt und durch die Einführung von Sanierungsgebieten die lästige Auseinandersetzung mit den Mietern dem Bezirk bzw. deren Beauftragten (Wohnungsumsetzstelle) überlassen und dies auch noch mit beträchtlichen Landes-und Bundesmitteln an die Immobranche subventioniert.
Ergebnis: Genau dort, wo es jetzt kritisiert wird, liegen die mit höchsten Mieten der Innenstadt – eine politisch gewollte Aufforderung an alle Immobilienverwerter, hier weiter zu investieren.
Das, was Herr Thierse jetzt angeblich schlimm findet, hat er noch vor wenigen Zeiten bestritten, nämlich dass es im Bezirk überhaupt viel Verdrängung gibt – im Gleichklang mit Senatorin Junge-Reyer die jahrelang bestritt, dass es überhaupt ein Problem gibt.
Jetzt, wo alles längst zu spät ist, jetzt, wo die Verwaltung selbst beim unterstellten Willen etwas tun zu wollen, kaum noch ein Instrument hat um etwas gegen die Immobilienverwetung zu unternehmen – gerade jetzt stellt sich Herr Thierse hin und gibt den Unschuldigen, den Unterstützer. Es würde sich ganz sicherlich das eine oder andere Steuergesetz finden, dass der Immobilienverwertung gegen die Interessen der Mieter Auftrieb gegeben hat – und dem Herr Thierse im Bundestag seine Zustimmung gegeben hat.
Aber für wirkliche Politik, also für Inhalte hat sich Herr Thierse ja noch nie interessiert.
Peter Brenn Frakt.Vors.Bü90Grüne BVV
Aug 25. 2010
Bündnis 90/Die Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin
Berlin, 25. August 2010
Pressemitteilung
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NICHT NUR MIETER HABEN BERECHTIGTE ÄNGSTE
Zur Situation um die Wohnblöcke an der Straßburger und Metzer Straße in Prenzlauer Berg
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Die nach der Aufhebung der Sanierungsgebiete im Prenzlauer Berg entstehenden Nachverdichtungsmöglichkeiten sind ein bekanntes Problem, vor dem wir und der Bezirk stehen. Deshalb hat die BVV Pankow auf unsere Initiative hin beschlossen, Bebauungspläne aufzustellen, die den Bestand sichern und unverträgliche Nachverdichtungen verhindern sollen. Dieser Beschluss liegt nun schon über drei Jahre zurück. Dennoch hat der verantwortliche Bezirksstadtrat, Dr. Nelken, es nicht geschafft, in den sensibelsten Bereichen – und dazu gehören die Wohnblöcke an der Straßburger und Metzer Straße – Bebauungspläne aufzustellen. Der jetzt vom Bezirksamt auf den Weg gebrachte B-Plan löst das Problem leider nicht. Daher werden wir ihm in der vorliegenden Form nicht zustimmen können, kritisiert Peter Brenn, Fraktionsvorsitzender und Baupolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Pankow.
„In unserem Dringlichkeitsantrag zur Tagung der Bezirksverordnetenversammlung Pankow am 9. Juni ging es zwar vorrangig um die Sicherung der vorhandenen Wohnbebauung und die Sicherheit für die Mieter an der Straßburger und Metzer Straße. Doch haben sich im gestrigen Beitrag der Abendschau des rbb-Fernsehens weder Herr Thierse noch Bezirksstadtrat, Dr. Nelken, dazu positioniert, dass die dortigen Freiflächen eine wesentliche stadt-klimatische Bedeutung haben, für deren Erhalt im bereits dicht besiedelten Prenzlauer Berg wir uns in unserem dann am 7. Juli von der BVV abgelehnten Antrag klar ausgesprochen haben. Ganz zu schweigen davon, vor welche zusätzlichen infrastrukturellen Probleme der Bezirk bei einer weiteren Nachverdichtung in dem Bereich gestellt wird, zum Beispiel die Bereitstellung von mehr Kita- und Schulplätzen“, so Brenn weiter.
Linksfraktion in der BVV
Aug 25. 2010
23. August 2010
Linksfraktion in der BVV
Thierses scheinheilige Wortmeldung
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Thierse fordert jetzt den Schutz von Mietern im Kollwitzviertel gegen drohende Verdrängung. Dazu erklärt der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Linksfraktion Pankow, Thomas Goetzke:
Für Wolfgang Thierse galt Verdrängung von Mietern in seiner Nachbarschaft jahrelang als linke Propaganda – ebenso das Phänomen der „Gentrifizierung“.
