Traubenkirsche: Keine weiteren Gutachten

Auf einer Sondersitzung des BVV-Ausschusses für Umwelt und Natur hat Bezirksbürgermeister Matthias Köhne angeregt, keine weiteren Gutachten über die Standfestigkeit der Traubenkirschen in Prenzlauer Berg erstellen zu lassen, und das Geld, das für die Untersuchungen aufgebracht werden müsste, für die Anpflanzung neuer, stabiler Straßenbäume zu verwenden. Die noch vorhandenen Traubenkirschen sollen durch einen umfassenden Rückschnitt so lange gesichert werden, bis eine Neuanpflanzung an den jeweiligen Standorten garantiert werden kann ist. An der öffentlichen Sondersitzung nahmen auch Angehörige der Bürgerinitiative „Rettet die Straßenbäume” (B.I.R.D.S.), des Bürgervereins Gleimviertel e.V., Anwohner von betroffenen Straßen sowie Vertreter von Umweltverbänden teil. Ein Beschluss wurde nicht gefasst.

Problembaum Traubenkirsche:
Rückschnitt zur Sicherung -
Fällen nur bei absehbarer Neubepflanzung

Kein Gewächs hatte den Stadtteil in den vergangenen vier Jahren wohl mehr erregt, als Prunus padus – die Gewöhnliche Trauben-
kirsche. Vor gut dreißig Jahren zuhauf in den Straßen von Prenzlauer Berg angepflanzt, bekamen die Bäume vor ein paar Jahren die kollektive Fallsucht: Wie sich herausstellte, waren die äußerlich gesund erscheinenden Bäume von einer Wurzelfäule befallen.

Bürgermeister Matthias Köhne, der auch der Pankower Umwelt- und Naturbehörde vorsteht, hatte sogleich Therapie parat: Er wollte die Sache im Wortsinne bei der Wurzel packen – mittels Motorsäge.

Allerdings übersah er dabei, dass die Problembäume ausgerechnet in jenen Prenzlauer Berger Gegenden vorzufinden war, in denen Bürger nicht nur regelmäßig Teilhabe an sie betreffende Entscheidungen einfordern, sondern darüber hinaus auch gut vernetzt sind: Um die Gneiststraße herum in der Genossenschaft Bremer Höhe und im Gleimviertel im dortigen Bürgerverein.
Das Ergebnis: Lautstarke Proteste, Plakataktionen, Telefonketten und schließlich die Gründung von B.I.R.D.S. Bürgermeister Köhne, von der Massivität der Gegenwehr völlig überrascht, verkündete ein Kettensägenmoratorium und einigte sich mit den Baumschützern auf die Beauftragung von unabhängigen Gutachtern, die über die Hällwürdigkeit jedes einzelnen Baums befinden sollten. Darüber hinaus setzte B.I.R.D.S. durch, vor jeder künftigen Fällaktion gehört zu werden.

Aufwändig und teuer: Wurzeluntersuchungen
© Foto: Tino Kotte

Doch befriedet war der Kampf ums Straßengrün damit noch lange nicht.

So löste der im Umgang mit Bürgerinitiativen zuweilen wenig instinktsicher agierende Verwaltungsfachmann Köhne in der BVV-Sitzung vom März 2008 regelrechte Tumulte im Zuschauersaal aus, als er verkündete, Straßenbäume seien als Gegenstand demokratischer Entscheidungen nicht geeignet.

Auch der Umstand, dass er zum einen Fällungen mit Polizeieinsatzkräften durchsetzte und zum anderen fast zeitgleich am „Tag des Baumes“ medienwirksam einen Setzling in die Erde brachte und sich so zum großen Begrüner des Bezirks stilisierte, trug nicht wirklich zur Entspannung bei. Denn noch mehr als über die Fällaktionen waren die Bürger darüber erbost, dass es auf Grund klammer Kassen absehbar keine Neubepflanzung der nun verwaisten Baumscheiben geben sollte.

In Gang kam aber nun zumindest die Kommunikation zwischen Bezirksamt und Bürgerinitiativen: Innerhalb des „Arbeitskreises Traubenkirsche“, bei dem beide Seiten an einem Tisch sitzen, wurde immer dann, wenn die beauftragten Gutachter eine Traubenkirsche als „Gefahrenbaum“ klassifizierten, der ihrer Meinung nach umsturzgefährdet war, erhielten die Aktivisten Nachricht vom Amt. Gleichzeitig machte sich das dem Bezirksbürgermeister direkt unterstehende Amt für Umwelt und Natur daran, eine „Baumleitplanung“ für den Bezirk zu erstellen, die eine sachgerechte „Wiederaufforstung“ der Pankower Straßenränder sichern soll.