Was wir in den letzten Jahren an sozialer Verdrängung in den Gründerzeitquartieren des Prenzlauer Berg und jetzt bei den 60er-Jahre-Wohnbauten an der Belforter Straße erleben müssen, ist das Ergebnis von 15 Jahren sozial blinder Stadterneuerungspolitik. Die Berliner SPD und auch Wolfgang Thierse tragen eine Mitverantwortung für die heutige Bedrohung der Mieter, weil sie auf eine Aufwertungsstrategie zur Mobilisierung privaten Kapitals setzten, ohne die erforderlichen und von vielen geforderten Gegenmaßnahmen zum Schutz der angestammten, einkommensschwachen Mieterschaft zu treffen.
Herr Thierse hat in der Vergangenheit persönlich jede Kritik der Linken an dieser sozialdemokratischen Politik zurückgewiesen. Noch vor 12 Monaten, als der Pankower Baustadtrat Michail Nelken (Die Linke) anlässlich der Aufhebung des Sanierungsgebiets Kollwitzplatz wegen des erheblichen sozialen Verdrängungsdrucks die Jubelbilanz der sozialdemokratischen Senatorin Junge-Reyer kritisierte, hat Thierse ihn als linken Miesmacher bezeichnet, der die Erfolge schlecht reden wolle.
Wenn heute Herr Thierse glaubt, den Baustadtrat dafür zu schelten können, dass er die sozialen Folgen sozialdemokratischer Stadterneuerungs- und Baupolitik nicht mit einem Bebauungsplan ausgleicht, ist das nicht nur vergesslich und scheinheilig, sondern zeugt vor allem von komplett fehlender Sachkenntnis. Mit B-Plänen lassen sich weder sozial verträgliche Mieten noch der Erhalt der in der Diskussion stehenden drei Wohnblöcke beschließen. Nicht den bedrängten Nachbarn gilt jetzt wohl seine Sorge, sondern den Wahlchancen der SPD.
Wolfgang Thierse und seine Genossen haben das bundesdeutsche Bau- und das Mietrecht auf die Bedürfnisse der Kapitalverwertung zurechtgestutzt, so dass wir ihre heutigen Klagen so lange scheinheilig nennen, bis sie sich von ihrer bisherigen neoliberalen Bau- und Wohnungspolitik in der Praxis abwenden.
Severin Höhmann
Aug 26. 2010
Als Nachbar am Wasserturm und als in der SPD politisch aktiver Bürger kann ich mich über die fast schon hetzerischen Töne einiger Kommentare hier nur wundern – zumal, wenn sie aus einer Partei kommen, die seit fast 10 Jahren in Berlin mitregiert, seit fast fünf Jahren in Pankow den Stadtrat für Stadentwicklung stellt und so vielleicht doch auch ein bißchen Mitverantwortung trägt. Den Mieterinnen und Mietern am Wasserturm ist mit Schuldzuweisungen an die angeblich so „neoliberale Bau- und Wohnungspolitik“ der SPD nicht geholfen – aber wenn man mit der Suche nach Fehlern beginnt, dann sollte man auch ehrlich genug sein, eigene Versäumnisse zu benennen: Hat Dr. Nelken in seiner Zeit als MdA nicht die Neufassung der Bauordnung mitbeschlossen, die eine Hochverdichtung wie bei Kolle-Belle mit der Herabsetzung der Abstandsflächen überhaupt erst ermöglichte? Sollt er nicht – wie es an anderer Stelle auf dieser Seite heißt – „erklären müssen, warum er und seine Behörde nicht schon zu jener Zeit tätig wurden, als ein Schutz des Bauensembles und seiner Mieter noch relativ problemlos möglich war“?
Abseits dieses Blicks in die Vergangenheit wünsche ich mir, dass die Anträge und Argumentationen der Bündnisgrünen zum Erhalt der Grünflächen und Bestandsbauten, die Bemühungen der Pankower SPD zum Schutz der Mieter durch eine Erhaltungssatzung in Zukunft von den Bezirksverordneten der Linken weniger mit ideologischen Scheuklappen betrachtet, sondern als ernsthafte Versuche gewertet werden, in der Wohnanlage am Wasserturm retten zu wollen, was noch zu retten ist. In der Sache – der Ablehnung von massiver Verdichtung, von Verdrängung der Altmieterinnen und -mietern und dem Kahlschlag bei den Grünflächen in der Wohnanlage zwischen Metzer und Belforter Straße – scheinen mir die drei relevanten politischen Parteien im Bezirk doch recht einig. Wer aber Ideologie (Goetzkes Kommentar erinnert doch fatal an: Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!) jetzt über Sachpolitik siegen lässt, erweist den Mieterinnen und Mietern einen Bärendienst und trägt am Ende nur dazu bei, dass Investoreninteressen und nicht die Politik die Stadt gestalten.
helmrodt
Aug 28. 2010
@ Severin Als Mitarbeiter von Herrn Thierse mag es Ihnen vielleicht nicht schmecken, aber wenn Herr Thierse unfachlich und unsachlich einen öffentlichkeitswirksamen Auftritt zelebriert, sollten Sie sich nicht wundern, wenn dies ein Gegenecho erzeugt. Sehr schön ist dazu die Berliner Zeitung mit der Überschrift „Herr Thierse entdeckt den Mieterschutz“ zu lesen.