Wenig instinktsicher agierend:
Bürgermeister Matthias Köhne (rechts)

In letzter Zeit wurde der Ton zwischen Bezirksamt und B.I.R.D.S. allerdings wieder rauher. Grund dafür waren flächendeckende Baumschnittaktionen, über die sich die Initiative B.I.R.D.S. nicht ausreichend informiert fühlte. Am Ende einer „Protestnote“ drohte B.I.R.D.S. gar mit dem Austritt aus dem Arbeitskreis.
Die Annahme liegt nicht fern, dass Köhnes Vorstoß eine direkte Reaktion auf den B.I.R.D.S.-Brief darstellt – ähnliche „Unruhen“ wie 2007/2008 sind gerade unmittelbar vor Wahlen nicht unbedingt stimmenmehrend. Auch dass es inhaltlich Überschneidungen mit Vorstellungen der B.I.R.D.S.-Aktivisten gibt, weist in diese Richtung. So ist in der Mitteilung der Baumschützer vom 5. Mai dieses Jahres zu lesen:

„Es gibt im Prinzip zwei Handlungsoptionen: Entweder man untersucht alle 1-2 Jahre die Bäume, fällt nach und nach die „Gefahrenbäume“ und schneidet die Kronen zurück (Untersuchung und Kronenschnitt kosten pro Baum um die 500 Euro), oder man fällt diese Bäume, legt Baumscheiben mit neuer Erde an und pflanzt neu (kostet pro Baum zwischen 1.000 und 1.200 Euro).
In Anbetracht der knappen Bezirkskasse scheint (…) letztere Lösung nachhaltiger, da man nicht sicher sein kann, ob auch in den nächsten Jahren Gelder für Neupflanzungen vorhanden sind.“

In den nächsten Tagen wollen sich Bürgerinitiativen und Umweltverbände treffen, um über eine gemeinsame Stellungnahme zum Köhne-Vorschlag zu beraten.

 

 

 

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4 Kommentare zu “Traubenkirsche: Keine weiteren Gutachten”

  1. Der Ulle

    Aug 25. 2011

    Wieso müssen eigentlich wegen solcher Themen immer wieder Glaubenskriege ausbrechen. Die Traubenkirsche ist als Straßenbaum nicht geeignet, sie zu pflanzen war von Anfang an ein Fehler. Irgend wann werden sie umstürzen. Wenn alles gut geht passiert nicht mehr als dass nur ein Baum auf Straße oder Gehweg liegt. Mit etwas Pech trifft es ein Auto, mit mehr Pech eventuell auch Menschen.

    Wieso geht man nicht pragmatisch an die Sache heran und ersetzt die Bäume möglichst bald durch geeignete Sorten statt jedes Jahr viel Geld für Überprüfungen auszugeben und trotzdem mit ziemlicher Sicherheit früher oder später mit der Säge anrücken zu müssen?

    Es sind solche Geschehnisse die mit für den schlechten Ruf des Prenzlauer Berges sorgen. Gibt es hier keine echten Probleme?

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  2. B.I.R.D.S.

    Aug 26. 2011

    @Ulle: Es geht hier nicht um einen Glaubenskrieg, es geht um den Erhalt von Stadtgrün. Als von Mitte der 1980er-Jahre bis in die 1990er-Jahre hinein die Traubenkirsche auf den Unterstreifen der Gehwege gepflanzt wurde, wußte noch niemand, dass es 20 Jahre späte solche Probleme mit diesen Bäumen geben würde.

    Und: Die Baumbilanz für Pankow (und für ganz Berlin) ist seit Jahren negativ. Bäume „prophylaktisch“ zu fällen, weil sie evtl. umfallen könnten, kann nicht die Lösung sein, vorallem dann nicht, wenn Mittel für aquivalente Ersatzpflanzungen fehlen. Es gibt nach wie vor gesunde Traubenkirschen, auch an Standorten, die alles andere als ideal sind. Auf der anderen Seite sind Traubenkirschen mitten auf dem Ostseeplatz (guter Boden, keine Stammverletzungen durch parkenden Autos oder „Überdüngung“ durch Hunde-Urin) einfach umgefallen (Wurzelstockfäule).

    Traubenkrischen jetzt pauschal niederzumähen, wäre keine Lösung. Daher scheint es ein guter Kompromiss zu sein, das Geld für weitere Gutachten zu sparen und lieber in Neupflanzungen zu stecken + die verbleibenden Traubenkirschen durch Kronenrückschnitte so lange es geht zu erhalten. Zwar ist damit eine negative Biomasse-Bilanz verbunden, aber besser als kahle Straßen.

    Perspektivisch müssen wir uns entscheiden, ob wir kleinwüchsige Bäume nachpflanzen (gemäß der räumlich eingeschränkten Standortbedingungen auf Gehwegen, siehe Apfeldorn-Bonsai in der Gneiststraße) oder ob wir den Mut haben, Baumscheiben im Straßenland wie in der Schröderstraße und Gartenstraße in Mitte anzulegen, damit großkronige Bäume gepflanzt werden können. Im Zuge der Klimaerwärmung könnte es sein, dass wir uns langfristig nach schattenspendenden Straßenbäumen in hochverdichteten Wohngebieten sehnen werden.

    Daher unser Plädoyer: Baumscheiben statt Kfz-Parkplätze!

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  3. B.I.R.D.S.

    Aug 26. 2011

    Danke an Olaf für den aus der Distanz geschriebenen Artikel, gerade auch für den Arbeitskreis „Traubenkitsche”! Gruß von Tino Kotte

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