Dass die Neufassung der Bauordnung damit etwas zu tun hat, würde ich an dieser Stelle bezweifeln, denn die Neufassung hat nur dazu geführt, dass ein anderes Genehmigungsverfahren durchlaufen wird, aber de facto nichts am grundsätzlichen Für- oder Wider entsprechender Bauanträge geändert. Und auch hier gilt, dass die fachliche Zuständigkeit und Federführung da die Senatsbauverwaltung (SPD) war, aber lassen wir das, denn: Ja, den Mietern wäre am besten geholfen, wenn die Angelegenheit zumindest von der Verwaltung (wozu auch die bezirkliche BVV gehört) sachlich und fachlich behandelt wird. Genau dies jedoch geschieht, wenn auch nicht von allen Seiten. Fachlich ist eine Erhaltungssatzung das falsche Mittel, nach meiner Kenntnis wurde von den SPD der BVV daher auch keine Erhaltungssatzung, sondern eine Umstrukturierungssatzung in der BVV beantragt. Dazu muss man wissen, dass diese nicht in der Lage ist, das Bauvorhaben zu verhindern, sondern nur flankierend evtl. Mietsteigerungen etwas begrenzen kann. Diese sind aber nicht das wirkliche Problem, da die Wohnungen bereits saniert sind, Modernisierungsumlagen etc. darum gar nicht möglich sind, weswegen die BVV dies mehrheitlich nicht prinzipiell abgelehnt, sondern in den entsprechenden Ausschuss verwiesen hat um dort zu klären, ob dies überhaupt das richtige Mittel ist – was wohl eher nicht der Fall ist.
Die von den Grünen beantragte BPlan-Änderung wurde nicht prinzipiell abgelehnt, sondern die darin geforderten Festlegungen als fachlich noch nicht ausgereift erkannt.
Über diese fachlichen Argumente kann man sicherlich fachlich streiten. Der Vorwurf, die Diskussion würde von Seiten der Linken ideologogisch geführt, ist jedoch in höchstem Maße unzureffend. Denn es bleibt der Umstand, dass baurechtlich wenig zu machen ist.
Die sachliche Debatte wird also geführt, das ist gut. Unsachliche und falsche Einwürfe von Herrn Thierse bringen den Bürgern da jedoch nichts. Besonders vor dem Hintergrund, dass a) über das Baurecht, über B-Pläne diese Vorhaben nicht verhindert werden können (auch wenn einzelne BVV-Fraktionen das immer wieder glaubhaft machen wollen), b) das Problem der direkt betroffenen Bürger nicht Mieterhöhungen in Folge der Baumaßnahmen sein werden (Modernisierungen können die Mieter aufgrund der bereits erfolgten Modernisierungen mit neuen Fenstern, neuer Fassade, modernen Heizungen etc. ablehnen bzw. die Kosten nicht umgelegt werden) und c) der Vorwurf, man hätte das Ensemble rechtlich schützen können, wenn man da früher etwas gemacht hätte, fachlich durch nichts begründet ist. Jedenfalls habe ich bisher zu diesem Vorwurf an keiner Stelle eine fachlich überzeugende Begründung gehört und mit fällt auch keine ein.
Falkenhagen
Sep 12. 2010
Ich würde jetzt stadtklimatisch die Erhaltung des Grüns im Blockinneren für wichtiger halten als die evtl. Blockrandschließung – zumal auf der anderen Seite der Straßburger Straße ja auch eine Blockrandbebauung vorhanden ist, also die kühle Luft doch nicht so leicht „weiter kommt“. Rein wirtschaftlich ist für den Investor das Interesse an dem Baurecht für die Wohnungen vermutlich größer als das Interesse an einem Baurecht die Tiefgaragen.
Auch die Störungen durch zusätzliche Autos wären sicherlich größer als die Störungen durch neue Häuser und deren Bewohner.
Außerdem würde bei einer Blockrandschließung ohne Tiefgaragen die Wohnruhe auch der bestehnden Häuser verbessert. Eine Verbessserung der Wohnqualität auf diese Weise – ohne Modernisierungskosten – braucht man m.M. nicht abzulehnen.
Mit der Genehmigung einer weitreichenden Unterkellerung des KolleBelle-Grundstücks – die im Widerspruch zur ortsüblichen Umgebungsbebauung steht – hat der Bezirk natürlich ein ungutes Exempel gesetzt.